In der Wiege des Skitourengehens in der Steiermark Skitour auf das Stuhleck
Das Tourengehen erfreut sich steigender Beliebtheit. Und so mancher, der damit erst begonnen hat, frägt sich vielleicht, wo das Skitourengehen erfunden wurde und wo es die erste Skitour gab. Wer recherchiert, stößt schnell auf die Hochsteiermark als Ursprungsort des Tourengehens.
Selbstbewusst sind die Bergbewohner zwischen Gesäuse und Rax. Denn dort, ganz im Osten der Alpen, wollen sie das Skitourengehen quasi erfunden haben.
Dabei wirkt die Landschaft dort ziemlich harmlos: Aus den Waldtälern wachsen Höhenzüge, nur die höchsten Bergkämme sind frei von Bäumen. Auch das Stuhleck erhebt sich mit einem nur flachen Schneerücken über das Mürztal, knapp 1800 Meter hoch. Für die meisten Tourengeher ist das nur ein gemütlicher Hügel für Anfänger, doch wenn es stürmt und schneit, dann kann es da schon mal recht unwirtlich werden.
Vom Pfaffensattel schlängelt sich unsere Aufstiegsspur recht gemütlich in Richtung Stuhleck-Hochplateau. Skiführer Andreas Steininger kennt das Gelände wie seine Westentasche, schließlich war das Stuhleck sein erster Skitourengipfel und er damals noch ein kleiner Bub. Heute weiß der Mittfünfziger, dass der Berg auch in anderer Hinsicht bedeutsam ist: 1892 wurde das Stuhleck als erster Alpengipfel mit Ski bestiegen. Drei Bergsteiger - der Mürztaler Hotelier Toni Schruf, der Grazer Sektfabrikant Max Kleinoscheg und der Postbeamte Walther Wenderich - hatten Ski aus Norwegen mitgebracht, dann aber bemerkt, dass die langen Latten für die Verhältnisse vor Ort überhaupt nicht geeignet waren. Sie haben die Skier einfach abgeschnitten und sind mit dem so verkürzten Sportgerät auf das Stuhleck gegangen.
Trotz der unhandlichen Bretter haben sie es sogar geschafft, die Abfahrt unbeschadet zu überstehen. So ist der 6. Februar 1892 zum Beginn des Skitourengehens geworden, der Grundstein für den Skitourismus war hier in den beschaulichen Fischbacher Alpen gelegt, betont der Alpinhistoriker Hannes Nothnagl im Wintersport-Museum Mürzzuschlag. Mit den hölzernen Brettern waren dann immer mehr Naturfreunde in den Bergen rund um Mürzzuschlag unterwegs. Noch ohne Technik versuchten sie, die - wie es in der damaligen Zeit hieß - „winterlichen Riesen“ zu bezwingen.
Kaum zu glauben, dass sich auf diesem moderaten Gipfel der Fischbacher Alpen 1892 eine Pioniertat abgespielt hat.
Wahlweise steht die „Wiege des Skilaufs“ auch in Norwegen, am Arlberg und in Kitzbühel. Doch Hannes Nothnagl führt wissenschaftliche Beweise an, dass die Steirer sich berechtigterweise als erste Skitourengeher bezeichnen dürfen. Auch Franz Reisch, der spätere Bürgermeister von Kitzbühel und Tourismus-Pionier, war in der Hochsteiermark bei Toni Schruf und hat sich einiges abgeschaut.
Zurück auf der windigen Hochebene des Stuhlecks: Der Gipfel ist schon fast in Sicht, da will mir Andreas Steininger noch etwas zeigen. Er gräbt im Harsch, bis er im harten Schnee ein ausgeblichenes Holzschild findet. Es erinnert an die Nansen-Hütte, die 1896 hier gebaut wurde und als erste alpine Skihütte in den Alpen gilt.
Die wenigen Überreste von Mauern sind jetzt komplett zugeweht. Nur noch ein paar Höhenmeter sind es, bis dann das moderne Aluminium-Kreuz am Gipfel erreicht ist. Geographen haben ausgerechnet, dass man vom Gipfel des Stuhlecks 113.000 Quadratkilometer Sichtfläche hat - also ein herrliches Panorama vom Schneeberg und der Rax bis zum Gesäuse und Dachstein.
Ein naturbelassener Skitourengipfel ist das Stuhleck heutzutage allerdings nicht mehr. Ein Sessellift führt bis auf den Gipfel, und ganz oben thront eine stattliche Berghütte, das Alois-Günther-Haus.