"Zum Alten Schuster" Ein Leben als Wirtin
Das Wirtshaus "Zum Alten Schuster", idyllisch im Grünen gelegen in Schustermooslohe bei Weiden in der Oberpfalz, kann auf eine fast hundertjährige Geschichte zurückblicken: 1918 eröffnete Karl Schuster die Dorfschänke - die man auch getrost "Torfschänke" nennen kann, da die ortsansässigen Torfstecher hier ihre Brotzeit mitsamt Feierabendbier einnahmen. Sie wird in vierter Generation geführt. Doch ob auch noch eine fünfte hinterm Tresen stehen wird?
Der kleine Ort hat sich von jeher nach der größten Wirtschaft im Ort benannt: Als ein Herr Kistler der Dorfwirt war, hieß er Kistlermooslohe - erst mit Karl Schusters Gasthaus wurde er zu Schustermooslohe. Schusters Tochter Luise, früh verwitwet, kam 1936 als Verstärkung dazu, um zu kochen, auszuschenken und zu bedienen. Mit dabei: Rosa, die kleine Tochter von eineinhalb Jahren. Kindergärten im heutigen Sinne, die gab es nicht. Und so wurden Stammgäste Rosas erste Babysitter: "Ich bin unter lauter betrunkenen Männern aufgewachsen", erzählt die heute 80-jährige schmunzelnd. Frühkindliche Prägung und Tradition: Nach der Mutter übernahm Rosa Drechsel 1970 das Wirtshaus, in dem sie bis heute mit anpackt ...
"Alter Schuster" und "Junger Schuster"
Großvater Schusters Sohn, gelernter Braumeister, eröffnete ein zweites Wirtshaus in Schustermooslohe. So wurde das Wirtshaus von Schuster senior zum "Alten Schuster", das des Sohnemanns zum "Jungen Schuster" - kreative Auswüchse bei der Namensgebung von Wirtshäusern gab es damals noch nicht. Doch die friedliche Koexistenz der beiden Wirtschaften währte nicht lange: Rosas Onkel verstarb 1958, sein Lokal musste schließen. Sie selbst war 1955 mit ihrem frisch angetrauten Mann ins 20 Kilometer entfernte Pressath gezogen, die einzige Auszeit vom "Alten Schuster" in ihrem ganzen Leben. Aber kennengelernt hatte Rosa ihren Mann selbstverständlich in der großväterlichen Wirtschaft.
Rosa kommt nachhause
Der Ehemann hatte in Pressath ein Sägewerk, handelte mit Holzwolle. Doch Rosas Welt war eine andere, sie wollte zurück an den Ort ihrer Kindheit und Jugend. Und so kehrte sie 1963 zurück in den "Alten Schuster". Die Wirtschaft hatte in der Zwischenzeit ihre Mutter Luise übernommen, und noch im selben Jahr wurde das alte Wirtshaus abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, zeitgemäße Kunst am Bau inklusive. Der neue "Alte Schuster" verfügte über einen schmalen, langen Gastraum und vier Fremdenzimmer und wurde später noch durch Anbauten ergänzt. In den siebziger Jahren erlebte der "Alte Schuster" dann seine Hochzeit. Die Wirtshauskultur hatte ihren Zenit erreicht, das Wirtshaus war zum zentralen Treffpunkt geworden: zahlreiche Stammtische, Vereine und nicht zuletzt eine charmante Mischung aus Dorfjugend und Dorfältesten prägten das Bild eines vielfältigen und abwechslungsreichen Lebens im kleinen Ort Schustermooslohe.
Wirtshaussterben? Mal schaun …
Rosa Drechsel, die sieben ihrer acht Lebensjahrzehnte im Gasthaus verbracht hat, sieht das Problem "Wirtshaussterben“ pragmatisch: "Mei, der Mensch ist ein Herdentier." So wie sich früher das ganze Dorf in ihrem Lokal versammelt hat, "so rennen sie heute eben woanders hin". Die Dorfjugend, seit sie motorisiert ist, sowieso. Von den alten Zeiten geblieben sind nur noch zwei Stammtische. Rosas Sohn Robert, der den "Alten Schuster" vor 20 Jahren offiziell übernahm, steuert mit einer qualitativ hochwertigen Küche, Veranstaltungsräumen und einem Streichelzoo für Kinder dagegen. Doch den größten Trumpf hat er nach wie vor im Gasthaus selbst: seine Mutter Rosa. Die von der lokalen Presse liebevoll "Grande Dame der Weidener Wirtshausszene" genannte Senior-Wirtin hält auch im Alter das Schiff auf Kurs. Die Zukunft des in der vierten Generation geführten Familienunternehmens ist dennoch ungewiss: Von Rosas Enkeln möchte jedenfalls keiner den "Alten Schuster" weiterführen ...