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Kinderhaut und Psyche Wenn Neurodermitis aufs Gemüt schlägt

Kinder mit Neurodermitis leiden nicht nur an den Symptomen der Erkrankung an sich, sondern auch an den psychischen Folgen, die damit einhergehen.

Von: Katharina Hübel

Stand: 28.09.2020

Neurodermitis | Bild: picture-alliance/dpa

Bei Erwachsenen wirkt sich eine psychische Belastung oft stark auf die Haut aus, beispielsweise nach einem Schicksalsschlag wie einer Trennung oder bei Beziehungsstress.

"Bei den Kindern ist das eher umgekehrt, in dem Sinne, dass sich die Haut auf die Psyche auswirkt und auf die Beziehung mit den Eltern. Bei allen chronisch kranken Kindern ist das so."

Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein

Studien zeigen, dass gerade Kinder, die vor dem zweiten Lebensjahr eine schwere bis mittelschwere Neurodermitis hatten, auch als Jugendliche noch Auffälligkeiten im Psychosozialen aufweisen. Sie sind ängstlicher, sie sind nicht so gut in der Sozialinteraktion. Psychologen führen das darauf zurück, dass in der frühkindlichen Phase das Taktile zu kurz kommt, die Berührung, der enge Kontakt zu Bezugspersonen. "Verlust des Urvertrauens" ist das Schlagwort.

"Je besser Sie therapieren, je weniger die Neurodermitis die Lebensqualität beeinflusst, desto weniger wirkt sich die Erkrankung auf die Psyche aus. Das berichten einige Eltern der Kinder, die bei mir in Therapie sind. Dazu gibt es allerdings keine Studien."

Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein

Auch am Haunerschen Kinderspital hat Erika von Mutius die Erfahrung gemacht, dass vor allem Kinder wegen ihrer Neurodermitis belastende Erlebnisse haben.

"Alles, was mit der Haut passiert, ist sichtbar und kann leicht dazu führen, dass man stigmatisiert wird. Vor allem unter Kindern, da ihnen ein Ekzem manchmal unheimlich erscheint."

Prof. Dr. Erika von Mutius, Dr. von Haunersches Kinderspital

Dann geben ihnen andere Kinder die Hand nicht mehr, meiden sie, zeigen mit dem Finger auf sie. Andere haben Angst, sich anzustecken oder sie finden den Ausschlag einfach nur komisch. In so einem Fall kann es helfen, dass die Eltern mit der Klassenlehrerin sprechen und diese die Klasse aufklärt. Manchmal sind es aber auch die gut gemeinten Reaktionen, die den betroffenen Familien Stress verursachen.

"Für junge Mütter ist es oft ein Riesenstress, wenn sie mit dem Kinderwagen unterwegs sind und jeder beugt sich dann in den Kinderwagen und sagt: 'Oh Gott!' Und jeder meint dann, er müsste die guten Tipps loswerden, die oft nichts bringen. Oder die Oma, die meint, die Mutter mache alles falsch. Das kann schon ein erheblicher Stressfaktor sein."

Prof. Dr. Erika von Mutius, Dr. von Haunersches Kinderspital

Nicht selten fühlen sich die Eltern – auch ohne Schuldzuweisung von außen – verantwortlich für die Erkrankung ihrer Kinder. Sie fühlen sich schuldig, denken, dass sie alles falsch machen. Ihnen spricht Prof. von Mutius Mut zu, versucht ihnen Selbstbewusstsein zu geben.

"Ich habe oft Eltern erlebt, die sich schuldig gefühlt haben. Dann muss man ihnen sagen, dass sie nichts falsch machen, denn oft kann man bei der Neurodermitis den Verlauf gar nicht beeinflussen."

Prof. Dr. Erika von Mutius, Dr. von Haunersches Kinderspital

Weder durch Homöopathie, noch durch Heilpraktiker, auch nicht durch Diäten könne die Neurodermitis grundsätzlich beeinflusst werden, so der Standpunkt von Erika von Mutius. Oft würde das nur zusätzlich die Eltern und das Kind zermürben, da sie das Kind zu weiteren Terminen, Untersuchungen und zum Verzicht bestimmter, vielleicht gemochter Lebensmittel bringen müssen. Erika von Mutius versucht vielmehr, den Eltern Ruhe und Selbstvertrauen zu geben. Denn sie sind die Experten für ihr eigenes Kind.

"Ich begleite die Eltern eine Zeit lang und dann sage ich zu ihnen: 'Sie wissen am besten, was Ihrem Kind guttut oder schlecht tut.' Was bei dem einen Kind hilft, ist noch lange nicht gesagt, dass es auch dem anderen Kind hilft. Neurodermitis ist eine sehr individuelle Erkrankung."

Prof. Dr. Erika von Mutius, Dr. von Haunersches Kinderspital

Können die Eltern gut mit der Erkrankung umgehen und sind entspannt, ist es für die Kinder sehr hilfreich. Eltern können auch darauf achten, dass die Kinder Rückzugsmöglichkeiten und Ruhepausen haben. Kinder mit Neurodermitis sind, so Dr. Christina Schnopp, oftmals sehr hibbelig, neugierig und interessiert, oft auch sehr schlau, manchmal auch schwer zu stoppen. Allerdings hilft es ihnen meistens, wenn sie einen gleichmäßigen Tagesablauf haben.

"Es tut der Haut gut, wenn das Leben nicht zu aufregend ist - also nicht gestern bei der Freundin, heute bei der Oma. Rituale helfen. Die Eckpunkte sind der Morgen und der Abend, dass da alles gleich abläuft, dass nicht ständig andere Essens- und Schlafenszeiten sind. Es tut diesen Kindern gut, wenn sie einen regelmäßigen Rhythmus haben. Bei ihnen passiert so viel im Gehirn, dass ihnen ein bisschen Ruhe von außen hilft."

Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein


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