100 Jahre Bergwacht Bayern Bergwacht im Mittelgebirge – ein Porträt der Bereitschaft Zwiesel
Viele denken beim Stichwort „Bergwacht“ nur an das Hochgebirge und an die Alpen. Dabei gibt es auch in den Mittelgebirgen Bergwacht-Bereitschaften - und sie haben gut zu tun.
In den letzten Jahren ist die Zahl der Einsätze sogar gestiegen, weil auch die Mittelgebirge immer beliebter werden bei Wanderern, Radlern und Mountainbikern, von den Langläufern, Skitourengehern und Skifahrern im Winter ganz zu schweigen. Kein Wunder also, dass die Bergwacht Zwiesel nur eine von insgesamt 20 Bergwachtbereitschaften im Bayerischen Wald ist. 42 aktive Bergwacht-Mitglieder zählt die Bereitschaft Zwiesel. Sie ist für beliebte Berge und Wandergebiete zuständig, zum Beispiel für die Arber-Region und den Falkenstein.
Das Handy meldet einen Einsatz beim Bergwachtmann Andreas Fleiß. Per Funk fragt er nach, was passiert ist und erfährt, dass sich ein Wanderer am Rißloch, Wanderweg 1, am ersten Wasserfall, verletzt hat. Einsatzleiter Klaus Pister beordert sechs Bergwachtler zum Wanderparkplatz. Von dort aus geht es dann nur zu Fuß weiter, ganz typisch für die Region, denn die meisten Wanderwege im Bayerischen Wald, vor allem die beliebten wie die Wege am Rißloch, Falkenstein und Ruckowitzschachten, sind nicht PKW-tauglich. Deshalb müssen manchmal sogar verschiedene Trupps auf mehreren Wanderwegen ausrücken. Denn das ist die zweite Tücke im Bayerischen Wald, dass verirrte oder verunglückte Wanderer oft nicht genau sagen können, wo sie eigentlich sind. Immer noch gibt es viele Funklöcher. Da klappt dann auch keine Ortung übers Handy. Der Bayerische Wald ist das größte zusammenhängende Waldgebiet in Mitteleuropa. Das erschwert oft die Orientierung, da es nur wenig Anhaltspunkte gibt. Im Hochgebirge hat man freie Flächen und kann sich an anderen Bergen orientieren, wenn man aber mitten im Wald und nicht gerade auf einem Gipfel steht, ist es schwer sich zu orientieren. Dazu kommt, dass dank grenzüberschreitender Wege sich das Waldgebiet auf der tschechischen Seite fortsetzt und sogar noch weitläufiger wird. Wer in Bayern startet, kann durchaus im Böhmerwald landen, wenn er keine gute Karte mit sich führt.
Martin Adam, der Chef der Zwiesler Bergwacht, warnt davor, sich in dieser Region nur auf Handy-Apps zu verlassen. Im vorigen Jahr sind zwei Wanderinnen mit zwei Kindern vom markierten Wanderweg abgewichen, weil das Handy „geradeaus“ angezeigt hat. Sie gerieten in ein Steilgelände und konnten dann weder vor noch zurück.
Bei größeren Einsätzen rückt die Bereitschaft mit dem Mannschaftsbus aus. Seit zwei Jahren ist es auch leichter, für steile Gebiete oder wenn es sehr schnell gehen muss, den Rettungshubschrauber Christoph 15 aus Straubing anzufordern, der mit einer Winde ausgestattet ist. So hat die Luftrettung im Bayerischen Wald in den letzten Jahren zugenommen. Statt stundenlangen Anmärschen gibt es jetzt Anflugzeiten von 10 bis 15 Minuten. Neun ausgebildete Luftretter hat allein die Bergwacht Zwiesel inzwischen. Zu tun gibt es mit und ohne Hubschrauber genug. 235 Einsätze wurden im letzten Jahr bei der Bergwacht Zwiesel notiert. Heuer waren es bis Ende Juni schon wieder über 200.
In der Skisaison teilen sich mehrere der insgesamt 20 Bergwachtbereitschaften im Bayerischen Wald den täglichen Dienst. Allein am Großen Arber braucht man an Wochenenden immer mindestens 10 Leute. Stürze oder Knochenbrüche auf der Piste sind dabei nicht das Einzige. Zwar gibt es im Bayerischen Wald keine Lawinen, dafür aber immer wieder mal verirrte Langläufer oder abenteuerlustige Skitourengeher. Viele Freerider meinen, dass man im Bayerischen Wald jeden Hang abfahren kann – und dann kommen die Hilferufe, weil sie nicht mehr weiterkommen. Viele sind mit Alpinskiern unterwegs und für einen Rückzug und Wiederaufstieg nicht ausgerüstet. Da gilt es dann die Leute ortskundig aus dem Gelände wieder hinaus zu bringen, zum Beispiel aus der Arberseewand, einer spektakulären Steilwand, die man bei viel Schnee oder in der Dämmerung zu spät entdeckt.
Überhaupt werden die Felsen und Gipfel im Bayerischen Wald gern unterschätzt, weil sie oft bewaldet sind und dadurch harmloser aussehen als sie sind. Verunglückte Kletterer am Kaitersberg und Gleitschirmflieger, die am Osser in den Bäumen landen, beschäftigen vor allem die Nachbarbereitschaft in Lam. Dazu kommen überall im Bayerischen Wald immer mehr Radler und E-Biker. Manche überschätzen sich und die Länge der Routen und müssen dann wegen Erschöpfung geborgen werden. Da wünscht sich auch die Bergwacht Zwiesel etwas mehr Vorbereitung mit entsprechendem Kartenmaterial und der Prüfung, ob man genug Proviant und das richtige Schuhwerk dabeihat. Der Bayerische Wald ist eben keine Spielwiese für „Klapperltouristen“. Auch die Bereitschaft, umzukehren, wenn man merkt, dass man an seine Grenzen kommt, wäre wünschenswert. Aber wenn etwas passiert, dann helfen die 42 Männer der Bergwacht Zwiesel gerne und ganz ohne Bezahlung. Ein ehrliches Dankeschön reicht!
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Karte: Der Arber