Punkurgestein Axel Kurth vom WIZO „Nichts war so schlimm wie der Stress mit Fundamentalkatholiken“
„Nichts wird wieder gut“... wenn man als Punk mal einer Meinung mit Markus Söder war? Zumindest heißt das neue WIZO-Album so. Ein Gespräch mit Sänger und Gitarrist Axel Kurth über die Vorteile von KI, besondere Erlebnisse in Bayern und warum es „der WIZO“ heißt.
WIZO, die Punk-Darlings aus Sindelfingen. 1986 gegründet, Mitte der Nullerjahr vorübergehend aufgelöst und seit 2009 sind wieder aktiv. In fast 40 Jahren Bandgeschichte gab’s allerlei Personalwechsel, nur einer war von Anfang an dabei: Gitarrist und Sänger Axel Kurth. Von ihm stammen auch sämtliche Songs vom aktuellen WIZO-Album „Nichts wird wieder gut”. WIZO feiert darauf ihr Alter und den körperlichen Verfall und sie bekennen sich zu ihrer Herkunft, nämlich Teil der Prokrasti-Nation zu sein.
Zündfunk: Wir hatten gedacht, Punker finden Künstliche Intelligenzen bestimmt eher blöd. Aber: Du bist der totale KI-Checker.
Axel Kurth, WIZO: Völlig. Ich schreibe auch schon Lieder mit denen. Auf meiner letzten Platte habe ich meine ganzen Diskussionen mit Chat GPT gemacht, weil ich so wenig Austausch in letzter Zeit mit Menschen habe.
Auf eurer aktuellen Platte gibt es diesen Song „Zucker und Fett“ , was ich sehr schön finde.
Diese Mischung aus Zucker und Fett, die es in der Natur in der Form ja normalerweise nicht gibt. Wo der Urmensch in uns sagt: Oh, Schokolade. Zucker, Fett. Alles rein, alles rein, alles rein. Und es gibt halt eine Riesenindustrie – und da sind wir bei der Kapitalismuskritik – die sich das ja auch zu eigen gemacht hat, dass die Leute keine Fressgrenze kennen.
Wo wir gerade bei Gesundheit und Ernährung sind. Du siehst Bombe aus. Nicht wie jemand mit Mitte 50. Die pinken Haare färbst du noch selber?
Pink bin ich erst seit dieser Tour, passend zu unserem Bühnenbild mit unserer pinkfarbenen Miezi, die wir auf der Bühne haben. Das mache ich selber, weil es sonst nicht so abgefuckt aussieht.
Du siehst ziemlich gesund aus.
Ich bin vergan, bio-vegan schon seit den letzten paar Jahren. Kein Alkohol seit ich 18 bin. Ich muss immer fahren auf Tour.
Dann hast du auch viel von der von der Welt mitgekriegt, hast immer gewusst, in welchem Ort du spielst.
Wie du schon sagst: In der Vergangenheitsform. Ich habe es gewusst. Aber dann hat die Altersdemenz ihre Kerben geschlagen. Dann kommen immer Menschen zu mir: „Weißt du noch, damals euer Konzert in dort und dort.“ Und da muss ich immer sehr, sehr stark überlegen. Aber es gibt ja theoretisch kein WIZO-Konzert, auf dem ich nicht war. Aber, dass ich da jetzt unbedingt eine Erinnerung daran habe, ist auch nicht gegeben.
Es ist genau ein Jahr her, dass wir im Zündfunk das Jahr 2023 zum Jahr des Punk ausgerufen. Wir fühlten uns dann irgendwie bestätigt, weil am Ende des Jahres Bands wie Team Scheisse oder Feine Sahne Fischfilet auf Platz eins der Charts waren. Hast Du eine Erklärung dafür, warum Punk gerade in der letzten Zeit wieder da ist?
Für mich hat das mehrere Ebenen. Diese jüngeren Bands wie Feine Sahne oder Team Scheisse treffen halt den Nerv einer jüngeren Generation in einer Zeit, in der eigentlich alles ziemlich scheiße ist. Guck dir die Generation an, die in der Pandemie ihre Heydays und ihre Pubertätsjahre verbringen musste. Denen kannst du nicht mehr mit irgendwelchem Unsinn kommen. Die haben keinen Bock auf fluffigen Euro-Dance-Scheiß oder so was. Da ist ein guter Nährboden da für solche Bands. Die brauchen allerdings halt auch ihre Protagonisten. Wir als alte weiße Männer-Band aus den Neunzigern taugen da nur so begrenzt dafür.
