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Ende einer legendären Laufbahn als Hüttenwirt 75. Geburtstag Charly Wehrle

Charly Wehrle kann man als Hüttenwirtslegende bezeichnen. Jetzt hat er seine Lauf-bahn auf der Simms-Hütte in den Lechtaler Alpen beendet, kurz vor seinem 75.Geburtstag und im Rückblick auf eine ereignisreiche alpine Zeit.

Von: Georg Bayerle

Stand: 02.10.2024

Ende einer legendären Laufbahn als Hüttenwirt  | Bild: BR; Georg Bayerle

Jeden Morgen hat Charly Wehrle seinen „Sound of Silence“ erklingen lassen: eine Melodie, dank der die Stille der Berge erst spürbar wird. Mit dem Hackbrett hat Charly Wehrle sogar die Zufallsgemeinschaft einer Hüttennacht in den Tag geholt und dem Hüttendasein eine Seele gegeben, deren bester Ausdruck die Musik ist. Den klingenden Weckruf hatte er beim legendären Fischer Franze kennengelernt, Wirt auf der Oberreintalhütte und der Tannheimer Hütte. In den Tannheimern hat für Charly überhaupt alles angefangen: Zwei Monate hat er auf dem Gimpelhaus verbracht, mit dem Vater den berühmten „Nur-Mut-Johann“ am Gimpel bezwungen und abends das Vieh eingetrieben. Hier unter Gimpel und Roter Flüh ist dem Oberschwaben etwas ins Herz gedrungen, das ihn bis heute nicht verlassen hat: die Liebe zu den Bergen und zur Kletterei - in den Tannheimer Dolomiten wie in der schwäbischen Heimat.

Die wilden Jahre

Hüttenfrühstück mit dem Team

Beim Klettern auf der Schwäbischen Alb hat Charly Wehrle dann auch die nächste folgenreiche Verbindung hergestellt: Er lernt junge Kletterer aus Garmisch-Partenkirchen kennen, kommt über sie ins Wettersteingebirge und wird Jungmannschaftsleiter. Es war die Zeit des Auf- und Durchbruchs einer jungen Generation: Reinhard Karl, Wolfgang Güllich und in Garmisch-Partenkirchen Stefan Glowacz. Lokalisiert im einzigartigen Soziotop der Oberreintalhütte, ein anarchisches Klettereldorado mit Freidusche, das Charly 1978 als Hüttenwirt übernahm.

Die prägende Zeit auf der Reintalangerhütte

Zettelwirtschaft

Die Geschichte und Geschichten, auch der legendären Vorgänger wie dem Fischer Franze, hat Charly Wehrle in Büchern festgehalten. Da war er, nach sechs Jahren Oberreintal, längst Hüttenwirt auf der Reintalangerhütte. Hier hat der gelernte Metzgermeister dann seinen ganz besonderen Stil ausgeprägt und Generationen von jungen Leuten an den Hüttenbetrieb herangeführt, immer mit Herz und vollem Einsatz. Eine prägende Zeit, in der Gebetsfahnen aus dem Himalaya aufgespannt und Musik gemacht hat. In den Wintern schrieb er Bücher. Charly Wehrle hat miterlebt, wie das Naturjuwel der Blauen Gumpe Opfer eines heftigen Unwetters wurde. Vom Herd weg hat er aber auch Leben gerettet und wurde dafür mit der Bayerischen Lebensrettungsmedaille ausgezeichnet. Nicht zuletzt hat er hier vor einem Vierteljahrhundert seine heutige Frau Ursula kennengelernt.

Das Nest eines Ruhelosen

Mit den jungen Nachfolgern

Der „ewige Hüttenwirt“ wollte nun ein Nest bauen: Auf einer alten Hofstelle in seiner Heimat Oberschwaben errichtet Charly Wehrle sein Landhaus in traditionellem Stil und hätte sich dabei um ein Haar finanziell übernommen, doch der Jahrhundertsommer 2003 mit seinem Gästerekord rettet das Bankkonto. Er hat oft Glück gehabt in seinem Leben, sagt Charly Wehrle, und schon vor 10 Jahren zu seinem 65.Geburtstag demütig zurückgeblickt mit einem Buch, das er damals geschrieben hat. „Der Sturz ins Glück“ heißt es, weil er schon 1971 einen 30-Meter-Sturz an der Roten Flüh überlebt hat.  Weitere Stürze kamen hinzu. Aber er hat stets einen guten Schutzengel gehabt, sagt Charly. So ist es ganz natürlich, dass er die eine oder andere Träne wegdrückt als wir noch einmal auf seine Laufbahn zurückblicken, oben auf der Simms-Hütte, die auch zu diesen ursprünglichen und seelenvollen Refugien zählt. Hier hat er noch einmal ein junges Team geformt, das jetzt sein Erbe antritt, mit dem jungen Augsburger Jannik Storf. Dieser Abend auf der Simms-Hütte endet mit einer irischen Weise: Charly spielt das Hackbrett und wird von seinem jungen Nachfolger Jannik auf der Gitarre begleitet. Es sind Momente eines Hüttenlebens, die nicht nur ihm, sondern auch den Gästen lange in Erinnerung bleiben werden.


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