München mit Ludwig I. Isar-Athen
Münchens Mythos als nördlichste Stadt Italiens hat schon sehr früh seine Ursprünge, auch wenn ihn erst König Ludwig I. in großem Maßstab kultiviert. Mit Anleihen aus dem Süden die Stadt-Architektur gestalten - nach dem Prinzip verfährt man in München lange vor Ludwig. Bereits unter Kurfürst Ferdinand Maria (1651-1679) ist "italianità" angesagt: Die Theatinerkirche orientiert sich an Sant'Andrea della Valle in Rom, Nymphenburgs Urbau ist das Schlösschen "borgo delle ninfe" im Stil eines italienischen Landhauses. Max II. Emanuel macht später ein Mini-Versailles daraus.
Ludwigs Großprojekte
Aber keiner krempelt München so gründlich um wie Ludwig I. (1825-1848). Bayern ist seit 1806 Königreich von Napoleons Gnaden. Ludwig I. schwebt für seinen Herrschaftssitz eine repräsentative Residenzstadt von europäischem Rang vor: "Ich will aus München eine Stadt machen, die Teutschland so zur Ehre gereichen soll, dass keiner Teutschland kennt, wenn er nicht München gesehen hat." Der Plan geht auf: Königsplatz, Residenz oder Ludwigstraße sind bis heute Pflichtprogramm vieler Touristen.
Kunst als Politik
Ludwig I. leitete eine groß angelegte Förderung der Kunst ein, für ihn war sie aber "auch ein Politikum, sah er doch in ihr ein Feld, in dem Bayern Großmachtstellung erringen konnte", schreibt der Münchner Kunsthistoriker Norbert Huse. Dementsprechend wählt der Regent architektonische Vorbilder aus früheren Machtzentren:
Der Königsbau der Residenz orientiert sich am Palazzo Pitti des Renaissance-Florenz, das Königsplatz-Ensemble am antiken Griechenland. Ludwig I. schafft sich ein "Isar-Athen" - mehr nach seinem persönlichen Geschmack zusammengestellt als in historisch zwingendem Kontext. Und so urteilt Heinrich Heine auf der Durchreise nach Italien: "Daß man die Stadt ein neues Athen nennt, ist unter uns gesagt etwas ridikül".
Funktion folgt Fassade
Bei den Münchnern hält sich die Begeisterung über Ludwigs Bauwut in Grenzen. Zu jener Zeit grassierende Wohnungsnot schreit nach anderen Plänen. Manche seiner Projekte sind auch stadtplanerisch umstritten: So beschwört die klassizistische Ludwigstraße zwar Florenz und Rom herauf, aber sie bleibt zunächst Fassade, die vor Funktion geht. Wichtig ist dem Regenten die Wirkung auf den Betrachter, für so manches Gebäude muss der Zweck erst im Nachhinein gefunden werden.
Herr Meyer ist nicht Signor Pitti
Die Ludwigstraße wird zur Kulisse, hinter der es keine Stadt gibt. Die Architekten raufen sich die Haare. So beschwert sich Leo von Klenze bei seinem Auftraggeber: "München sey nicht Rom und Herr Meyer ... kein Farnese oder Pitti". Klenze fällt in Ungnade. Der Bauherr lässt seinen Einwand ebenso wenig gelten wie den von Klenzes Nachfolger Friedrich von Gärtner gegen die Konzeption der Staatsbibliothek: "eine langweilige Bücherkaserne".