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Cannabidiol: ein Nahrungsergänzungsmittel? Genau Hinschauen bei CBD

Produkte aus Hanf sind ein Megatrend, besonders beliebt: Cannabidiol, kurz CBD. Öle oder Kapseln mit CBD gibt es zum Beispiel in Hanfläden oder in der Drogerie. Doch zugelassen sind sie eigentlich nicht. Die rechtliche Lage ist kompliziert. Sollten Verbraucherinnen und Verbraucher trotzdem zu CBD greifen? Wem nutzt der Pflanzenstoff, was sagt die Forschung?

Von: Monika Hippold

Stand: 30.01.2024

Öle, Kapseln, Kaugummis, Gummibärchen, Tees: der Markt an Produkten aus CBD ist riesig – und wächst. Hanfladenbesitzer Wenzel Cerveny hat beobachtet: Am Liebsten kaufen seine Kundinnen und Kunden CBD-Öle.

Die Mittel versprechen Entspannung, ohne zu berauschen. CBD soll laut Aussagen der Hersteller gegen Schlafstörungen und Ängste helfen, Unruhe, Stress und Schmerzen lindern und auch entzündungshemmend wirken. Laut einer Umfrage der Stiftung Warentest Ende 2020 nutzen etwa zwölf Prozent der Menschen in Deutschland CBD. Die meisten hoffen auf Entspannung, weniger Stress und besseren Schlaf. Gegen Schmerzen nehmen nur wenige CBD ein. Was sagt die Wissenschaft dazu? Sind die Hoffnungen in Studien belegt?

Kritik: zu wenig CBD, zu viel THC

CBD wird aus den Blättern der Hanfpflanze gewonnen, genauso wie das psychoaktive THC. CBD wirkt hingegen nicht berauschend. Es hat aber durchaus pharmakologische Wirkungen. In welchen Mitteln sind diese nachweisbar?

Prof. Mona Tawab hat mit ihrem Team im Labor einige frei verkäufliche CBD-Produkte untersucht. Und festgestellt: In den Produkten ist oft weniger CBD drin als angegeben.

"Wir haben zum Teil nur ein Fünftel der deklarierten Menge gefunden - und oftmals war nur die Hälfte enthalten."

Prof. Dr. Mona Tawab, Pharmazeutin, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker, Eschborn

Vom berauschenden THC darf in den CBD-Produkten nur weniger als 0,2 Prozent enthalten sein, um einen Missbrauch zu Rauschzwecken auszuschließen. Doch: Oft ist mehr THC drin, warnt Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale:

"Im Augenblick sind bei den Lebensmittelüberwachungskontrollen bis zu 50 Prozent der Produkte mit erhöhten THC-Werten zu finden. Daher raten wir auf jeden Fall von den Produkten ab."

Daniela Krehl, Ernährungsexpertin, Verbraucherzentrale Bayern, München

Studienlage zu CBD

Der Konsum von CBD-Ölen kann teuer werden, die Flaschen kosten, je nach Konzentration, bis zu 200 Euro. Wirken sie denn? Wie sieht die Studienlage dazu aus?

"Es gibt durchaus Studien zu der Wirkung von CBD auf Angststörungen und Schlafstörungen. Das sind Studien, die allerdings mit einer sehr hohen Dosierung durchgeführt worden sind. Die Dosierung bewegt sich in mehreren hundert Milligramm. Und da gibt es erste Anzeichen, dass CBD durchaus sehr gut wirken und unterstützend zu anderen Medikationen eingesetzt werden kann. Das ist aber ein anderer Dosierungsbereich als der Bereich, den wir bei den Nahrungsergänzungsmitteln haben. Wir sprechen hier von zwei unterschiedlichen Welten. Die frei verkäuflichen Produkte sind zu gering dosiert, und für die Wirkung ist allein die Dosis entscheidend. Studien, die qualitativ hochwertig sind und die sich auf diese Nahrungsergänzungsmittel beziehen, gibt es leider nicht."

