Unberührte Winterlandschaft am Gamsboden Auf Schneeschuhen ins Gotthardgebiet
Im Sommer ist die Gotthardpassstraße eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen über die Alpen. Ganz anders im Winter, wenn sie geschlossen ist. Dann ist es still und einsam im Gotthardgebiet. Bei einer Schneeschuhtour von Hospental über den Gamsboden lässt sich die atemberaubende Landschaft erkunden.
Auch ich bin im Sommer schon über die Gotthardpassstraße Richtung Süden ins Tessin gefahren - und einmal sogar zu Fuß vom Talort Hospental zum Gotthardpass gewandert. Der Weg führt entlang der Reuss durch Alpwiesen, verläuft zum Teil aber auch auf der alten Passstraße. Umso schöner, das Gebiet bei einer geführten Schneeschuhtour auch im Winter zu entdecken. Philipp Rohrer bietet die Schneeschuhwanderung zum Gamsboden in seinem Tourenprogramm der „Wanderei“ an. Er ist Tourenleiter beim Schweizer Alpen-Club, kurz SAC, und angehender Wanderleiter des Schweizer Bergführerverbands.
Der Ausgangspunkt der halbtägigen Schneeschuhtour ist klimaschonend mit dem Zug erreichbar. Wir starten am Bahnhof Hospental auf 1.493 Metern Höhe. Die Tour führt uns bis auf über 1.700 Meter hinauf. Rund 250 Höhenmeter sind es jeweils im Auf- und Abstieg. Die ganze Runde dauert etwa drei Stunden, ist technisch mittelschwer und an die sieben Kilometer lang. Auch wenn wir uns mit den Schneeschuhen eher langsam bewegen - wir sind im freien Gelände unterwegs. Deshalb brauchen wir eine Lawinenausrüstung: Schaufel und Sonde sind im Rucksack, das Lawinenverschütteten-Suchgerät schalten wir zu Beginn der Tour ein. Philipp führt einen LVS-Check durch. Sollte jemand in eine Lawine geraten, hilft das Signal, die Person zu orten.
Auch auf einer Schneeschuhtour spielt das Thema Lawine eine Rolle. Als ich ein lautes Geräusch höre und nachfrage, erklärt mir Philipp, dass es ein Wumm-Geräusch war. Es entsteht, wenn sich die Spannung im Schnee beim Darübergehen entlädt - ein klassisches Lawinen-Warnzeichen. Früher gab es den Spruch: „Bei Wumm kehr um.“
Der mitten in der Landschaft stehende Beton-Pavillon ist die Abluftanlage des Gotthardstraßentunnels.
Wir gehen zuerst durch das Dorf und queren die Gotthardpassstraße über eine Brücke. Nach den letzten Häusern geht es in Kehren einen Hang hinauf, dann auf die alte Gotthardpassstraße und anschließend ein paar hundert Meter auf der neuen Passstraße weiter. Als sich das Tal öffnet, verlassen wir die Straße und wandern auf dem Gamsboden. Die Route führt zum Teil entlang der Reuss und durch meist unverspurten Schnee gen Gotthardpasshöhe. Die Sonne scheint uns ins Gesicht.
Ob die Ebene Gamsboden heißt, weil es früher dort viele Gämsen gab? Der Name legt es nahe. Auch weil der Weg an einem Wild-Schutzgebiet vorbeiführt, wie Philipp mir erklärt. Das felsdurchsetzte Gelände mit Baumbestand eignet sich sehr gut als Unterschlupf für das Wild. Die Tiere sollte man auf keinem Fall stören durch Wintersportaktivitäten egal welcher Art und diese auf jeder Karte eingezeichneten Zonen konsequent meiden.
Zwischen der Winterhornkette und dem Gemsstock – dem Skigebiet von Andermatt – führt die Tour zu einem Beton-Pavillon, der sich als Abluftanlage des Gotthardstraßentunnels entpuppt. Nach einer Brotzeitpause kurz hinter dem Pavillon queren wir die Reuss. Der Hang, an dem wir entlang gehen, ist steiler im Vergleich zum bisherigen sanften Anstieg, so dass sich die Tour gleich alpiner anfühlt. Allmählich steigen wir wieder in flacheres Gelände ab. Bevor wir den Gamsboden verlassen und auf der Gotthardpassstraße zurück ins Tal laufen, blicken wir zurück – und sind fasziniert vom besonderen Licht, mit dem die Wintersonne die Berglandschaft am Nachmittag überzieht.
Die Schneeschuhtour zum Gamsboden ist von der Tourist Information Andermatt nicht als offizielle Schneeschuh-Route ausgeschrieben. Somit gibt es im täglichen Wintersportbericht auch keine Angabe, ob sie begehbar ist. Wer wenig bis keine Erfahrung im Schneeschuhgehen im freien Gelände hat, wendet sich am besten an die örtlichen Bergschulen für eine geführte Tour.