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Fischölkapseln Liefert unsere Nahrung zu wenig Omega-3-Fettsäuren?

Viele schlucken sie: Fischölkapseln versprechen mehr Herzgesundheit, ein starkes Immunsystem und ordentlich Power fürs Gehirn. Sie sollen gut für die Augen sein und antientzündlich wirken. Nehmen wir durch unsere Nahrung tatsächlich nicht genügend Omega-3-Fettsäuren zu uns? Und welche Folgen hat eine Unterversorgung?

Von: Antje Maly-Samiralow

Stand: 30.01.2024

Fischölkapseln: Liefert unsere Nahrung zu wenig Omega-3-Fettsäuren?

Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) zählen zu den mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren. Sie gelten als essenziell, weil der Körper sie kaum selbst herstellen kann.

Zwar kann ein geringer Prozentsatz aus der Verstoffwechselung der Omega-3-Fettsäure Alpha Linolensäure (ALA), die unter anderem in Leinöl und Wallnüssen vorkommt, gewonnen werden. Aber dieser Anteil ist so gering, dass die für die Gewährleistung gesunder Körperfunktionen benötigten Mengen an EPA und DHA nicht generiert werden können. Deshalb müssen EPA und DHA mit der Nahrung zugeführt werden.

Quellen für EPA und DHA

Als ursprüngliche Quellen für EPA und DHA gelten weitestgehend fette Meeresfische wie Hering, Makrele, Lachs oder Tunfisch, Krill sowie Algen. In diesem Zusammenhang spricht man von marinen oder aquatischen Omega-3-Fettsäuren. Aber auch Fleisch und Milchprodukte aus artgerechter Weidehaltung von Tieren, die Gras, Kräuter sowie Heu fressen, enthalten Omega-3-Fettsäuren.

Mit anderen Worten: Die tierischen Produkte, die Menschen vor Beginn der industriellen Viehzucht zu sich genommen haben, konnten den Bedarf an Omega-3-Fettsäuren decken.

Heute ist das hingegen kaum noch gegeben, weil Nutzvieh weitestgehend mit Getreiden gefüttert wird, das Omega-6-Fettsäuren enthält, insbesondere Mais und Soja. Aber auch Fisch, der aus sogenannten Aquakulturen stammt, weist deutlich niedrigere Omega-3-Fettsäurewerte im Vergleich zu Kaltwasserfischen aus Wildfang auf. Das Ergebnis ist eine Mangelversorgung mit den Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA.

"Früher haben die Deutschen deutlich mehr Fisch gegessen. Wir liegen heute laut Nationaler Verzehrstudie bei rund 15 Gramm am Tag, und das ist deutlich weniger als der europäische Durchschnitt. Erschwerend hinzu kommt, dass ein Großteil des verzehrten Fisches aus Zuchten stammt. Das heißt, die Fische ernähren sich nicht artgerecht von Plankton, Kleinstfischen, Krebstieren oder Fischlarven, die Omega-3-Fettsäuren enthalten. Sie werden zum Teil mit Omega-6-haltigen Getreiden gefüttert. Das führt dann dazu, dass beispielsweise Zuchtlachse nicht nur deutlich weniger Omega-3-Fettsäuren, sondern zum Teil sogar Omega-6-Fettsäuren enthalten. Mit anderen Worten: Wir haben eine drastische Unterversorgung mit Omega-3-Fettsäuren aus Fisch. Und das schlägt sich letztlich in der Zunahme chronisch entzündlicher Erkrankungen nieder."

Dr. med. Matthias Riedl, Internist, Diabetologe und Ernährungsmediziner, Hamburg

Omega-3-Spiegel in Deutschland zu gering

Die unzureichende Versorgung der Bevölkerung mit Omega-3-Fettsäuren wird auch in Messdaten deutlich. Der Kardiologe Prof. Clemens von Schacky hat den Standardtest zur Ermittlung des Omega-3-Spiegels im Blut entwickelt. Gemessen wird die Konzentration in den Membranen der roten Blutkörperchen, die als weitestgehend repräsentativ für die Versorgung der Körperzellen mit EPA und DHA betrachtet wird.