Prof. Dr. Mona Tawab, Pharmazeutin, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker, Eschborn

Die Pharmazeutin erklärt: Frei verkäufliche Mittel sind so gering dosiert, da sie keine pharmakologische Wirkung ausüben dürfen. Das dürfen nur Arzneimittel. Doch Arzneimittel müssen klinisch geprüft sein und zugelassen werden. Nahrungsergänzungsmittel gelten hingegen als Lebensmittel und werden lediglich registriert. Sie durchlaufen kein Zulassungsverfahren.

CBD-Produkte: Weder Nahrungsergänzungsmittel noch Novel Food

Bisher gibt es aber noch keine Registrierung für CBD-Produkte als Nahrungsergänzungsmittel. Sie werden oft als sogenanntes Novel Food bezeichnet, also als neuartiges Lebensmittel. Dafür laufen einige Anträge verschiedener CBD-Produkte bei der EU Kommission. Doch eine Zulassung haben sie auch als Novel Food bisher nicht. Verbraucherschützerin Daniela Krehl erklärt, warum:

"Da schützt uns die EU, dass sie diese Lebensmittel nicht einfach für den Markt frei gibt, sondern erst mal Studien verlangt, um Gesundheitsrisiken auszuschließen. Und das ist einfach noch nicht erfolgt. Das dauert eine gewisse Zeit."

Daniela Krehl, Ernährungsexpertin, Verbraucherzentrale Bayern, München

Novel Food:

Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gelten Lebensmittel als Novel Food, wenn sie vor dem 15. Mai 1997 in der EU noch nicht in größeren Mengen verzehrt wurden. Außerdem müssen sie bestimmten Lebensmittelgruppen zugeordnet werden können. Neuartige Lebensmittel dürfen in der EU nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie zugelassen worden sind.

Nebenwirkungen von CBD?

CBD – ein Novel Food? Die EU Kommission hat die Entscheidung darüber verschoben. Ein Grund: Die Nebenwirkungen seien bei einer langfristigen Einnahme von CBD noch nicht klar, so die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Juni 2022.  Es gebe Datenlücken und Unsicherheiten - zur Wirkung von CBD auf Leber, Magen-Darm-Trakt, das endokrine System, das Nervensystem und das psychische Wohlbefinden.

"CBD ist eigentlich eine fettlösliche Substanz. Und die sammelt sich auch im Fettgewebe in unserem Körper an und wird in kleinen Mengen dann auch wieder freigesetzt. Und da weiß man bei langfristiger Einnahme noch nicht, wie sich das CBD auf unsere Leber oder unser Hormonsystem auswirkt. Man weiß aus Tierstudien, dass CBD durchaus leberschädigend sein und das Fortpflanzungssystem in Tieren angreifen kann. Darum ist man sehr vorsichtig, was die Nebenwirkungen betrifft."

Prof. Dr. Mona Tawab, Pharmazeutin, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker, Eschborn

CBD: die rechtliche Lage ist kompliziert

Der Verkauf von CBD-Produkten wird oft als Grauzone bezeichnet. Für Händler wie Wenzel Cerveny ist die rechtliche Lage ein Problem. Die Behörden kontrollieren stichprobenartig. Daraus folgt: Ein Hin und Her vor Gericht – und immer wieder Razzien in Hanfläden.

"Wir hatten in den letzten drei Jahren schon über 21 Razzien. Und wenn die dann kommen, die beschlagnahmen einfach alles. Sie haben bei mir ungefähr einen Warenwert von über 300.000 Euro beschlagnahmt. Und wir haben bis heute noch keine einzige Ware zurückbekommen. Fürs Geschäft ist es ein Wunder, dass wir noch leben. 300.000 Euro muss man erst mal wegstecken. Und es ist so eine Wartesituation, weil ja jederzeit ermittelt werden kann. Wir müssen uns fast schon wie Schwerverbrecher fühlen. Weil jeden Tag könnte wieder eine Razzia, die nächste Razzia kommen. Es ist ein ewiges Hin und Her. Das nervt auf Dauer."