Wir wiederum erleben das aber auf einer anderen Weise. In unserem Fall kann man ganz klar sagen: Die Kids aus den Neunzigern sind gesettelt und haben Kinder. Haben diese Kinder sie vor fünf Jahren noch vor logistische Probleme gestellt, kann man die mit 13 gut vor ihrer Playstation abstellen. Und die Eltern können wieder feiern gehen. Ich habe das Gefühl, dass die wieder zurückkommen. Wie beim Tsunami, wenn die zweite Welle kommt.
Du hier grad auf bayerischem Gebiet. Was war der abgefahrenste Club in Bayern? Das abgefahrenste Dorfgasthof-Erlebnis?
Easy: Chamerau. Das Ding in Chamerau war irgendeine Festsporthalle oder so was. Aber das Schöne war, dass da die komplette Polizeidirektion Regensburg mit 14 Wannen und einem Sondereinsatzkommando und im Kindergarten nebendran ihre Einsatzzentrale gemacht haben. Weil wir damals massiven Ärger mit der Staatsanwaltschaft in Regensburg hatten wegen verschiedenster Sachen. Und in Chamerau haben sie uns gesagt: Wehe, wir spielen unser indiziertes... Wobei man immer ganz vorsichtig sein muss: Also unser Lied, dass wir dann nicht mehr auf der Platte veröffentlichen konnten, weil wir wegen Aufruf zur Gewalt tatsächlich gerichtlich verurteilt wurden.
Das erzählt sich jetzt so als launige Geschichte, aber ihr seid dann auch verurteilt worden. Das war schon ernst, oder?
Wir waren sehr, sehr unentspannt. Wir haben ja auch in der Vergangenheit Probleme mit Nazis gehabt, aber nichts davon war auch nur annähernd so schlimm wie der Stress, den wir mit so Fundamentalkatholiken hatten. Das war wirklich nicht schön. Die wollten uns brennende Kreuze in Garten stellen.
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WIZO - Ganz klar gegen Nazis - (official - 04/21)
Der Kampf gegen Rechtsextremismus, dieses Ansingen gegen Neonazis, das ist aber auch nach fast vier Jahrzehnten WIZO noch immer oberste Priorität, oder? Man kann es gar nicht oft genug, nicht plump und nicht einfach genug sagen, sagst Du auch gerne bei den Konzerten: „Ganz klar gegen Nazis”.
Die Leute um uns herum, die mit uns zu tun haben, die brauchen Unterstützung, die brauchen Parolen, sie brauchen Agitation. Das ist mein fucking Talent, das ich habe, um die Menschen zu unterstützen, die gegen Rassismus und Unmenschlichkeit aufstehen. Und deswegen muss ich so was abliefern. Ich habe da immer die Lautsprecherwagen auf den Demos im Kopf gehabt, wenn ich solche Songs schreibe.
Du hast einen Pulli von einer Seenotrettung an. Und die Jacke...
...stimmt. Ich bin ein bisschen ein Merch-Opfer von Seawatch.
Das trägst du ja auch nicht zufällig.
Ich bin eine Projektionsfläche. Die Leute machen Fotos mit mir, die machen Fotos von mir auf der Bühne und ich habe ich habe immerhin noch was weiß ich wie viel Quadratzentimeter auf meiner Brust zur Verfügung, um irgendwelche Messages rauszusenden. Ich bin nicht so gut beim Demonstrieren, weil ich auf Demos immer so eskaliere. Ich bin besser beim Lieder schreiben und Agitation machen.
Eure neue Platte heißt „Nichts wird wieder gut“. Klingt jetzt nicht so optimistisch. Wo kommt das her? Ist bei den Gründen, was nicht so gut läuft, dabei, dass WIZO-Lieder über Umwege auch gern mal auf Querdenker-Demos laufen?
Sag das bitte nicht. Man bringt mich sehr, sehr schlecht außer Fassung, aber das hat mir echt die Schuhe ausgezogen. Fucking hell! Mit Nazis demonstrieren, aber WIZO laufen lassen. Hört ihr denn den Schuss überhaupt? Das hat mich echt fertig gemacht. Wir hatten auf diesem Album, der vorletzten Platte, auch einen Politiker-Diss-Song, wo ich ungefähr gesagt hab: Fette Politiker arbeiten nur in ihrer Lobby. Und das war etwas, das du fast wortwörtlich auf so einer bescheuerten Querdimpfel-Demo hättest hören können.
Und da kann ich auch den Bogen zum neuen Album schlagen: Die Songs auf dem neuen Album sind alles alte Songs, die ich vor der Pandemie geschrieben habe, weil ich in der Pandemie diesen Verlust der linksintellektuellen Selbstverständlichkeiten als etwas sehr, sehr Traumatisches erlebt habe. Genauso wie mich auch erschüttert hat, als ich irgendwann festgestellt habe, dass ich einer Meinung mit Markus Söder bin. Das war für mich auch entsetzlich.
