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Glycerin, Harnstoff, Cortison Wie kann man Neurodermitis behandeln?

Auch wenn Neurodermitis nicht heilbar ist:, sSie muss behandelt werden. Doch es gibt viele Unsicherheiten und Ängste: Bin ich selbst schuld an Neurodermitis? Muss ich wirklich Cortison-Cremes nehmen? Gibt es Alternativen?

Von: Katharina Hübel

Stand: 28.09.2020

Neurodermitis | Bild: picture-alliance/dpa

Bislang ist es nicht möglich, Neurodermitis zu heilen. Die Ärzte können lediglich die Symptome behandeln. Das Fundament einer jeden Therapie ist die richtige "Basispflege", die die gestörte Hautbarriere ausgleicht und die Haut feucht hält.

Basispflege:

  • Bei leichten Formen reicht täglich ein- bis zweimal Ganzkörpereincremen mit einer etwas fetteren Creme aus dem Babysortiment.
  • Bei schwereren Formen kann der Kinder- oder Hautarzt eine passende Basispflege verschreiben.
  • Es gibt verschiedene Creme-Rezepturen (auch für Sommer und Winter.
  • Meist ist Geduld gefragt, die richtige zu finden.

"Wenn die Kinder eine schwere Neurodermitis haben, ist es schwierig. Sie haben offene Stellen, dann brennt für sie vieles. Man muss dann aufpassen, dass die Creme nicht zu fett ist und so den Juckreiz nicht wieder verstärkt. Dann wird es kompliziert. Ab diesem Zeitpunkt ist es sinnvoll, zum Arzt zu gehen."

Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein

Zusammensetzung der Cremes:

  • Glycerin bei Kindern / Harnstoff bei Erwachsenen
  • auf die Reihenfolge der Inhaltsstoffe auf der Verpackung achten: Wenn Fett und Glycerin recht weit vorne stehen, ist viel davon enthalten.

Cortison-Cremes

Stärkere Cremes wie Cortison-Cremes, die vom Arzt verschrieben werden müssen, sind dann sinnvoll, wenn das Kind einen hohen Leidensdruck hat. Manche Kinder haben münzgroße Ekzeme, die schlimm aussehen, die das Kind aber nicht weiter stören. In so einem Fall ist es nicht sinnvoll, Cortison-Cremes zu verwenden. Es gibt jedoch Fälle, in denen die Haut der Kinder nicht besonders entzündet aussieht, die Kinder sich jedoch viel kratzen und schlecht schlafen und sich oft an die gleichen Stellen fassen.

"Immer, wenn das Kind sich in seiner Haut unwohl fühlt, sollte man es auch anti-entzündlich, also mit einer Cortison-Creme behandeln. Man muss vor Cortison-Cremes bei Kindern keine Angst mehr haben, wenn man das richtige Cortison in der richtigen Weise anwendet."

Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein

Der schlechte Ruf von Cortison kommt von den starken Nebenwirkungen, die Cortison noch vor einigen Jahrzehnten hatte.

"Man muss die Eltern immer erst für eine Cortisontherapie gewinnen, weil es noch in den Köpfen steckt, dass Cortison etwas ganz Schreckliches sei, und dass man das nicht dauerhaft machen könne. Cortison-Cremes sind aber in der Wirkung etwas Anderes als Cortison zum Einnehmen."

Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein

Inzwischen gibt es Cortison-Cremes mit Wirkstoffen der sogenannten 4. Generation der Steroide, die eine andere chemische Struktur aufweisen, als das Cortison, das es vor 50 Jahren gab.

"Diese neuen Arten von Cortison gehen nicht mehr in den Körper hinein. Man muss keine Angst mehr vor Nebenwirkungen haben, oder dass Cortison in den Blutkreislauf gerät. Aufgrund der neuen chemischen Struktur kann das nicht mehr passieren. Außerdem machen sie die Haut nicht mehr dünner, wenn sie in entsprechender Stärke eingenommen werden. Es gibt keinen Grund, das Kind leiden zu lassen." Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein

Bei den modernen Cortisonen passiert es auch nicht, dass sich die Haut daran gewöhnen und die Creme dadurch an Wirkung verlieren würde oder man irgendwann mehr davon auftragen müsste.

