Intoleranztests Kann man Unverträglichkeiten durch eine Haaranalyse nachweisen?
Die Versprechen von Laboren auf Social Media klingen toll: Einfach eine Haarsträhne einschicken und schon erfährt man gegen welche Lebensmittel, Pflanzen oder andere Stoffe man Unverträglichkeiten hat. Ist das medizinisch möglich?
Jeder kennt’s: Nach dem Essen zwickt es im Magen, der Bauch drückt. Ob wohl eine Unverträglichkeit dahintersteckt? Das sollen angeblich Haartests verraten. Im Internet bieten Labore eine scheinbar einfache Möglichkeit, um die Ursachen für Symptome wie Übelkeit, Blähbauch, Müdigkeit, Depressionen oder Kopfschmerzen herauszufinden. Einfach eine Haarsträhne einschicken und schon soll man Bescheid wissen.
Gesundheit! macht den Test
Um zu überprüfen, wie zuverlässig diese Analysen sind, haben die Testerinnen Alexandra und Anna für "Gesundheit!" Haare an je drei Labore geschickt. Sie haben sich für drei Haartests entschieden, die bei Google als gesponserte Anzeigen erscheinen, wenn man nach „Haartest“ und „Unverträglichkeit“ sucht:
• der „Unverträglichkeitstest Pro“ von Medicross Labs
• der „Intoleranztest ULTIMATIV“ von DE-Intoleranztest
• und der „Vollständige Empfindlichkeitstest“ von Check My Body Health
Alle Tests kosten rund 40 Euro. Als Kontrollprobe schickt Alexandra ihre Haare noch einmal unter einem anderen Namen an jeden Anbieter. Wird das Ergebnis identisch sein?
Das können Haare leisten
Haare bestehen wie unsere Nägel hauptsächlich aus Keratin und sind genau genommen Hornfäden. Sie enthalten weder Nerven noch Blutgefäße und sind totes Gewebe. Nachweisen lässt sich in ihnen zum Beispiel der Konsum von Medikamenten oder Drogen in der Vergangenheit. Haare wachsen pro Monat etwa einen Zentimeter. Daher liefert eine abgeschnittene Haarsträhne immer ein Bild der Vergangenheit – im Gegensatz zu einer Blutanalyse. Aus diesem Grund machen auch Haartests im Hinblick auf den Gesundheitszustand und die Versorgung mit Vitaminen und Mineralien nur begrenzt Sinn.
Methoden aus der Alternativmedizin
Zum Verfahren, wie die Firmen anhand von Haaren auf Unverträglichkeiten testen, geben sie unterschiedliche Erklärungen ab: Es handele sich um Bioresonanztests mit elektromagnetischen Wellen, um Quantenphysik-Maschinen.
"Bioresonanz und Quantenphysik-Maschinen – das ist etwas, was in der Wissenschaft heute noch nicht angekommen ist und was auch nicht evidenz-basiert ist."
Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Inhaberin Lehrstuhl für Umweltmedizin, Universität Augsburg
Die Methoden sind also nicht wissenschaftlich überprüfbar. Kommen trotzdem zuverlässige Ergebnisse heraus?
Widersprüchliche Ergebnisse
Je nach Anbieter hat es zwischen einer und drei Wochen gedauert bis die Antworten der Labore per Mail kamen:
Anna hat laut dem Test von Medicross Labs Unverträglichkeiten z. B. gegen Avocados, Erbsen, Roggen und vor allem Laktose. Der Test von Check my Body Health kommt teilweise zu einem anderen Ergebnis: Laktose und jegliche Milch sind auch hier als stark unverträglich angegeben, alle anderen Lebensmittel unterscheiden sich aber. Vom dritten Anbieter kam kein Ergebnis an.
Alexandra hat bei jedem Testanbieter ein anderes Ergebnis. Sie hat bei jedem Anbieter zwei Haarproben analysieren lassen - unter verschiedenem Namen. Besonders erstaunlich: Auch beim gleichen Anbieter sind die Ergebnisse ihrer Haare anders: Als Alexandra soll sie beim Obst auf Bananen, Birnen und Kirschen reagieren. Als Kathrin auf Blutorangen und blaue Trauben.
Beim nächsten Anbieter als Alexandra auf Feigen, Pflaumen und Stachelbeeren und unter dem Namen Kathrin Passionsfrucht und weiße Trauben. Beim dritten Labor einmal auf Wasserkastanien bzw. als Kathrin auf Äpfel und Limetten.
Was sagen die Testanbieter zu den unterschiedlichen Ergebnissen?
Gesundheit! konfrontiert die Testanbieter mit den unterschiedlichen Ergebnissen und bekommt nur Antwort von Check my Body Health.Zitat: „Für genaue Vergleiche sei es zwingend erforderlich, dass alle Variablen exakt gleich blieben. Die betreffenden Haarproben seien nicht exakt gleich gewesen und ein direkter Vergleich nicht möglich.“
Unverträglichkeiten richtig feststellen
Tipp: Wer meint, bestimmte Lebensmittel nicht zu vertagen, kann beginnen, ein Ernährungstagebuch zu führen. Darin notiert man täglich seinen Speiseplan und die Beschwerden, die auftreten. Ein Arzt oder eine Ärztin können bei der Diagnose helfen und etwa eine Laktose-Intoleranz oder eine Fruktose-Intoleranz durch einen Atemtest feststellen.