Skisammler & Archäologe Thomas Bachnetzer Auf der Suche nach Spuren der Menschen im Gebirge
Der Tiroler Thomas Bachnetzer hat nicht nur eine einzigartige Skisammlung zusammengetragen, sondern forscht auch nach Spuren der Frühgeschichte der Menschen in den Alpen. Ein Ergebnis: Ötzi war keine Ausnahme.

Erst um 1800 haben die Menschen in den Alpen damit begonnen, auf die Berge zu steigen – so das gängige Bild, das wir von der Geschichte des Alpinismus haben. Funde wie der Ötzi, der legendäre Mann aus dem Eis auf über 3000 Meter Höhe am Hauslabjoch deuten schon an, dass die Geschichte wohl etwas anders lauten muss. Der Hochgebirgsarchäologe Thomas Bachnetzer gehört mit seinen Forschungen, die er unter anderem am Pfitscher Joch durchgeführt hat, zu denen, die der Alpingeschichte neue Kapitel hinzufügen. Sein archäologisches Interesse aber erstreckt sich besonders auch noch auf einen Gegenstand der jüngeren Vergangenheit: auf das alpine Winterfortbewegungsmittel schlechthin, die Ski.
Sammelleidenschaft bis unter die Dachkante
Zwei Schuppen sind voll, auch der Keller, ja bis an den Schreibtisch im Arbeitszimmer stapeln sich die Ski, die Thomas Bachnetzer in seinem Haus im Ötztal gesammelt hat. Angefangen hat es mit den Ski vom Opa und dann wurde der 46-jährige von einer sagenhaften Sammelleidenschaft gepackt und graste Flohmärkte genauso ab wie Verkaufsplattformen im Internet. Irgendwann hatte es sich dann herumgesprochen und die Leute brachten ihm, was da noch alles in Kellern und auf Dachböden lag: denn Ski, das weiß Thomas Bachnetzer jetzt, sind ein unglaublich emotionales Thema: „Den schmeißt man nicht einfach weg, sondern den bewahrt man auf. Den stellt man in eine Ecke, irgendwo ist immer ein Platz“. So sind 1300 Paar zusammengekommen.
Ski erzählen Geschichten
Und jeder Ski erzählt eine Geschichte. Ein ganzes Paket recht grob gehobelter grauer Bretter ist hier aufgestapelt, original 1930er Jahre, produziert wurden sie nördlich von Genua für die Russlandfront im Zweiten Weltkrieg. Auf unbekannten Wegen sind sie dann samt der Stöcke in einer Schreinerei in Ingolstadt liegen geblieben. Dort hat Thomas Bachnetzer sie aufgespürt. Wer weiß, ob sie für Gebirgsjäger bestimmt waren, die einst beim deutschen Angriff auf Russland den Elbrus im Kaukasus erreicht haben?
Archäologischer Spürsinn
Schon seine Eltern, der Vater war Alpinpolizist, hatten ein detektivisches Interesse an alten Geschichten und besuchten mit Thomas archäologische Stätten. Für ihn wurde es dann die alpine Archäologie: Die Suche nach Spuren von Menschen im Gebirge. So geht Thomas Bachnetzer mit einem ganz anderen Blick in die Berge: Wo könnten da Leute gehockt sein, wo haben sie Steine zugeschlagen in der Steinzeit im Hochgebirge oder wo könnten da Weideflächen gewesen sein früher in der Prähistorie?
Mit seinem Spürsinn wurde er auch am Pfitscher Joch fündig, als er mit einer Gruppe von der Universität Innsbruck hier unterwegs war: „Da sind wir mit den Studierenden dagesessen und dann hat eine Studentin eine Frage gestellt: „Wo könnten die Menschen früher gehockt sein?“. Darauf antwortete Bachnetzer, wahrscheinlich, da wo sie jetzt sitzen würden…. Und tatsächlich wurde die Studentin gerade einmal drei Meter entfernt fündig. Es handelte sich um ein schön bearbeitetes Steinwerkzeug: und damit war klar, dass an dieser Stelle schon Menschen aus der Steinzeit unterwegs gewesen sind.
8000 Jahre Geschichte
Mit Hilfe eines Förderprojekts der Europäischen Union konnte der Gebirgsarchäologe nachweisen, dass Menschen seit der Mittelsteinzeit, ungefähr seit dem Jahr 6000 vor unserer Zeitrechnung auf dem Pfitscher Joch waren. In der Römerzeit und im Frühmittelalter wurden hier oben Gefäße und Werkzeuge aus Speckstein abgebaut. Wir sind jetzt im Frühjahr heraufgekommen, die Fundstellen sind noch von hohem Schnee bedeckt. Aber das Geschichtsbuch ist lückenlos und reicht weit vor die Zeit von Ötzi zurück.
„Schneereifen“: Frühgeschichtliche Funde im Hochgebirge
Über die Art und Weise, ob und wie sich Menschen in früheren Zeiten auch im Winter schon über die Berge wie hier auf 2250 Meter bewegt haben, wissen wir wenig. Von einer Art Schneeschuhen aber kann der leidenschaftliche Skisammler berichten, die sich Alpenbewohner schon vor Ötzis Zeiten angefertigt haben: Es handelt sich um so genannte „Schneereifen“ aus der Zeit um 3800 vor Christus, also rund 400 Jahre älter als Ötzi. Mit seiner Forschungsarbeit zeigt Thomas Bachnetzer, dass die Alpen nicht nur das furchterregende Gebirge waren, sondern die Menschen schon seit jeher auch zum Übergang und gewissermaßen zum Weitwandern herausgefordert haben. Und es werden abenteuerlustige und entdeckerfreudige darunter gewesen sein, die damals schon wissen wollten, was man denn von den Gipfeln aus sehen könnte.
Und das Team von Bergauf Bergab hat Thomas Bachnetzer begleitet: zu seinen Fundstellen auf dem Pfitscher Joch und zu seiner sagenhaften Sammlung von Ski. Morgen Sonntag (30.3.) um 18:45 im BR-Fernsehen und in der ARD-Mediathek.