audience:first storytelling lab AUDIO FICTION 2023 Starke Geschichten für die Ohren
Gute Ideen, Thema und Machart reichen für einen erfolgreichen Podcast? Nicht ganz, denn wer heute mit Audioformaten Menschen erreichen will, braucht einen Zuschnitt auf eine genau definierte Zielgruppe. Wie das gelingt und noch viel mehr können die Teilnehmenden im AUDIO FICTION lab des BR und der Drehbuchwerkstatt München erarbeiten.
Vier Autorinnen und zwei Autoren, vier Serien, eine Challenge - im AUDIO FICTION lab des Bayerischen Rundfunks und Drehbuchwerkstatt München dreht sich alles um fiktionale Audioformate. In den Genres Comedy oder Mystery/Horror entwickeln die Teilnehmenden dort ihre Projekte in einem Design Sprint bis zum fertigen Pitch – Prototypen inklusive.
Matthias Leitner vom BR und Julia Zantl von der Drehbuchwerkstatt München leiten das Lab und erzählen uns über den Verlauf und die Idee dahinter. Und natürlich wie es weitergeht. Denn am Ende soll ja ein Produkt entstehen, das sich erfolgreich auf dem Podcast-Markt behaupten kann.
Bisher lag der Fokus des audience:first storytelling lab, zu dem das AUDIO FICTION lab zählt, auf der Entwicklung digitaler Serienformate. Beim aktuellen lab dreht sich alles erstmals um fiktionale Audio – bzw. Podcastserien. Was war die entscheidende Überlegung für Audio?
Matthias Leitner, Programmdirektion Kultur, Mediathek - Digitale Entwicklung im BR:
Wir beobachten als lab für die Kulturdirektion des Bayerischen Rundfunks den Audiomarkt schon lange. Bereits 2016 habe ich für BR Next einen Podcast Wettbewerb realisiert und dann anschließend dabei mitgeholfen das Podcast Management im Haus und unsere technische Infrastruktur zur Distribution von Audioinhalten neu aufzusetzen.
Bei unserer Marktbeobachtung – die stark unterstützt wurde von den Kolleginnen und Kollegen aus dem Referat Digitale Entwicklungen & Social Media und der Mediathek/ Digitale Entwicklung in der Kulturdirektion des BR - hat sich dann das Muster herausgebildet, dass auch immer mehr fiktionale Erzählweisen aufkommen, die nicht mehr wie klassische Hörspiele oder Hörbücher funktionieren und von denen einige dann auch optioniert wurden für eine visuelle Umsetzung. Für uns war klar, dass wir uns in diesem Bereich engagieren müssen.
Die Genrevorgabe des AUDIO FICTION lab war Horror, Mystery und Comedy. Welche Zielgruppen sollen damit erreicht werden? Und warum genau diese?
Julia Zantl, Drehbuchwerkstatt München:
In der Drehbuchwerkstatt legen wir uns in der Stoff-Auswahl ansonsten kaum auf Genres fest, sondern unterstützen Autorinnen und Autoren darin, so frei wie möglich zu schreiben, was sie bewegt. Oft sind das sehr persönlich motivierte Geschichten. Im audience:first storytelling lab beschreiten wir da teils neue Pfade.
In enger Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk und der ARD Audiothek haben wir für das aktuelle AUDIO FICTION lab die Genre Comedy und Mystery/Horror ausgewählt. Im Lab haben wir dann die Erfahrung gemacht, dass oft spannende Mischformen aus diesen Genres entstehen. Mit diesen Genres gehen bestimmte Zielgruppen einher und hinter jeder Zielgruppe stehen Menschen mit Bedürfnissen und Sehnsüchten. Diese kennenzulernen, teils auch persönlich, ist inspirierend, überraschend, berührend und es hat auch etwas Befreiendes - überspitzt ausgedrückt - eine Geschichte nicht nur "für sich selbst", sondern für andere zu erzählen.
Unter allen Bewerbungen wurden vier Projekte und ihre jeweiligen Entwicklerinnen und Entwickler ausgewählt. Was mussten die Projekte vorweisen, um für das lab in Frage zu kommen und wie weit mussten die eingereichten Projekte bereits entwickelt sein?
Julia Zantl:
Die Jury besteht aus unterschiedlichen Mitgliedern, die ihre Schwerpunkte in der Auswahl sicher auch etwas anders gewichten. Für die Drehbuchwerkstatt, unter der Leitung von Hubert von Spreti und Andreas Gruber, geht es vor allem um die Story.
Wir suchen nach starken Geschichten, mit klaren Konfliktlinien und eindringlichen Charakteren, die für einen Serienstoff tragen. Die Geschichten dürfen durchaus in einem frühen Entwicklungsstadium sein! Das kann sogar von Vorteil sein, denn im lab ist es wichtig, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Offenheit mitbringen, alle Grenzen der Geschichte auszuloten und eventuell umzuarbeiten. Neben der storyline ist also auch das kurze Motivationsschreiben der Autorinnen und Autoren nicht zu unterschätzen.
Haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sogenannten Creators, bereits Erfahrung mit audiovisueller Erzählweise, sprich Audioproduktionen?
Matthias Leitner:
Manche ja, manche nein. Der Bayerische Rundfunk sieht audience:first auch als Fort- und Weiterbildungsinitiative für Regisseurinnen und Regisseure, Autorinnen und Produzenten, kurz Kreative aus allen Sparten. Wichtig ist uns auch das Netzwerk, dass sich in der Woche unter den Teilnehmenden bildet, daher ist es gut, ein sehr diverses Feld mit unterschiedlichen Erfahrungen im Audiobereich zu haben.
Wie hat man sich die finale Umsetzung der Audioformate vorzustellen? Findet die Aufnahme in einem Studio statt und ähnelt in der Komplexität einer Hörspiel-Produktion mit mehreren Stimmen, Geräuschen und Zuspielungen? Oder wird alles vom Creator aus einer Hand selbst erstellt und zusammengebracht?
Matthias Leitner:
Im lab selbst sind wir auch in die Hörfunkstudios des BR gegangen und haben an einem Tag in sehr knapper Zeit vier Teaser und vier Szenen zu den Projekten aufgenommen. Dazu hatten wir Schauspielerinnen und Schauspieler mit Improvisationserfahrung, mit Pauline Seiberlich und Ron Schickler zwei erfahrene Regisseure des BR an der Seite – vielen Dank an dieser Stelle an unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Hörspiel des Bayerischen Rundfunk für die Unterstützung.
Die wichtigsten Zutaten aber sind Mut und das Bewusstsein dafür, dass in so kurzer Zeit eben kein fertiges Ergebnis entsteht, sondern ein Prototyp, ein erster Eindruck, der den Creators die Möglichkeit gibt, an der eigenen Vision auf einer neuen Schärfenstufe zu arbeiten.
Hinter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern liegt eine Woche intensiver Workshop. Die Creators bekamen Input von Experten aus der Branche, nahmen Nutzerbefragungen vor und entwickelten intensiv ihre Geschichten weiter. Wie ist der aktuelle Stand der Projekte?
Julia Zantl:
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben jetzt alles an der Hand, einen starken PITCH vorzulegen: mit den Audioprototypen aus den BR Studios (ein Trailer und/oder Schlüsselszene zum Stoff), mit einer ersten Version einer Serienbibel und vor allem mit der richtigen Motivation!
Im audience:first storytelling lab geht es uns nicht darum, eine perfekte Serie bis zum Pitch zu entwickeln. Den Anspruch auf Perfektion legen wir in unserem lab mit Absicht beiseite. Uns geht es darum, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu agilen Arbeitsmethoden zu ermutigen: intensive Teamarbeit, frühzeitiges Feedback und Zielgruppen als Inspirationsquelle zu nutzen. So sehen wir auch die Audioprototypen und die Serienbibeln als Grundlage für Zuschauerbefragungen, Feedback und die Weiterentwicklung der Serien-Stoffe.
Was sind die nächsten Schritte?
Matthias Leitner:
Jetzt geht es darum, dass die Autorinnen und Autoren die Projekte in der Tiefe entwickeln, idealerweise mit einer Redaktion oder einer Produktionsfirma an ihrer Seite.
Beim PITCH im Juni gab es für alle Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Projekte namhaften Vertretern aus der Medienbranche vorzustellen und Kontakte zu potentiellen Finanzierungspartnern zu knüpfen. Was konnten die Teilnehmenden im Idealfall mit nach Hause nehmen?
Julia Zantl:
Einige Projekte konnten schon konkrete Gespräche mit Sendern und Produktionsfirmen führen. Viele unserer Projekte des audience:first storytelling labs DRAMA SERIES 2022 sind bereits von Produktionsfirmen optioniert und bei Sendern in der Stoffentwicklung. Das erhoffen wir uns auch für unseren ersten Audio Fiction! Jahrgang. Sicher nehmen sie alle viele neue, hoffentlich inspirierende Kontakte mit und sind auch in Zukunft Teil unseres Alumni-Netzwerks.
Was ist eure erste Bilanz, eure Eindrücke und gemachten Erfahrungen vom ersten AUDIO FICTION lab?
Matthias Leitner:
Wir hatten mehr als 40 hochwertige Einreichungen. Zu unserem Open Monday, den wir jetzt seit einiger Zeit remote für die Branche öffnen, sind dieses Mal 300 Personen zu den Fachvorträgen von Gregor Schmalzried (Produzent & Autor), Thomas Müller (ARD Audiothek) und Dorothea Martin (Audible) gekommen. Für den PITCH erwarten wir bereits mehr als 100 Redakteurinnen und Produzenten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und wir konnten das Projekt beim Seriencamp 2023 in Köln präsentieren. Unser erster Eindruck ist derzeit rundum positiv!
Alle Projekte aus dem lab:
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