Golo Mann Später Ruhm
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1958 avancierte Golo Mann zum gefeierten Historiker. Später engagierte er sich politisch und arbeitete vorwiegend als Autor.
Nach erfolgreicher Flucht wurde Golo Mann am 20. September 1940 von seinem Vater im Hafen von New York begrüßt. In der ersten Zeit konnte Golo bei seinen Eltern wohnen: zunächst in Princeton, dann im kalifornischen Pacific Palisades. Schließlich gelang es ihm, an kleinen amerikanischen Universitäten Fuß zu fassen: 1942/43 bekam er eine Professorenstelle am Olivet College in Michigan, von 1947 bis 1958 am kalifornischen Claremont Men's College.
Wie sein Bruder Klaus war Golo Mann nach Kriegsende in den Diensten der amerikanischen Regierung. Im Rahmen seiner Presse- und Aufklärungsarbeit kam er 1945 nach Deutschland zurück und fungierte als Zensor des neu entstehenden Hessischen Rundfunks.
Tod des Vaters - Ende des Schattens
Neben Adolf Hitler war zwar Thomas Mann lange Zeit der einzige Name gewesen, die Golo schriftlich nur in Kürzelform notierte (AH und TM), doch die Entfremdung zwischen Vater und Sohn hatte in den 30er-Jahren nachgelassen: Thomas Mann begann die politischen Analysen Golos zu loben und zollte ihm Respekt für sein Verhalten im Jahr 1940: "Braver Junge" vermerkt das Tagebuch. Er durfte auch die Emigranten-Zeitschrift des Vaters, "Maß und Wert", redigieren, die bis 1940 erschien. Dennoch dauerte es bis zum Tod Thomas Manns 1955, bis Golo aus dessen Schatten heraustreten konnte.
1958 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er zunächst eine Gastprofessur in Münster und 1960 den Lehrstuhl für Politische Wissenschaften in Stuttgart übernahm. Die akademischen Engagements waren nicht von Dauer, was ihm Zeit ließ für seine eigentliche Berufung als historischer Schriftsteller: 1958 erschien seine "Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts". Golo Mann avancierte zum gefeierten Autor und Star-Historiker, hoch dekoriert mit Preisen. Der ehemals unscheinbarste Sohn Thomas Manns verwandelte sich in den erfolgreichsten, der mit Bundeskanzlern wie Konrad Adenauer und Willy Brandt verkehrte.
Wälzer "Wallenstein"
Die Wissenschaft teilte die Euphorie nicht ohne weiteres. 1971 folgte Golo Manns mehr als 1.000 Seiten langer "Wallenstein". Entgegen der damals sich etablierenden struktural bzw. sozio-ökonomisch basierten Methoden beharrte Golo Mann auf seinem einfühlenden Erzählen. In den "Wallenstein" integrierte er sogar einen fiktiven inneren Monolog des Feldherrn. Obwohl alle Fakten im "Wallenstein" nachprüfbar waren, quittierte ihn die Fachwelt mit dem Spott-Titel "Lotte in Eger" (in Anspielung auf Thomas Manns Roman "Lotte in Weimar", erzählt aus Goethes Perspektive) und nannte Golo Mann einen "Goldrähmchen-Historiker".
"Unzeitgemäßer Grantler"
Umstritten war auch seine politische Arbeit: Unterstützte er 1969 noch den Sozialdemokraten Brandt in dessen Wahlkampf, so engagierte er sich in gleicher Weise 1980 für den CSU-Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß. Danach widmete er sich vorwiegend der Literatur. 1986 veröffentlichte er seine "Erinnerungen und Gedanken. Eine Jugend in Deutschland". Golo Mann, der Zeit seines Lebens unverheiratet blieb, lebte in den letzten Jahren bei der Familie seines Adoptivsohnes Hans Beck-Mann in Leverkusen. Dort starb er am 7. April 1994.
Der Historiker hatte spätestens seit der Erfahrung des Untergangs einer Republik durch Faschismus einen tief pessimistischen Grundton. Die Presse verabschiedete Golo Mann in ihren Nachrufen mit Respekt, aber auch als unzeitgemäßen "Grantler".