Ernährung Extra Proteine - wie sinnvoll sind sie?
Was früher nur bei Bodybuildern gefragt war, ist heute der Trend in Supermärkten: mit Protein angereicherte Lebensmittel. Immer mehr Brote, Joghurts oder Müslis enthalten eine Extraportion Eiweiß. Die soll Pfunde purzeln lassen und Muskeln aufbauen. Aber stimmt das wirklich? Ernährungsexpertin Jutta Löbert weiß, ob diese Lebensmittel halten, was sie versprechen.
Proteine sind wichtig für den Körper. Sie sind elementare Bausteine aller Organismen und beteiligt an zell- und muskelaufbauenden Prozessen. Proteine sind Transportsubstanzen für Nährstoffe und der Baustoff für Enzyme, Hormone, Gerinnungsfaktoren und Antikörper. Somit sind Proteine essentiell für die Blutgerinnung und die Immunabwehr.
Was passiert, wenn der Körper keine Proteine bekommt?
Wer über längere Zeit zu wenig Proteine zu sich nimmt, baut Muskelmasse ab, bei älteren Menschen erhöht sich das Risiko für Frakturen. Der Stoffwechsel gerät aus dem Gleichgewicht und auch die Körperzellen sind auf regelmäßige Proteinzufuhr angewiesen, da sie ständig erneuert werden. Entscheidend ist dabei nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität des Proteins.
Sind proteinangereicherte Lebensmittel also sinnvoll?
Der durchschnittliche Eiweißgehalt von angereicherten Lebensmitteln beträgt 8,7 g pro 100 g, Magerquark zum Beispiel enthält schon 12 g pro 100 g. Zudem enthalten viele proteinangereicherte Produkte künstliche Süßungsmittel und weitere Zusatzstoffe wie Verdickungsmittel und Stabilisatoren. Durch spezielle Eiweißdrinks wird schnell ein hoher Zucker- und Kaloriengehalt aufgenommen. Auch sind die angereicherten Durchschnittsprodukte dreimal so teuer wie beispielsweise Magerquark.
Der Proteinbedarf eines Erwachsenen und selbst der leicht erhöhte Bedarf im Alter kann durch eine normale, ausgewogene Ernährung abgedeckt werden. In der Regel bietet der Griff zu proteinangereicherten Lebensmitteln oder Präparaten keine Vorteile.
Kann eine Ernährung mit proteinangereicherten Lebensmitteln trotzdem sinnvoll sein?
Bei folgenden speziellen Bedürfnissen kann dies sinnvoll sein
- vermindertes Hungergefühl
- einseitige Essgewohnheiten
- Verdauungsprobleme im Alter
- Kau- oder Schluckprobleme (hier sind eine eiweißreiche Trinknahrung oder eiweißreiche Shakes sinnvoll)
Achten Sie aber darauf, dass möglichst wenig Zucker und Zusatzstoffe enthalten sind.
Gut zu wissen
Der Körper verwendet immer nur so viel Eiweiß, wie er gerade braucht. Die überschüssigen Aminosäuren aus Protein-Lebensmitteln werden in Kohlenhydrate oder Fett umgewandelt. Wer also mehr Eiweiß isst, als er benötigt, läuft Gefahr, Speck anzusetzen.
Kann zu viel Protein schaden?
Es gibt noch keine ausreichenden Daten, was eine zu hohe Proteinzufuhr bei gesunden Erwachsenen bedeutet. Da generell negative Wirkungen bei einer überhöhten Proteinzufuhr nicht ausgeschlossen werden können, werden folgende Referenzwerte empfohlen:
- 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Bei einer 70 Kilogramm schweren Person entspricht das einer Eiweißmenge von 56 Gramm am Tag.
- Ab 65 Jahren: 1 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Der erhöhte Bedarf soll altersbedingtem Muskelschwund entgegenwirken.
Die Folgen einer zu proteinreichen Ernährung
- Das Risiko für Übergewicht ist bei Kindern erhöht, wenn in der Schwangerschaft zu viel Protein aufgenommen wurde.