"Menschliches Leben ohne DHA und EPA gibt es nicht. Und jede einzelne Zelle im menschlichen Körper funktioniert dann gut, wenn sie genügend EPA und DHA hat. Wir wissen aus Messungen auf der ganzen Welt, dass der Zielbereich für den Omega-3-Index bei acht bis elf Prozent liegt. In diesem Bereich ist die Lebenserwartung am größten, hier sehen wir die wenigsten Herzinfarkte, weniger Demenz, weniger Depressionen, dafür bessere kognitive Fähigkeiten. In Deutschland liegen wir im Schnitt bei 5,5 Prozent, also deutlich unter dem Zielbereich. Und diese schlechten Omega-3-Fettsäurespiegel schlagen sich in unseren Mortalitätsstatistiken und Krankheitsstatistiken nieder."

Prof. Dr. med. Clemens von Schacky, Kardiologe, Experte für Fettsäuren, München

"Bei den Patienten, die zu uns ins Zentrum wegen einer entzündlichen Erkrankung kommen, sehe ich bei fast allen einen viel zu niedrigen Spiegel, so um zwei bis vier Prozent. Und dieser Omega-3-Mangel ist möglicherweise eine Mitursache dieser entzündlichen Erkrankung. Der Grund: Wir können mit normaler Ernährung die notwendige Omega-3-Fettsäurezufuhr kaum bewerkstelligen."

Dr. med. Matthias Riedl, Internist, Diabetologe und Ernährungsmediziner, Hamburg

Therapeutischer Einsatz von Omega-3-Fettsäureprodukten

Fisch- bzw. Algenöl wird unter anderem zur Behandlung folgender Krankheitsbilder eingesetzt:

  • Entzündliche Erkrankungen
  • Endometriose
  • Schwangerschafts- und Kindbettdepressionen
  • Depressionen
  • Senkung erhöhter Triglyzerid-Werte

"Bei Patienten mit erhöhten Triglyzerid-Werten können EPA/DHA-haltige Präparate ergänzend zu Lebensstilveränderungen – wie körperliches Training oder die Reduktion von Zucker – die Triglyzerid-Spiegel senken. Folgerichtig werden sie hierfür von den Leitlinien empfohlen. Zudem hemmen langkettige Omega-3-Fettsäuren Entzündungsreaktionen auch an der Gefäßwand und können somit atherosklerotische Plaques stabilisieren."

Dr. med. Katharina Lechner, Internistin, Deutsches Herzzentrum München

"Omega-3-Fettsäuren haben eine hervorragende Wirkung in der Regulation von Entzündungen, und deshalb setzen wir sie insbesondere bei allen entzündlichen Erkrankungen ein, wie zum Beispiel Rheuma. Und dabei erlebe ich fast regelhaft, dass die Entzündung so stark reduziert ist, dass diese Menschen keine Rheumamedikation mehr brauchen oder deutlich beschwerdefreier sind. Weitere Einsatzgebiete sind auch entzündliche Darmerkrankungen, Depression und auch ADHS. Und da erleben wir eine Symptomverbesserung von 20 bis 50 Prozent."

Dr. med. Matthias Riedl, Internist, Diabetologe und Ernährungsmediziner, Hamburg

Dosis bei Omega-3-Supplementierung

"Um den Zielbereich von acht bis elf Prozent zu erreichen, braucht jeder seine eigene Dosis. Manche Menschen brauchen gar nicht zu supplementieren, weil sie einen ausreichend hohen Omega-3-Fettsäurenspiegel haben. Andere müssten mehrere Gramm am Tag zu sich nehmen. Wieviel Gramm ein Mensch zuführen müsste, kann man eigentlich nur sagen, wenn man den Ausgangsspiegel kennt."

Prof. Dr. med. Clemens von Schacky, Kardiologe, Experte für Fettsäuren, München

"Der Omega-3-Bedarf ist immer individuell. Den kennen wir nur, wenn wir den Spiegel messen, was wir bei unseren Patienten tun. Wir wissen, dass wir bei Menschen mit entzündlichen Erkrankungen einen deutlich höheren Spiegel als den normalen Spiegel von acht bis elf Prozent erreichen sollten. Je nach Ausgangsspiegel empfehlen wir dann Dosen bis zu 6 Gramm am Tag. Aber, das ist ganz wichtig: Eine so hohe Dosierung sollte man nur unter strenger ärztlicher Kontrolle und unter Messung der Laborwerte machen, auf keinen Fall auf eigene Faust."

Dr. med. Matthias Riedl, Internist, Diabetologe und Ernährungsmediziner, Hamburg

Die EFSA, die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die auch für die Zulassung und Überwachung von Nahrungsergänzungsmitteln zuständig ist, hält die tägliche Zufuhr von bis zu 5 Gramm EPA und DHA in Kombination für gesundheitlich unbedenklich.