Wenzel Cerveny, Hanfladenbesitzer, Bayrischer Cannabisverband

Wenzel Cerveny betreibt mittlerweile 19 Hanfläden und fühlt sich von den Behörden ungerecht behandelt: Das CBD in seinen Produkten werde natürlich extrahiert, so wie das auch schon vor 50 Jahren extrahiert worden sei – damit falle es nicht unter die Novel Food-Verordnung. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders.

Wenzel Cerveny hat sich im Bayrischen Cannabisverband organisiert und kämpft für den Verkauf seiner Produkte. Kleinere Geschäfte hätten durch Beschlagnahme und Strafzahlungen aber schon aufgeben müssen.

Die rechtliche Situation prangert auch Pharmazeutin Prof. Tawab an, allerdings aus einem anderen Grund:

"Es sollte schon längst rechtlich geregelt sein. Ich denke, es liegt daran, dass die Nahrungsergänzungsmittel-Industrie eine sehr große Lobby hat. Sie macht auch sehr großen Umsatz europaweit. Und deswegen scheut man sich so ein bisschen, in dieser Branche einzugreifen. Insgesamt müsste der gesamte Nahrungsmittelergänzungs-Bereich stärker reguliert werden. Im Sinne der Sicherheit der Verbraucher. Das ist unbedingt notwendig."

Prof. Dr. Mona Tawab, Pharmazeutin, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker, Eschborn

CBD in der Praxis

Wann raten Ärzte ihren Patientinnen und Patienten zu CBD? Und in welcher Dosierung? Bettina Z. ist Schmerzpatientin. Sie hat schon einige Operationen hinter sich - am Knie, dem Sprunggelenk, der Hüfte, der Hand – hat jahrelang Physiotherapie gemacht. Doch sie hat weiter Schmerzen. Das schlägt auf ihre Stimmung und ihren Schlaf.

"Bei mir war alles fest. Wenn man draufgedrückt hat, bin ich schon zusammengerutscht. Ich war einfach total verkrampft, gestresst, hatte vielleicht auch Depressionen. Ich war total kaputt, kopfmäßig und hatte auch keine Lust, mehr Sport zu machen oder mit anderen irgendetwas zu unternehmen. So ein Schmerz, wie ich ihn hatte, der hat sich über Jahre aufgebaut. Man drückt den Schmerz weg, irgendwie. Bis es nicht mehr geht."

Bettina Z.

Besser schlafen mit CBD

Sie geht zu Schmerztherapeut Dr. Stefan Kammermayer, bekommt eine individuelle Therapie. Diese schlägt an, die Schmerzen werden weniger. Zur Beruhigung und zum Schlafen verschreibt er ihr zusätzlich CBD-Tropfen.

"Ich kann nachts wieder durchschlafen, kann ruhig und gelassen einschlafen. Ich habe keine Panik mehr vor Nächten. Ich bin entspannt und gelockert am nächsten Morgen, also nicht verkrampft. Für mich ist es gut."

Bettina Z.

Dr. Kammermayer empfiehlt CBD nur aus der Apotheke. Dort würden Konzentration und Wirkstoff kontrolliert, die Dosierung sei somit klar. Er betont: CBD sei kein Schmerzmittel, es helfe aber gegen die Folgen von Schmerzen.

"Dass ich genervt bin, dass ich mich nicht mehr richtig konzentrieren kann; dass ich das Gefühl habe, das Leben geht so nicht mehr gut weiter; Resignation, Angstzustände, depressive Störung. Da hilft es. Schmerzpatienten haben oft eine Schlafstörung, der Schlaf ist schlecht allein wegen der Schmerzen. Und Schmerz ist Stress. Das Cannabidiol soll den Mensch beruhigen, soll den Tiefschlaf wieder herstellen und fördern, dass man Ruhe findet. Natürlich ist die Grundlage die Schmerzbehandlung. Aber das ist eine sehr gute Zusatztherapie."

