Als sich Karl-Friedrich Beringer 1977 in Windsbach bewirbt, muss er sich "nur" gegen eine Handvoll Konkurrenten durchsetzen. Für Beringers Nachfolge schreiben im Jahre 2010 nicht weniger als 49 Interessenten eine Bewerbung an die Leitung des Knabenchores. Drei kommen in die nähere Auswahl, am Ende entscheiden sich die Verantwortlichen für Martin Lehmann. Am 1. Februar 2012 wird er offiziell die künstlerische Leitung des Windsbacher Knabenchors übernehmen.Die erste Hürde hat der Neue damit schon genommen – nun muss er sich als Künstlerischer Leiter der Windsbacher behaupten.

Martin Lehmann kommt 1973 in der Kleinstadt Malchin im heutigen Landkreis Mecklenburgische Seenplatte zur Welt. Kindheit und Jugend verbringt er allerdings in Dresden. Wie Hans Thamm, der Gründer des Windsbacher Knabenchors, wird Lehmann Kruzianer, wie die Sänger des Dresdner Kreuzchores genannt werden. Von 1983 bis 1992 singt er in dem traditionsreichen Chor, der zu den ältesten seiner Art in Europa zählt. Mit 22 Jahren gründet er gemeinsam mit Freunden den Kammerchor cantamus dresden. Eine bemerkenswerte Parallele zu Karl-Friedrich Beringers Biografie, der ebenfalls als 22-Jähriger – allerdings im Alleingang – den Amadeus-Chor in Neuendettelsau gründete.

Ab 1995 studiert Lehmann an der Musikhochschule "Carl Maria von Weber" in Dresden Musikwissenschaft, anschließend Chorleitung bei Professor Hans-Christoph Rademann, dem Leiter des Dresdner Kammerchors. Diesem Ensemble gehört er zunächst als Mitglied, später als Künstlerischer Assistent des Chores an. Daraufhin leitet Lehmann vier Jahre lang den Kinder- und Jugendchor der Stadt Leipzig, ehe er 2005 als Musikalischer Leiter zur Wuppertaler Kurrende geht, dem ältesten Knabenchor der evangelischen Kirche im Rheinland. Seit 2008 ist er Musikalischer Leiter des Wuppertaler Kammerchores amici del canto.

Thomas Miederer, der Internatsleiter an der Schule des Windsbacher Knabenchors, hat Lehmann in der Probenwoche mit den Sängern als " klar, konsequent und sehr ruhig" erlebt. "Martin Lehmann kann erkennbar nicht nur dirigieren, sondern er hat eine Klangvorstellung und er hat eine Vorstellung davon, wie die Kinder das mit ihrer Stimme technisch umsetzen können, was er musikalisch von Ihnen will", so Miederer weiter.

Lehmann wird mit Frau und Kindern aus dem Bergischen Land an seine zukünftige Wirkungsstätte ziehen. Wann er musikalisch endgültig in Windsbach ankommt, muss sich freilich noch zeigen. Der Chor ist über Jahrzehnte vom Stil Beringers geprägt, einem ganz anderen Charakter als Lehmann. Die Windsbacher befinden sich zum ersten Mal seit langem in einer Übergangszeit. Die könnte, so Kenner des Chores, Monate, wenn nicht Jahre dauern.