Risiken und Nebenwirkungen

Allerdings korrelieren höhere Spiegel an EPA und DHA mit gesundheitlichen Risiken. Das gilt insbesondere für das Auftreten von Herzvorhofflimmern.

"Studiendaten zeigen, dass die Gabe von kombiniertem EPA/DHA oder hochdosiertem EPA bei Hochrisikopatienten signifikant die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Vorhofflimmern erhöht. Wichtig zu bedenken ist hierbei allerdings, dass daraus zumindest im kurzfristigen Verlauf kein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle resultierte, die wohl gefährlichste Konsequenz des Vorhofflimmerns."

Dr. med. Katharina Lechner, Internistin, Deutsches Herzzentrum München

Auch das Blutungsrisiko kann durch eine Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren steigen.

"Bekanntlich haben Substanzen mit einer bestimmten Wirkung auch potenziell ungünstige Nebenwirkungen. Bei sehr hohen Omega-3-Spiegeln (höher als 15 Prozent) ist das Risiko für Blutungen um 0,1 Prozent erhöht. Zur Einordnung: Dieses Risiko ist 15-fach niedriger als das Blutungsrisiko unter einer Therapie mit ASS 100 mg täglich (hier beträgt das Blutungsrisiko 1,5 Prozent). Zudem sind derartig hohe Spiegel erfahrungsgemäß eine absolute Seltenheit in Deutschland."

Dr. med. Katharina Lechner, Internistin, Deutsches Herzzentrum München

Hinweis zur Einnahme von Omega-3-Fettsäuresupplementen

Wer Fischölkapseln bzw. reines Fisch- oder Algenöl einnimmt, sollte das idealerweise zu oder unmittelbar nach der Hauptmalzeit tun. Die Aufnahme der Fettsäuren fällt um ein Vielfaches höher aus, wenn der Fettstoffwechsel durch den Verzehr fettreicher Lebensmittel aktiviert wurde.

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Ungünstiges Verhältnis Omega-6-Fettsäuren zu Omega-3-Fettsäuren

Während Omega-6-Fettsäuren, zu denen die Arachidonsäure sowie die Linolsäuren gehören, über die Bildung hormonähnlicher Substanzen Entzündungsreaktionen befördern, wirken die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA, die ebenfalls zu Botenstoffen verstoffwechselt werden, entzündungshemmend und entzündungsregulierend. Ein Zuviel an Omega-6 kann zu überschießenden Entzündungsreaktionen führen, die dann nicht mehr herunterreguliert werden.

Höhere Konzentrationen von Omega-6-Fettsäuren liegen unter anderem in folgenden Lebensmitteln vor:

  • Sojaöl
  • Maiskeimöl
  • Distelöl
  • Sonnenblumenöl
  • Sowie Fleisch, Eier und Milchprodukte aus Massentierhaltung

Wer häufig Fertigprodukte, die Omega-6-reiche Pflanzenöle enthalten, sowie Fleisch und andere Produkte aus Massentierhaltung zu sich nimmt, läuft Gefahr, deutlich mehr Omega-6-Fettsäuren aufzunehmen, als es der Gesundheit zuträglich ist.

Weniger Fastfood essen

Laut Empfehlung der deutschen Gesellschaft für Ernährung sollte das Verhältnis von Omega-6-Fettsäuren zu Omega-3-Fettsäuren unter 5:1 liegen. Tatsächlich liegt es in den westlichen Industrienationen, in denen Fastfood vor allem für junge Menschen zum Lifestyle gehört, bei 20:1. Deutschland steht mit 15:1 ein wenig besser da, aber in keinem Fall gut.

Die Zunahme chronisch entzündlicher Erkrankungen beruht also nicht nur auf der mangelhaften Versorgung mit EPA und DHA aus Fisch und Algen bzw. aus Fleisch- und Milchprodukten aus artgerechter Haltung. Sondern auch auf einem Zuviel an prozessierten Lebensmitteln und Fertiggerichten.

Die Supplementierung mit Omega-3-haltigen Ölen aus Fisch oder aus Algen ist eine Möglichkeit, dieses Ungleichgewicht auszugleichen. Darüber hinaus sollte man auf die Zufuhr Omega-6-haltiger Lebensmittel drastisch reduzieren.


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