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Bis heute einer der spektakulärsten Gipfeltouren 70 Jahre Erstbesteigung Nanga Parbat

Am 3.Juli vor 70 Jahren ist Hermann Buhl um 2 Uhr 30 in der Nacht von Lager V auf 6900 Meter Höhe zum Gipfel des Nanga Parbat aufgebrochen. Es wurde eine der bis heute spektakulärsten Gipfeltouren überhaupt.

Von: Georg Bayerle

Stand: 01.07.2023 | Archiv

Die schneebedeckte Westseite des Nanga Parbat im Himalaya (Archivfoto vom 06.05.2005). Der Nanga Parbat in Asien ist 8126 Meter hoch und einer der höchsten Berge der Welt.  | Bild: picture-alliance/dpa

Die Rückkehr des erfolgreichen Nanga Parbat-Erstbesteigers am damaligen Flughafen Riem zählt zu den frühen Sternstunden der Bergsteigersendungen im Bayerischen Rundfunk. Live vor Ort in Riem war Bruno Erath, der erste Redakteur der Bergsteigersendung. Die Gangway war ans Flugzeug aus Pakistan gerollt worden, die Flugzeugtür ging auf und heraus traten der Münchner Arzt und Expeditionsleiter Karl Herrligkoffer sowie Hermann Buhl - alles live kommentiert von Bruno Erath. Es war ein Vorgeschmack auf den Empfang der „Helden von Bern“ nach der Fußballweltmeisterschaft ein Jahr später.

Ein übergroßer Maßkrug zum Empfang

Der österreichische Bergsteiger Hermann Buhl (M) nach seiner erfolgreichen Nanga Parbat Expedition auf dem Flughafen München-Riem.

Schon damals streckte Münchens Oberbürgermeister Thomas Wimmer dem hageren Hermann Buhl einen übergroßen Maßkrug entgegen, den der trotz seines „Himalayabarts“ erfolgreich an die Lippen führt. Danach gibt er gleich Auskunft, denn die Details des Gipfelgangs sind damals noch unbekannt: Hermann Buhl hatte sich Zehen erfroren, aber Grenzen überschritten. 16 Stunden war er nach seinem Aufbruch von Lager V auf 6900 Meter Höhe bis auf den 8125 Meter hohen Gipfel des Nanga Parbat unterwegs gewesen, und das war der kleinere Teil der Leistung, denn er musste eine Nacht im Stehen auf einer Felsschuppe überleben.

Das Pathos vom „Schicksalsberg“

Nach der Rückkehr von der erfolgreichen Nanga Parbat Besteigung am 19. Juli 1953 in Lahore mit den anderen Expeditionsteilnehmern.

41 Stunden nach seinem Aufbruch erreicht der 28-Jährige wieder das Lager V – die Bilder sind legendär. Der Pionier des Bergfilms und ehemalige Bergvagabund Hans Ertl war so geistesgegenwärtig, dass er Buhls Rückkehr für die Nachwelt festhielt und in pathetischen Worten zu Protokoll gab. Tatsächlich wirkte das Pathos der Kriegszeit bis in die Eroberung der höchsten Gipfel der Erde, zumal der westlichste Achttausender Maßstäbe setzt: Nirgendwo ist der Erdkörper tiefer aufgerissen als mit den 7000 Metern Höhendifferenz zwischen dem oberen Industal und dem Gletscherrücken des Nanga Parbat. Nach dem ersten Versuch des Engländers Albert Mummery, der 1895 am Nanga Parbat ums Leben kam, waren es deutsch-österreichische Expeditionen in den 1930er Jahren, die aufs Dach der Welt wollten. Die Nazis starteten mit der ersten Expedition 1934 eine Propagandageschichte und stilisierten den „nackten Berg“ wie er zu Deutsch heißt, zum „Schicksalsberg der Deutschen“.

Die erste Tragödie 1934

Blick auf das Hauptlager der deutsch-österreichischen Himalaya-Expedition am Fuße des Nanga-Parbat.

Mit 600 Trägern war Willy Merkl geradezu generalstabsmäßig ins Feld gezogen. Der tagelange, verzweifelte Überlebenskampf der damaligen Spitzenbergsteiger am extrem langen Gipfelkamm ist in seinen Details bis zu erschütternden Fotografien einzigartig. Vier Bergsteiger und acht Sherpas kamen ums Leben. Und so ging es weiter, bis der frisch gekürte Eigernordwand-Erstdurchsteiger Heinrich Harrer 1939 zur reichsdeutschen Nanga Parbat-Expedition geschickt wurde. Durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs endete das Unternehmen in britischer Gefangenschaft. Die weitere Geschichte erzählte Harrer in seinem berühmten Buch „Sieben Jahre in Tibet“.

Der Münchner Expeditionsunternehmer Karl Herrligkoffer

Die Geschichte des Nanga Parbat setzte der aus Unterfranken stammende Arzt Karl Herrligkoffer fort: Der „Schicksalsberg“, an dem sein Halbbruder Willy Merkl ums Leben kam, sei „reif“. Das Ergebnis ist bekannt, kam aber erst Tage nach der Erstbesteigung am 3.Juli 1953 in der Heimat an. Ein Läufer musste die Nachricht erst vom Berg ins Tal tragen. Der Bayerische Rundfunk meldete sich in der Ramsau bei Eugenie Buhl, der jungen Ehefrau, der die Erleichterung anzuhören ist. In den Monaten der Expedition hatte sie mehrere Postkarten und neun Briefe von Hermann Buhl erhalten. Das war der einzige Kontakt, den sie hatten.

Eine Tour für die Geschichtsbücher

Die undatierte Archivaufnahme zeigt Hermann Buhl. Er bezwang im Alleingang am 3. Juli 1953 als Erster den Gipfel des Nanga Parbat.

Hermann Buhl und Kurt Diemberger sind die beiden einzigen Menschen, die zwei Achttausender erstbestiegen haben – vier Jahre nach dem Nanga Parbat kam bei Buhl noch der Broad Peak dazu. Wenige Tage später ist er dann an der damals noch unbestiegenen Chogolisa, einem Siebentausender, tödlich abgestürzt. Für Hermann Buhl war der Nanga Parbat keine nationale oder schicksalhafte Aufgabe, sondern einfach eine der größten Herausforderungen, die es für einen Spitzenbergsteiger gab. Buhl gilt deswegen auch als Pionier des modernen Höhenbergsteigens. Schon 1962 eröffnete die nächste Herrligkoffer-Expedition mit bayerischen Bergsteigern eine neue Route über die Diamirflanke, durch die heute der Normalweg führt. Immer noch aber zählt der Nanga Parbat zu den Achttausendern mit den wenigsten Besteigungen und einer hohen Todesrate.

Die Geschichte deutscher und österreichischer Bergsteiger am Nanga Parbat ist auch Thema heute am 1. Juli im Bayerischen Feuilleton. Die Sendung von Georg Bayerle wird anlässlich des 70. Jahrestags der Erstbesteigung wiederholt.


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