Religion & Orientierung


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Jom Kippur Versöhnungstag - höchster jüdischer Festtag

Zwischen Mitte September und Anfang Oktober liegt der höchste Feiertag der Juden: Jom Kippur, hebräisch für "Tag der Versöhnung". Im Gegensatz zu vielen anderen jüdischen Festtagen ist Jom Kippur nicht mit einem historischen Ereignis verknüpft. Es ist ein Tag der absoluten Ruhe, Buße und Versöhnung.

Stand: 21.11.2022 | Archiv

Rabbiner feiert Jom Kippur | Bild: picture-alliance/dpa

04 Oktober

Dienstag, 04. Oktober 2022

Es ist verboten:

  • zu essen und zu trinken,
  • sich zu waschen,
  • sich mit wohlriechenden Ölen zu salben,
  • Geschlechtsverkehr zu haben,
  • lederne Schuhe anzuziehen.

Kein Essen, kein Trinken, kein Sex, unbequeme Plastikschuhe und nichts als Beten – den höchsten jüdischen Feiertag stellt man sich eigentlich anders vor. Aber an Jom Kippur, dem Versöhnungstag, geht es um Buße, Reue und Vergebung. An diesem Tag versöhnt sich der Mensch mit Gott und Mitmensch. Es ist ein ernster, aber kein trauriger Tag – deshalb pflegen sich die Juden auch in Weiß, der Farbe der Reinheit, zu kleiden.

Wie man ins Buch der Frommen kommt:

An Rosch ha-Schana, dem jüdischen Neujahrsfest, schreibt Gott die Namen der Menschen in drei Bücher: Im ersten stehen die Frommen, im zweiten die Bösen und dann gibt es noch ein drittes Buch für den Durchschnittsmenschen, der nicht eindeutig nur gut oder nur böse ist.
Der Durchschnittsmensch hat nun ein paar Tage Zeit, sein Leben in Ordnung zu bringen und diejenigen, die er im letzten Jahr gekränkt hat, um Verzeihung zu bitten. Am Vorabend von Jom Kippur sollen alle Streitigkeiten beigelegt sein. Denn dann wird Gott dem Menschen die Sünden des letztes Jahres vergeben und seinen Namen ins Buch der Frommen eintragen – und schenkt ihm damit ein gutes Jahr.

Fasten und Beten von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang

Jom Kippur umfasst einen ganzen Tag, das bedeutet: etwa 25 Stunden Beten und Fasten, wobei sich Fasten auf Essen und Trinken bezieht. Den Großteil des Tages verbringen gläubige Juden betend in der Synagoge. Der Gottesdienst dauert in allen jüdischen Gemeinden den ganzen Tag hindurch. Viele Juden gehen an diesem Tag in die Synagoge und fasten, sogar diejenigen, die es sonst nicht so genau nehmen mit den religiösen Riten. In Israel unterbrechen Radio und Fernsehen für 26 Stunden ihre Programme und die Straßen sind wie leergefegt.

Kollektives Sündenbekenntnis statt Beichtstuhl

Juden in Bayern Jom Kippur

"Arrogant waren wir, boshaft, charakterlos, Diebstahl haben wir begangen ...", für alle erdenklichen Sünden bitten die Juden um Vergebung, egal, ob sie persönlich die jeweilige Sünde begangen haben oder nicht. Mehrmals am Tag wird in der Synagoge eine Liste aller erdenklichen Sünden aufgezählt. Manch einem Katholiken wäre die jüdische Art des Sündenbekenntnisses sicherlich lieber: Kein Beichtstuhl, kein persönliches Gespräch mit einem Priester – im Gegenteil: Das Sündenbekenntnis wird kollektiv abgelegt. Allerdings: Ohne Reue sind Sündenbekenntnis und Fasten sowohl nach christlicher als auch nach jüdischer Auffassung nutzlos.

Sündenbock und Sündenhuhn:

Der Tora zufolge war Jom Kippur der einzige Tag, an dem es dem Hohepriester gestattet war, das Allerheiligste des Tempels zu betreten. Er sollte – stellvertretend für das Volk – die Vergebung der Sünden empfangen. Ein Widder bekam als Sündenbock symbolisch die Sünden des ganzen Volkes auferlegt und wurde in die Wildnis geschickt.

Bei manchen orthodoxen Juden gibt es heute einen ähnlichen Brauch: Am Tag vor Jom Kippur wird ein lebendes Huhn dreimal um den Kopf geschwungen – es soll so alle menschliche Schuld des vergangenen Jahres übernehmen.

Auf Fasten und Buße folgt das Freudenfest

Wie Rosch ha-Schana endet Jom Kippur mit dem Blasen des Schofars (Schallposaune). Wenn der Abend gekommen ist, man die Synagoge verlassen hat und Jom Kippur zu Ende ist, beginnt man mit dem Bau der Laubhütte für das Laubhüttenfest, Sukkot, das vier Tage später beginnt. Und da wird dann endlich richtig gefeiert – eine ganze Woche lang.

Jom-Kippur-Krieg:

Der 6. Oktober 1973 war für Israel alles andere als ein Tag der Versöhnung: An jenem Jom-Kippur-Feiertag wurde das Land mit einem Zwei-Fronten-Angriff von Ägypten und Syrien überrascht. Es ging unter anderem um die von Israel im Sechstagekrieg eroberten Gebiete (Golan-Höhen und Sinai). Die im eigenen Land als unbesiegbar geltende israelische Armee gewann zwar den Krieg, hatte aber hohe Verluste. Die arabischen Länder verringerten, um Druck zu erzeugen, die Ölfördermenge, was zu einem drastischen Anstieg des Ölpreises führte und die erste Ölkrise auslöste.


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