Wo wart ihr euch einig?
Ach, irgendeine Maßnahme mit der Pandemie. Ich bin mit einer Biologin verheiratet und die hat mir das erklärt, wie das funktioniert, mit Viren und mit Virologie. Und das hat für mich komplett Sinn ergeben, was da gemacht wurde. Für mich war klar, das ist eine Sache, die dauert drei Jahre. Und wir müssen jetzt gucken, dass wir nicht unsere Risikogruppen opfern. Und jetzt hat halt der Söder wahrscheinlich auch irgendwann mal was Schlaues gesagt. Und da war ich dann einverstanden mit ihm und dachte: Oh Gott, Herr Kurth, jetzt isch aber weit gekommen.
Das hängt dir noch nach, oder?
Das hängt mir stark nach. Tatsächlich habe ich seit der Pandemie noch keine richtig neuen Texte geschrieben, weil es mir bislang schwerfiel, mein Gegenüber auszumachen. Deswegen habe ich auch so unfassbar Bock gehabt auf eine Tour. Endlich mal wieder mit den Menschen in einem Raum. Dann kann ich mir die alle anschauen, kann mit denen auch ab und zu reden und sehe ihre Reaktionen. Davon erhoffe ich mir als Künstler ganz eigennützig wieder mehr einen Kompass.
Deswegen auch dieses „Nichts wird wieder gut“.
Wenn man sich umschaut. Es wird halt nichts mehr gut irgendwie.
Schöner wäre es, wenn's schöner wäre.
Sowieso. Aber ich befand mich schon mal in so einer Situation, als es aussah, als wäre alles scheiße. Und damals haben wir immer gesagt: No future. Und das war ja aber ein Quell von Kreativität für uns. Gerade dieses Nihilistische, Zerstörerische, das wir in den frühen Punker-Jahren hatten.
Mir wurde auf dem Gymnasium gesagt, ich soll einen Job lernen, der Sinn ergibt. Und dann dachte ich: What the fuck, hier ist bald Atomkrieg. Wozu soll ich noch einen Job lernen? Ich gehe mal heim und lerne lieber Gitarre. Das macht mir wenigstens Spaß. Das ist mir in den Neunzigern abhandengekommen. Aber diese Rückkehr der Aussichtslosigkeit ist etwas, was ich künstlerisch total geil finde.
Und lass uns noch kurz über das Cover reden, vom neuen Album: Die Katze, cat content.
Diese Katze, die du jetzt ansprichst, die haben wir uns von Midjourney generieren lassen, also der künstlichen Intelligenz. Wir feiern es mega. Wir finden es super, dass es die Möglichkeit gibt, einer KI zu sagen: Bitte KI, mal mir mal eine süße Katze mit einem Stift in der Hand. Weil das war die ursprüngliche Idee. Ursprünglich sollte die Platte heißen: Der Stift malt schon. Wer diese Redewendung kennt, der weiß, was sie bedeutet. Bei allen anderen möchte ich mich jetzt schon entschuldigen, wenn Sie es googeln.
Ein Punk-Idiom?
Nein, wenn man dringend aufs Klo muss. Und das ist eben dieses Synonym dafür, dass alles immer noch beschissener wird. Mit dem Ergebnis, dass die KI dann ausgespuckt hat, hat dann wiederum unser Grafiker angefangen, eine eigene Kreativität zu entwickeln. Ich kann mir nichts Genialeres vorstellen. Das bringt es für mich so dermaßen auf den Punkt, wozu KI auch gut ist für uns als künstlerisch schaffende Menschen. Dass wir sie wirklich als Inspiration nehmen oder auch als Provokation. Alle Trends am Start beim WIZO, zeitgemäß wie eh und je.
Du sagst auch beim WIZO. Das ist ja fast schon wie früher Mitarbeiter gesagt haben: „Ich arbeite beim Daimler“ oder „beim Audi“.
Es kommt genau daher. Eine Promoterin von uns hat immer gesagt: „Ja weißt, wenn der WIZO das macht und das macht.“ Das haben wir geil gefunden. So haben wir schon unser eigenes Pronomen. Und wir können uns so ein bisschen entkoppeln von dem Unsinn, der im Namen vom WIZO halt so geschieht im Laufe der Jahrzehnte. Weil es war nicht Axel Kurth, das war der WIZO damals, der da...
So eine Art Kunstfigur.
Oder eine Schizophrenisierung.
Es war ein großes Vergnügen, dich hier gehabt zu haben, Kurth vom Wizo!
Tatsächlich ist es eine große Ehre vom good old Zündfunk mal in die Mangel genommen worden zu sein.