"100 Jahre Bergwacht in Bayern" Die größten und spektakulärsten Rettungseinsätze
Vor 100 Jahren, am 14. Juni 1920, wurde im Münchner Hofbräuhaus die Bergwacht Bayern gegründet. Der Erste Weltkrieg war gerade beendet, endlich herrschte wieder Frieden, die Leute drängten in die Berge. Das hatte auch damals schon Folgen für die alpine Natur und Umwelt:
In den Allgäuer Alpen pflückten die Leute massenhaft Gebirgsblumen wie das Edelweiß. Deshalb wurden Wachposten aufgestellt, um die Blumen zu beschützen - und um nebenbei verunglückte Wanderer zu retten. Auch wenn die Bergwacht Bayern zunächst vor allem als „Naturschutz- und Sittenwacht“ gegründet worden war, so wurde das Thema Bergrettung bald immer wichtiger – und zuletzt so wichtig, dass Technik und Know-How in der Bergrettung auf internationaler Ebene davon profitiert haben. Von den vielen tausend Einsätzen der bayerischen Bergwacht haben ein paar Geschichte geschrieben.
September 1937: Die beiden Münchner Georg Baumgartner und Erwin Vuzem geraten in der Hochwanner-Nordwand in einen Schneesturm. Am Biwakplatz bricht ein Haken aus, einer stürzt, die beiden werden getrennt. Damit beginnt das Drama. Während der eine beim Abseilen umkommt, bleibt der andere unverletzt, aber ohne Schuhe zurück. Auf Socken klettert er durch den Schnee bis er nicht mehr kann. Dann wartet er, schreit, wirft Steine, doch keiner hört ihn. Neun Tage lang hält Erwin Vuzem in der Hochwanner-Nordwand durch, isst Schnee und wartet auf den Tod. Dann hört er Stimmen, schaut aus der Wand heraus und sieht weiter unten zwei Männer - Hans Hintermair und Paul Liebl. Beide hatten ein Jahr zuvor die Winterbegehung der Hochwanner-Nordwand gemacht und waren damals extreme Bergsteiger und zugleich bei der Bergwacht sind. Als Erwin Vuzem „Hansi“ ruft, sind die Retter bass erstaunt, dass überhaupt noch einer lebt. Eine Gruppe um den Münchner Bergwacht-Pionier Ludwig Gramminger hatte die tausend Meter hohe Wand bereits nach den beiden Lehrlingen abgesucht, um die Leichen bergen. Jetzt aber holen sie einen lebendig aus der Wand heraus. Und nicht nur das: Als man Erwin Vuzem im Garmischer Krankenhaus die Füße amputieren will, packen sie ihn ins Auto und bringen ihn nach München. Ein Jahr später klettert er wieder.
Gerade die Einsätze in großen Wänden bringen die Bergrettung voran. So auch bei einem der berühmtesten Kapitel alpiner Rettungsgeschichte im August 1957. Wieder geraten Kletterer in einen Schneesturm, dieses Mal an der bekanntesten aller Wände, der Eiger-Nordwand. Die Nachricht verbreitet sich übers Radio. Wieder ist Ludwig Gramminger von der Bergwacht München gefragt. Mit einem internationalen Team aus Rettern und Top-Alpinisten installiert er oben am Grat eine Stahlseil-Winde, lässt einen Retter hinab und zieht den Italiener Claudio Corti mehr als 300 Meter die Wand hoch. Es ist die erste Lebendrettung aus der Eiger-Nordwand.
Eiger, Hochwanner und immer wieder der Watzmann: Egal ob in den 30er Jahren oder heute – wenn am Watzmann Bergsteiger in Not geraten und schlechtes Wetter herrscht, bedeutet das für die Bergretter meist einen riesigen Aufwand mit mehreren Dutzend Leuten. So wie bei einem Einsatz im Oktober 2013: Ein 56-jähriger Mann aus Niederbayern verletzt sich beim Aufstieg durch die Watzmann-Ostwand. Michi Grassl von der Bergwacht Berchtesgaden erinnert sich, dass es aufgrund des Nebels eine außerordentliche Situation war und der Hubschrauber nicht fliegen konnte. Was normalerweise in einer Stunde erledigt gewesen wäre, dauert nun 12 Stunden mit 30 Mann im Einsatz - ein logistischer Großaufwand, weil alles - Seile, Trage, Arzt - vor Ort gebracht werden muss. Durch den Nebel ist auch die Orientierung gerade im unteren Teil des Kederbacherwegs erschwert.
Die letzten Meter eines langen Weges: Johann Westhauser nach seiner Rettung aus der Riesending-Höhle im Juni 2014
Schon ein paar Monate später, im Juni 2014, hat die Bergwacht ganz in der Nähe ihren bis dato längsten, größten und aufwändigsten Einsatz zu stemmen: die Rettung eines verletzten Höhlenforschers aus der Riesending-Höhle im Untersberg. Johann Westhauser lag 1000 Meter tief im Berg. Diese Aufgabe überfordert die Bergwacht, sie bittet selbst um Hilfe. Höhlenretter aus der Schweiz, Österreich, Italien und Kroatien fahren zum Untersberg und helfen mit, den verletzten Höhlenforscher aus dem Untersberg zu holen. Ein Riesenerfolg in der Riesendinghöhle! Nach elf Tagen, zehn Stunden und vierzehn Minuten erblickt Johann Westhauser wieder das Tageslicht.