- Zu viel Protein über Säuglingsmilchnahrung kann die Nieren der Säuglinge vergrößern (weitere Folgen sind noch ungeklärt).
- Bei Erwachsenen mit eingeschränkter Nierenfunktion kann zu viel Protein zu einer weiteren Verschlechterung der Nierenfunktion führen.
- Eine hochdosierte Zufuhr einzelner Aminosäuren in Form von Präparaten kann zu einem Ungleichgewicht im Aminosäurenstoffwechsel führen. Die Folgen sind eine Unterversorgung mit anderen Aminosäuren und/oder neurologische Störungen.
Achtung
Wer sich proteinreich ernähren möchte, sollte bei Verdacht oder bei Vorliegen einer Nierenfunktionsstörung die Niere vorab ärztlich untersuchen lassen. Als Abbauprodukt des Proteinstoffwechsels wird verstärkt Harnstoff gebildet, was die Niere belastet.
Brauchen Sportler nicht besonders viel Protein?
Für erwachsene Breitensportler gibt es keine gesonderte Empfehlung. Wer vier bis fünf Mal pro Woche etwa 30 Minuten bei mittlerer Intensität körperlich aktiv ist, für den sind die empfohlenen 0,8 g/kg bzw. über 65 Jahre 1g/kg ausreichend.
Bei Leistungssportlern, die mindestens fünf Stunden pro Woche trainieren, kann eine angepasste Proteinzufuhr das Training unterstützen und die Leistungsbereitschaft fördern. Allerdings: über die Menge, die Proteinquelle, die Aminosäurezusammensetzung und den Zeitpunkt der Zufuhr wird kontrovers diskutiert. Die Empfehlung sind maximal 1,2 bis 2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, über den Tag verteilt, im Rahmen von Mahlzeiten, nicht als Nahrungsergänzung. Eine Mischung verschiedener Proteinquellen mit unterschiedlicher Zusammensetzung ist nach aktuellen Erkenntnissen die beste Wahl.
Lebensmittel für eine gute Proteinversorgung
- Milchprodukte, insbesondere fettarmerQuark und Hartkäse
- Mageres Fleisch, beispielsweise Geflügel
- Fisch
- Eier
- Getreide
- Hülsenfrüchte wie Linsen, Erbsen, Bohnen
- Nüsse und Samen
Wie lässt sich das Protein in Lebensmitteln besser verwerten?
Kombinieren Sie pflanzliches und tierisches Protein, zum Beispiel Kartoffeln mit Ei, Getreide mit Milch oder Vollkornbrot mit Käse. Die Proteinverwertung bei diesen Kombinationen ist sogar besser als bei Fleisch. So können sich auch Vegetarier und vegetarisch lebende ältere Menschen ausreichend mit Protein versorgen. Außerdem:
- Mit flüssigen Proteinquellen werden die Eiweißbausteine schneller aufgenommen, beispielsweise mit fettarmer Milch.
- Milch und Milchmischgetränke sollten von sportlich Aktiven besser nach als während dem Sport getrunken werden, weil sich der "gefüllte Magen" leistungshemmend auswirken kann.
- Bei Proteinkonzentraten besteht womöglich das Risiko von Verunreinigungen, zum Beispiel mit Prohormonen.
- Produkte mit einzelnen Aminosäuren sind für eine gesunde Eiweißversorgung nicht hilfreich und können die Aufnahme von anderen Aminosäuren im Körper blockieren.
Fazit
Proteinangereicherte Lebensmittel sind bei einer ausgewogenen Ernährung nicht notwendig, sie enthalten meist viele Zusatzstoffe und sind deutlich teurer als die guten Alternativen wie Speisequark & Co. Zusätzliches Protein ist selbst für Sportler im Leistungsbereich oder für Veganer überflüssig, wenn sie sich wohlüberlegt mit normalen eiweißreichen Lebensmitteln ernähren.
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist grundsätzlich wichtig. Auch, um den anfallenden Harnstoff bei einer eiweißreichen Ernährung mit dem Urin ausscheiden zu können.