Depressionen im Fußball Offenerer Umgang, aber noch viele Defizite
Am 10. November jährt sich der Tod des ehemaligen Nationaltorhüters Robert Enke zum zehnten Mal. Was hat sich in dieser Zeit verändert? Im Nachwuchsbereich einiges, bei den Profis sieht die Spielergewerkschaft weiter Defizite.
Es hat sich einiges getan in der Zeit nach dem Suizid von Robert Enke. Das Thema Depression ist inzwischen in der Öffentlichkeit präsenter, trotzdem fehlt es im Profifußball immer noch an psychologischer Betreuung. Das kritisiert die Spielergewerkschaft VdV. In einer eigenen Befragung unter Fußball-Profis kam heraus, dass es nur bei sehr wenigen Klubs der drei Profiligen eine professionelle psychologische Betreuung gibt.
"Der Großteil der Klubs in der Bundesliga, 2. Bundesliga und Dritten Liga bietet den Profis überhaupt keine sportpsychologische Betreuung an. Das gilt teilweise sogar für deutsche Spitzenclubs aus den europäischen Wettbewerben."
Ulf Baranowsky, VdV
Auch die ARD-Radio-Recherche Sport hat alle Erst- bis Drittligisten befragt. Von den insgesamt 56 Profi-Vereinen beantworteten fast die Hälfte die Fragen nicht. 30 erklärten, dass ihnen die psychologische Unterstützung der Spieler wichtig sei. Nur sieben Klubs gaben an, auch für die Profi-Mannschaft einen Psychologen fest angestellt zu haben. Das sind die Erstligavereine Leipzig, Hoffenheim, Leverkusen, Düsseldorf und Mainz, Zweitligist Nürnberg sowie Braunschweig aus der dritten Liga. Für den Profi-Bereich gibt es im deutschen Fußball nach wie vor keine Verpflichtung, Sportpsychologen zu beschäftigen.
Symptome für Depressionen im Nachwuchsbereich
Genauer hingeschaut wird inzwischen im Nachwuchsbereich. Seit vergangener Saison ist eine sportpsychologische Betreuung in den Fußball-Nachwuchsleistungszentren Pflicht. Wissenschaftler der TU München weisen allerdings darauf hin, dass hier ausgebildete Psychologen arbeiten müssen, die für den Umgang mit depressiven Symptomen geschult sind. Die Forscher am Lehrstuhl für Sportpsychologie haben Spieler an Nachwuchsleistungszentren (NLZ) zweier deutscher Profiklubs untersucht. 110 Spielerinnen und Spieler wurden dabei befragt. Das Ergebnis: Bei etwa 15 Prozent haben sich depressive Symptome gezeigt.
Psychologische Betreuung in Nachwuchsleistungszentren Pflicht
Die Spielerinnen und Spieler im Alter zwischen 13 bis 18 Jahren, wurden zum Beispiel gefragt, ob sie sich niedergeschlagen oder erschöpft fühlen, ob sie weinen müssen, ob sie Schlafprobleme oder Essstörungen haben, bis hin zu suizidalen Gedanken. Für die Wissenschaftler hat sich damit bestätigt, dass unter Jugendfußballern depressive Symptome mindestens genauso verbreitet sind wie in der Normalbevölkerung.
Außerdem kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die speziellen Risikofaktoren im Leistungsfußball, wie körperliche Belastung, chronischer Stress und Leistungsdruck, mit entsprechenden Therapien durchaus bewältigt werden können. Wichtig sei es bei Problemen eine Anlaufstelle zu haben, so die Forscher.
Entwicklung in England als Vorbild?
Seit fünf Jahren können Fußballer mit Problemen anonym bei einer Helpline anrufen und bekommen psychologische Unterstützung. Es melden sich aktuelle und ehemalige Fußballprofis und die Zahl hat sich laut Spielergewerkschaft PFA inzwischen fast vervierfacht. Von 160 im Jahr 2016 auf etwa 600 bereits in diesem Jahr.
Ein Grund für den Anstieg ist für die PFA, dass sich die Stimmung im englischen Fußball geändert habe. Das Stigma sei nicht mehr so groß. Mehr Profis würden offen über ihre mentalen Probleme sprechen, wie Nationalspieler Danny Rose dieses Jahr in einer Talkrunde im englischen Fernsehsender BBC.
Private Stiftung übernimmt die Aufgabe in Deutschland
In Deutschland setzt sich Teresa Enke mit der Robert-Enke-Stiftung dafür ein, dass die Krankheit Depression enttabuisiert wird. "Ich finde, wir sind ein ganz großes Stück nach vorne gekommen. Ich krieg mit, wie offen über das Thema Depression gesprochen wird. Ich glaube, viele haben endlich begriffen, dass es sich eben um eine Krankheit handelt.“
Die Stiftung hat ein Netzwerk aus rund 70 Sportpsychiatern in ganz Deutschland aufgebaut und eine Hilfs-Hotline für Leistungssportler eingerichtet.
Zur Info:
Der Bayerische Rundfunk berichtet - vor allem wegen möglicher Nachahmer-Effekte - in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer die zuständige Redaktion sieht es durch die Umstände der Tat geboten. Sollten Sie selbst Hilfe benötigen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Beratung erhalten Sie unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222. Weitere Hilfsangebote gibt es bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.