"Cortison hat Nebenwirkungen, wenn man es in Tablettenform nimmt. Da ist es von der Menge abhängig. Cortison ist ein körpereigenes Hormon. Wenn man es von außen zuführt, hört die Nebennierenrinde auf, es zu produzieren. Das ist das, was die Nebenwirkungen auslöst. Wenn man aber nur ganz wenig auf die Haut aufträgt, ist das nur ein Hundertstel oder Tausendstel von dem, was die Nebennierenrinde produziert und dann hat das keinen Effekt."

Prof. Dr. Erika von Mutius, Dr. von Haunersches Kinderspital

Auch muss man mit der neuen Generation von Cortisonen keine Pause beim Cremen mehr einplanen. Früher lautete die Empfehlung, nach vier Wochen Anwendung vier Wochen Pause zu machen.

"Im Gegenteil. Wir wenden inzwischen eine proaktive Therapie an: Bei den schwereren Formen wird inzwischen zwei Mal pro Woche eine Erhaltungstherapie gemacht. – auch, wenn die Haut kaum mehr entzündet ist."

Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein

So blühen die oft entzündeten Stellen erst gar nicht mehr auf. Der Verlauf wird insgesamt abgemildert, der Teufelskreis gestoppt.

"Das ist ein äußerst erfolgreiches Therapiekonzept für mittelschwere und auch für viele schwere Formen, weil wir dadurch diese Spirale aus Kratzen, offener Haut, Barrierestörung und noch mehr Irritation herunterschrauben. Dann kann sich die Haut stabilisieren, die Entzündung hört auf, das Kind kratzt weniger, der Schutzmantel wird wieder intakter."

Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein

Auch das Haunersche Kinderspital setzt auf proaktive Therapie und hat damit gute Erfahrungen gemacht. Statt Cortison kann man inzwischen auch andere, antientzündliche Cremes verschreiben, über deren Langzeitfolgen allerdings noch nicht viel bekannt ist. Denn es handelt sich dabei um neuere Präparate.

"Deswegen bin ich da immer ein bisschen vorsichtig und verschreibe sie nur, wenn es absolut notwendig ist."

Prof. Dr. Erika von Mutius, Dr. von Haunersches Kinderspital

Biologicals

Bei Biologicals handelt es sich um eine neuere Generation von Medikamenten, die auch für die Therapie von Neurodermitis eingesetzt werden können - allerdings nur in besonders schweren Fällen. In der Erwachsenentherapie sind sie schon länger im Einsatz und hätten dort, so Prof. Erika von Mutius, "phänomenal gute" Wirkung gezeigt. Für Kinder sind sie erst seit relativ kurzer Zeit zugelassen. Die Erfahrungen damit sind also noch dürftig.
Biologicals werden alle vier Wochen in einer spezialisierten Ambulanz gespritzt. Sie verhindern, dass bestimmte Botenstoffe der Entzündung an Rezeptoren im Körper andocken können. Biologicals sind allerdings noch extrem teuer, daher werden sie mit Bedacht eingesetzt.

Prävention von Neurodermitis?

Es gibt viele Studien dazu, ob man Neurodermitis vorbeugen kann. Dieser Bereich wird bereits seit gut 50 Jahren erforscht. Interessant ist die Frage beispielsweise für Eltern, die bereits ein Kind mit Neurodermitis haben und sich fragen, ob ihr zweites Kind – das beispielsweise noch im Mutterleib ist – auch davon betroffen sein könnte.

"Letztlich muss man sagen: Man kann leider nichts präventiv tun. Es ist bereits alles Mögliche probiert worden: strenge Diät der Mutter, totale Sanierung der Wohnung – keine Teppiche, keine Pflanzen, keine Haustiere, probiotische Bakterien, permanentes Eincremen der Babys, schon bevor sie Symptome zeigen – es klingt verlockend. Aber die großen Studien haben für keine dieser Maßnahmen, die ja zum Teil äußerst aufwändig sind, einen Effekt gezeigt."

Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein


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