Erinnerungsprojekt "Die Rückkehr der Namen" Gelungener Informationsabend im Münchner Volkstheater
Das Erinnerungsprojekt "Die Rückkehr der Namen" geht in die "heiße Phase": Im Münchner Volkstheater erhielten Patinnen und Paten nun eine thematische Einführung und Gelegenheit zum Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Verfolgtengruppen. Gut 500 Patinnen und Paten wollten sich informieren und mit Projektverantwortlichen sowie Verfolgtengruppen ins Gespräch kommen.
Das Münchner Volkstheater war am 20. März bis auf den letzten Platz besetzt. Gut 500 Patinnen und Paten wollten sich auf den Projekttag vorbereiten lassen und mit Projektverantwortlichen sowie Verfolgtengruppen ins Gespräch kommen. Die Veranstaltung wurde live gestreamt. Gebärdendolmetscher ermöglichten Gehörlosen und Gehörgeschädigten eine barrierefreie Teilhabe.
Appell für Menschenwürde
Es gebe wenige Projekte, bei denen sie so schnell und überzeugt ihre Schirmherrschaft zugesagt habe, erklärte Ilse Aigner (CSU), die Präsidentin des Bayerischen Landtags, beim Pressegespräch. "Erinnerungsarbeit und Demokratie stehen in einem sehr wichtigen Zusammenhang", denn man könne aus der Vergangenheit Lehren ziehen. "Wir müssen gemeinsam eintreten für die Würde des Menschen, gegen Rassismus, gegen jede Art von Extremismus und auch gegen Antisemitismus und Antiziganismus", so Aigners Appell.
An dem Pressetermin nahmen neben Projektverantwortlichen des BR und der Landeshauptstadt München auch der Zeitzeuge Ernst Grube sowie Stephan Weiß, Projektpate für seinen Großvater Prof. Dr. Kurt Huber, und Dr. Barbara Baum, Angehörige der Gedenkinitiative für die "Euthanasie"-Opfer und Patin für ihre Tante Anneliese Weidert, teil.
Dank an Partner
Zu Beginn des Informationsabends dankte Andreas Bönte, Stellv. Programmdirektor und Projektverantwortlicher, der Landeshauptstadt München, vertreten durch den Kulturreferenten Anton Biebl und den Historiker Dr. Andreas Heusler von der Abteilung Public History München, für die Erarbeitung der 1.000 Biografien und die fachwissenschaftliche Beratung. Unterstützt wird das Erinnerungsprojekt darüber hinaus von weiteren städtischen Behörden, der Polizei und dem Münchner Volkstheater, mehr als 80 Institutionen, Schulen und Vereinen sowie rund 400 Privatpersonen.
Ideen für die Zukunft
Seit Ende der 1980er Jahre engagiert sich Bönte für Erinnerungskultur. "Kein Opfer ist als Opfer auf die Welt gekommen. Die Nationalsozialisten haben diese Menschen zum Opfer gemacht", erklärte er. Man müsse alles dafür tun, damit sie mit ihrer ganzen Lebensgeschichte wahrgenommen würden. Der Projektleiter wünschte sich, "dass wir uns in den nächsten Wochen als eine Art Gemeinschaft auf Zeit sehen, die sich vorgenommen hat, an die verfolgten und ermordeten Menschen in München und weit darüber hinaus zu erinnern und ein klares Signal zu setzen für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung". Das Projekt "Die Rückkehr der Namen" soll über den 11. April hinausreichen. Gemeinsam mit den Partnern sollen Ideen für einen künftigen Einsatz der Erinnerungstafeln entwickelt werden.
Vielschichtiges Erinnern
"Erstarkender Rechtspopulismus nährt sich von einer Abkehr von der Erinnerungskultur, nährt sich von einem Ignorieren der historischen Verpflichtungen, die wir haben", sagte Kulturreferent Anton Biebl. "Wir sehen es als unsere Aufgabe, dieser zerstörerischen Tendenz ein gemeinsames, reflektiertes, lebendiges Erinnern entgegenzusetzen." In einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft strebe man eine gemeinsame Erzählung an, die die Vielfalt und Komplexität der Stadtgesellschaft widerspiegle und ein vielschichtiges Erinnern fördere.
"Es ist wichtig, nachhaltig zu gedenken. Das bedeutet, einen Plan zu haben für die Zukunft", betonte Landtagsvizepräsident Tobias Reiß (CSU) mit Blick auf das bevorstehende Ende der Zeitzeugenschaft und antidemokratische Tendenzen in der Gesellschaft: "Umso wichtiger ist es, die Motive und Ziele all jener zu entlarven, die heute mit völkischem Unterton Politik machen oder voller Verachtung unsere offene, pluralistische Gesellschaft bedrohen", sagte er.
Ausgrenzung als Alltagsphänomen
Man habe bewusst keine prominenten Biografien erzählen wollen, erklärte Dr. Andreas Heusler eines der Auswahlkriterien: "Es war uns wichtig zu zeigen, dass Verfolgung, Ausgrenzung, Demütigung, Ermordung ein Alltagsphänomen war."
Kurzfilme stellten das Erinnerungsprojekt und die Verfolgtengruppen vor: Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, durch Krankenmorde Getötete, Homosexuelle, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie politisch Verfolgte. Vertreterinnen und Vertreter all dieser Gruppen waren zu Gast: Richard Volkmann, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Alicia Delis, Mitglied des Verbandes Deutscher Sinti und Roma Landesverband Bayern e. V., Dr. Sibylle von Tiedemann und Dr. Barbara Baum von der Gedenkinitiative für die "Euthanasie"-Opfer, Albert Knoll, Leiter der Stabsstelle der KZ-Gedenkstätte Dachau und Vorsitzender des Forums Queeres Archiv München e. V., Dr. Jadwiga Kamola, Kuratorin am NS-Dokumentationszentrum München, sowie Landtagsvizepräsident Tobias Reiß.
Grundgesetz als wichtiges Signal
"Das Grundgesetz war eine Antwort auf die Barbarei des Nationalsozialismus", sagte Dr. iur. Gero Kellermann, Dozent für Rechtspolitik an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, in seinem Impulsvortrag. Die Fähigkeit, Gefährdungen der Verfassung entgegenzutreten lasse sich, wie alle Fähigkeiten, trainieren. Das Erinnerungsprojekt sei ein Beispiel dafür.
Vielseitiges Rahmenprogramm
Musikalisch umrahmt wurde der Abend von dem renommierten Jazzmusiker David Rose und dem irischen Gitarristen Conor Cantrell sowie von Nikola David, dem Kantor der Liberalen Jüdischen Gemeinde München Beth Schalom e. V.. Im Foyer konnten die Patinnen und Paten eine Ausstellung von Larisa Barjamovic über die Minderheit der Sinti und Roma anschauen, an einem Infostand offene Fragen klären und weiterführende Literatur erwerben.
Auf der Landingpage gibt es weitere Informationen zum Erinnerungsprojekt.