Field Horine Chief of Section bei Radio München
Im Mai 1945 übernahm der 29jährige Amerikaner und Deutschlandexperte Field Horine die Leitung von Radio München, dem Sender der amerikanischen Militärregierung. Bis zu seiner Kündigung 1947 setzte er sich für eine neue Programm- und Personalpolitik im Nachkriegsrundfunk ein.
Jugend, Studium und Rundfunkarbeit in New York
Emmet Field Horine wurde am 26. September 1915 in Kentucky geboren. Bereits auf dem Gymnasium entwickelte er ein Faible für die deutsche Sprache und bekam daraufhin 1935 ein Stipendium, um Germanistik und Psychologie an den Universitäten Bonn und Heidelberg zu studieren.
Nach einem Jahr in Deutschland ging er aber wieder zurück in seine Heimat an die Columbia University in New York. Als 1938 ein Simultandolmetscher bei der National Broadcasting Company gesucht wurde, bot man ihm die Stelle aufgrund seiner perfekten Deutschsprachkenntnisse an. Horine übersetzte zunächst die Reichstagsreden von Adolf Hitler oder Joseph Goebbels für amerikanische Rundfunkanstalten. Seit 1939 war er als Abteilungsleiter bei der Columbia Broadcasting Systems in New York zuständig für alle deutschsprachigen Nachrichtensendungen sowie alle politischen und kulturellen Programme, die über Kurzwelle nach Europa übertragen wurden.
Erster Nachkriegsintendant
Dann kam das Angebot, als Offizier in der Information Control Division der US-Militärregierung nach München zu gehen und am Wiederaufbau des Rundfunks in Bayern mitzuarbeiten. Gerade 29 Jahre alt war Field Horine, als er 1945 Intendant bzw. "Radio Control Officer" von Radio München wurde.
"Die Sender in Ismaning waren noch intakt, das Funkhaus praktisch völlig zerstört. Wir hatten nur einen Senderaum und im Keller noch die Kantine. Das Dach war weg, alles andere war Ruine und um uns herum nur Ruinen."
(Field Horine 1997 in einem Interview an die Anfangszeit)
Clearing und Wiederaufbau
Field Horine galt als linksliberal und überzeugter Gegner des Nationalsozialismus. Unter seiner Leitung waren 1945 etwa 40 Amerikaner und 30 deutsche Mitarbeiter*innen in Programm, Technik und Verwaltung von Radio München beschäftigt. Neben der Programmpolitik war die Arbeit der amerikanischen Offiziere geprägt vom sogenannten "clearing" der deutschen Rundfunkmitarbeiter*innen, in dem die Haltung zum Nationalsozialismus abgeklärt wurde. Ehemalige NSDAP-Mitglieder sollten keinen Einfluss auf das Programm der Nachkriegszeit bekommen. Ebenso wie das Personal kontrolliert wurde, überprüften die amerikanischen Offiziere auch die Sendungen. Jedes Manuskript musste erst mit einem "o.k."-Stempel freigegeben werden.
1946 war der Wiederaufbau des Funkhauses weitgehend abgeschlossen. Die anfänglich täglichen 90 Minuten Sendezeit mit Nachrichten, Anweisungen der Militärregierung und Suchmeldungen waren inzwischen auf immerhin elf bis fünfzehn Stunden Programm angewachsen. 400 Deutsche arbeiteten bereits wieder für den Sender, bei der Übergabe in deutsche Verwaltung im Jahr 1949 waren es über 700.
Vier Jahre lang stand die Rundfunkanstalt unter amerikanischer Kontrolle, bis sie am 25. Januar 1949 als Bayerischer Rundfunk wieder in deutsche Hände überging.
"Es ist mein Anliegen geblieben über die ganzen Jahrzehnte hinweg, zu einer echten Demokratie beizutragen."
(Field Horine)
Kündigung 1947
Im März 1947 kündigte Horine und trat aus der amerikanischen Militärregierung aus. Er war enttäuscht von der amerikanischen Außen- und Rundfunkpolitik, die sich immer mehr in Richtung Antikommunismus entwickelte, und beschloss, zurück nach Amerika zu gehen. In der Truman-Doktrin mit ihrer Zwei-Lagertheorie von Freiheit und Totalitarismus sah er ein Klima entstehen, das im "Kalten Krieg" zwischen den Westmächten und dem Ostblock schließlich bestätigt wurde. In seinem Abschiedsschreiben an Radio München notierte er:
"Mein Bestreben war immer, die Voraussetzungen schaffen, zu helfen, dass der deutsche Rundfunk nicht nur ein Unterhaltungsmittel, sondern auch frei sein soll, um ein immer machtvolleres Instrument zur Verständigung sowie zur Wahrung der kleinen und der großen Belange der Menschheit und der Menschlichkeit zu werden".
Arbeit bei der WHO
Nach seinem Weggang aus München wurden die Belange der Menschheit und der Menschlichkeit zu seiner Lebensaufgabe. Von 1948 bis 1962 arbeitete er bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der UNO u.a. in Genf, Neu-Delhi, Haiti und in verschiedenen Ländern Lateinamerikas und Asiens. Ab 1962 war er in Rom tätig und in verschiedenen Regionen Afrikas auf dem Gebiet der Gesundheitspädagogik.
Rückkehr nach Europa
Intendant Albert Scharf interviewt Field Horine am 25.1.1999 anlässlich 50 Jahre Bayerischer Rundfunk
1967 ließ er sich schließlich in der Schweiz nieder, absolvierte eine Ausbildung am C. G. Jung-Institut in Zürich zum Psychotherapeuten und eröffnete in Konstanz eine Praxis. 1988 zog der inzwischen 73-Jährige nach Oldenburg. Es war allerdings kein Ruhestand, den er in Deutschland verbringen würde. Horine begann ein Studium mit dem Schwerpunkt US-amerikanische Literatur des 18. Jahrhunderts, Vergleichende Religionswissenschaften und besuchte Kurse über Goethe. Mitte der 1990er Jahre schrieb er seine Autobiografie und ging noch mit 84 Jahren auf Lesereise durch Deutschland.
Am 6. August 2005 starb der "Weltbürger", wie sich Field Horine selbst bezeichnete, in Oldenburg kurz vor seinem 90. Geburtstag.