Ludwig Erhard Vater der sozialen Marktwirtschaft und des "Wirtschaftswunders"
Ludwig Erhard, der Mann mit der Zigarre, gilt vielen als der Vater der sozialen Marktwirtschaft und des "deutschen Wirtschaftswunders". Der gebürtige Fürther war als Bundeswirtschaftsminister erfolgreich, als Bundeskanzler jedoch glücklos. Ein Rückblick.
Die Zigarre war sein Markenzeichen: Ludwig Erhard prägte wie kein Zweiter die deutsche Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Reformen leiteten das "deutsche Wirtschaftswunder" ein, als Bundeswirtschaftsminister machte er die soziale Marktwirtschaft zur Grundlage der jungen Republik. Doch der Erfolg Erhards war ihm nicht in die Wiege gelegt.
Aus armen Verhältnissen zum Direktor
Erhard wurde in Fürth geboren, als Sohn eines Weißwarengeschäftsbesitzers. Als Kind erkrankte er an Kinderlähmung, sein rechter Fuß blieb deformiert. In Nürnberg studierte er an der Handelshochschule, die er später auch leitete. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Erhard 1948 zum Direktor der Verwaltung für Wirtschaft in der britisch-amerikanischen Bizone gewählt und hatte damit großen Einfluss auf die geplante Währungsreform der Alliierten, die die Reichsmark durch die D-Mark ersetzten wollten.
Die Grundlage fürs Wirtschaftswachstum
Doch dem Wirtschaftsexperten Erhard reichte das nicht. Er wollte auch die Planwirtschaft abschaffen und die staatlichen Eingriffe reduzieren. Die deutsche Wirtschaft lag nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden, in den Läden gab es nichts zu kaufen, der Schwarzmarkt blühte. Eine Währungsreform allein würde das nicht ändern. Und so arbeitete Erhard an den Alliierten vorbei an seinem Coup. Ein Tag bevor die D-Mark eingeführt werden sollte, ließ Erhard im Radio verkünden, dass die Zwangsbewirtschaftung aufgehoben wird und die Preise freigegeben werden. Der Markt war frei, der Wettbewerb konnte beginnen, ein Grundstein für das spätere "Wirtschaftswunder" war gelegt.
"Ich wusste, ich musste mit List und Tücke vorgehen, denn weder auf deutscher Seite noch auf alliierter Seite – das war mir völlig klar – hätte ich für meine Gedanken Verständnis erhalten."
Ludwig Erhard im Rückblick
Doch zunächst hatte Erhard keinen Erfolg. Die Regale in den Läden füllten sich, aber die Preise waren derart stark gestiegen, dass sich die Menschen nichts leisten konnten. Die Unzufriedenheit war so groß, dass die Gewerkschaften zum Generalstreik aufriefen – gegen den "Verrückten" aus Fürth. Doch das Blatt wendete sich, das Wirtschaftswachstum setzte Anfang der 1950er ein. Die Menschen konnten sich dank gestiegener Löhne etwas leisten – das "deutsche Wirtschaftswunder" setzte ein.
Soziale Marktwirtschaft: "Wohlstand für alle"
Die Währungsreform und sein geschickter Coup waren aber erst der Anfang. Erhard, der 1949 Bundeswirtschaftsminister unter Konrad Adenauer wurde, wollte seine Vorstellung einer sozialen Marktwirtschaft durchsetzen.
"Im Grund genommen hat niemand so recht an die Möglichkeit einer freien Lebensordnung oder sozialen Marktwirtschaft gedacht. Alle waren so völlig down, dass man gesagt hat: Lasst den verrückten Erhard auch noch sein Experiment machen, schlimmer kann es ja nicht werden."
Ludwig Erhard im Rückblick
Erhard war früh Anhänger des sogenannten Ordoliberalismus. Demnach soll sich der Staat aus dem wirtschaftlichen Wettbewerb heraushalten und lediglich die politische Rahmenordnung liefern und beispielsweise Monopole und Kartelle verhindern. Erhard fügte dem wirtschaftspolitischen Teil des Ordoliberalismus noch die soziale Komponente hinzu. Der Staat habe die soziale Fürsorge für die Menschen zu tragen, die nicht am wirtschaftlichen Handeln teilnehmen können. Erhards Motto: So wenig Staat wie möglich, so viel Soziales wie nötig. Seine Gedanken fasste er im Buch "Wohlstand für Alle", das 1957 erschien, zusammen. Erhard wurde zum beliebtesten Politiker seiner Zeit.
Streit zwischen Adenauer und Erhard
Der größte Widersacher Erhards blieb Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU). Zwischen den beiden kam es immer wieder zu erbitterten Streitigkeiten. So lehnte Erhard die Einführung der umlagenfinanzierten, dynamischen Rente ab. Der Bundeswirtschaftsminister warnte, dass sie nicht zukunftsfähig sei. Trotzdem setzte Adenauer die Rente angeblich mit dem bekannten Ausspruch "Kinder kriegen die Leute sowieso" durch. Adenauer versuchte Erhard auch als Bundeskanzler zu verhindern – erfolglos.
Erhard als Bundeskanzler
Nach dem Rücktritt Adenauers wurde Erhard am 16. Oktober 1963 vom Bundestag zum neuen Kanzler gewählt. Er versprach einen neuen Politikstil. Doch seine Kanzlerschaft hinterlässt nur wenige Spuren. Am Ende stolperte der Vater des "Wirtschaftswunders" über die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. Eine Rezession setzte ein, die Arbeitslosigkeit stieg. Als er trotzdem die Steuern erhöhen wollte, traten die Minister des Koalitionspartners FDP zurück. Kurzzeitig musste Erhard eine Minderheitenregierung bilden. Am 1. Dezember 1966 gab Erhard sein Amt als Bundeskanzler auf. Sein Nachfolger wurde Kurt Georg Kiesinger.
Gedenken an Erhard
Erhard blieb bis ins hohe Alter Abgeordneter im Deutschen Parlament. Am 5. Mai 1977 starb er an Herzversagen. Bis heute wird an vielen Orten an den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister und Bundeskanzler erinnert. In seiner Geburtsstadt Fürth wird am 18. Mai das Ludwig-Erhard-Zentrum eingeweiht, das sich mit seinem Leben und Wirken auseinandersetzt.