 Dr. med. Stefan Kammermayer, Facharzt für  Anästhesie, Spezielle Schmerztherapie, Ambulantes Schmerzzentrum München

Dr. Kammermayer schaut sich seine Patienten sehr genau an. CBD bekommen bei ihm Menschen mit chronischen Schmerzen, die andere Mittel bereits versucht, aber nicht vertragen haben. Die Kassen übernehmen die Kosten bisher nicht. Wichtig sei aber immer: das Gespräch mit dem Arzt.

"Zum einen, weil die Menschen ja doch vorher prüfen sollten: Ist das wirklich gut für Sie? Welche Dosierungen sollten sie verwenden? Und sie sollten nicht selbst herumexperimentieren. Eine schwere Depression kann man keinesfalls nur mit CBD behandeln. Da muss man eine ärztliche Behandlung aufsuchen. Man muss die eigene Medikation, Medikamente und Vorerkrankungen, berücksichtigen. Ich rate nicht dazu, sich einfach etwas zu kaufen und das mal selber zu testen. Da ist schon oft die Dosierung falsch oder man steigt zu schnell ein; sondern einfach mit einem Arzt mit einer Ärztin darüber sprechen, aus welchen Gründen will man es nehmen, und die Alternativen besprechen."

Dr. med. Stefan Kammermayer, Facharzt für  Anästhesie, Spezielle Schmerztherapie, Ambulantes Schmerzzentrum München

CBD: Große Hoffnung in der Krebsforschung

Hoffnung macht CBD in der Krebsforschung. Prof. Rainer Glaß forscht seit Jahren zu aggressiven Gehirntumoren, sogenannten Glioblastomen. 4.000 Menschen erkranken daran jährlich in Deutschland. Im Laborversuch zeigte sich: CBD kann Zellen dieser Tumore absterben lassen. Allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen und nicht bei jedem.

"Wir hoffen, dass wir in wenigen Jahren Patienten mit einem einfachen PCR-Test identifizieren können, die von der Gabe von CBD profitieren. Und sie dann anschließend mit CBD therapieren können. Das wäre ein großer Fortschritt, denn gerade bei den seltenen Glioblastomen bleibt wenig Zeit für die Therapie."

Prof. Dr. Rainer Glaß, Neurochirurgische Forschung, Klinikum der Universität München

CBD kann die Bluthirnschranke überwinden und so auch im Gehirn wirken. Im Labor hat CBD bei 40 bis 50 Prozent der Glioblastome gewirkt. Die erste Studie an Patienten mit verschiedenen Tumorerkrankungen ist in den USA durchgeführt worden - die Ergebnisse stehen aktuell noch aus.  

Mit CBD gegen Epilepsie

In Europa zugelassen ist aktuell nur ein Medikament mit hochkonzentriertem CBD: Epidyolex - gegen seltene Formen der Epilepsie bei Kindern, erklärt Kinderneurologe Prof. Ingo Borggräfe.

"Es gibt eine Reihe von Studien in den letzten Jahren, die dazu gemacht worden sind in einer sehr hohen Qualität. Sie zeigen bei verschiedenen Epilepsien, dass es etwa bei der Hälfte der Patienten zu deutlich weniger Anfällen unter dem Medikament kommt. Es ist auf jeden Fall eine Erweiterung unseres Spektrums, mit dem wir die Patienten noch einmal anders behandeln können. Es ist aber wie bei jedem anderen Medikament. Man hat es ein gewisses Wirkspektrum und es ist auch kein Wundermedikament, wo man sagen kann, plötzlich ist alles weg."

Prof. Dr. med. Ingo Borggräfe, Kinderneurologe, von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Universität München

CBD kann Patienten also helfen. Die Expertinnen und Experten raten aber, das Mittel nicht auf eigene Faust einzunehmen.


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