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Zeitstrahl 150 Jahre SPD: Alles Gute, alte Tante!

Geboren 1863: Verglichen damit sieht selbst die CSU mit ihren 68 Jahren ganz schön jung aus. Die SPD hat eine Revolution, zwei Weltkriege, fünf Regierungssysteme miterlebt und einiges auch mitgestaltet. Ein Rückblick.

Stand: 11.05.2013

  • 1848
    Zeitgenössischer Stich vom Zeughaus-Sturm in München am 4. März 1848 | Bild: picture-alliance/dpa

    Höhepunkt der Revolution in München: Sturm auf das Zeughaus (heute Stadtmuseum)

    1848

    Vorspiel: Eine Revolution fast ohne Arbeiter

    Revolution! In fast allen deutschen Staaten kommt es 1848 zu Unruhen. Es geht um Wahlrecht und Pressefreiheit, das Recht, sich zu versammeln und auf der Straße zu rauchen, in Bayern auch um des Königs Mätresse: Zu viel für nur eine Revolution. Deutschlands erster Anlauf zur Demokratie scheitert - auch, weil die Bürger als Hauptakteure nicht recht wissen, ob sie gemeinsam mit der neuen Klasse, für sie oder doch eher gegen sie demonstrieren. Die Idee einer Arbeitervertretung aber ist in der Welt und wirkt weiter.

  • 1863
    Maffei'sche Maschinenfabrik Hirschau, um 1860 | Bild: SZ Photo / Süddeutsche Zeitung Photo

    Die Maschinenfabrik Maffei in der Hirschau bei München

    1863

    Eine Bewegung, die aus den Maschinen kommt

    Dampfmaschinen! Webstühle! Lokomotiven! Noch eine Revolution: der industrielle Fortschritt. Sein Preis: Aus Handwerkern werden Proletarier, die inmitten von Dreck, Lärm und gefährlichen Maschinen weitgehend rechtlos über 12 Stunden am Tag und sechs Tage in der Woche die Fabriken am Laufen halten. Berlin und Sachsen - in Bayern die Städte München, Augsburg und Teile Frankens - sind Zentren der Produktion. Am 23. Mai 1863 rufen in Leipzig Delegierte aus elf Orten den "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" (ADAV) ins Leben. Wichtigste Ziele: Kampf der Ausbeutung und ein neues Wahlrecht.

  • 1878
    Otto von Bismarck | Bild: picture-alliance/dpa

    Der "eiserne Kanzler" Otto von Bismarck

    1878

    Der Arbeiter als Staatsfeind

    Den Kurs bestimmen bürgerliche Philosophen: Karl Marx predigt den Arbeitern die Revolution, Ferdinand Lassalle Reformen. 1875 finden die Strömungen in der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAPD, ab 1890 SPD) zusammen. Ihr Kopf, der Drechsler August Bebel, ist populär: für seine Anhänger ist er "Arbeiterkaiser", Dem Establishment bereitet er Alpträume. 1878 nutzt Reichskanzler Bismarck zwei ungeklärte Attentate auf Wilhelm I., um die SPD zu verbieten und ihre Anhänger zu verfolgen. Zugleich versucht er, den Arbeiterführern durch Einführung der Sozialversicherung Wind aus den Segeln zu nehmen.

  • 1892

    1892

    Rot-weißblau: Die SPD kommt nach Bayern

    Den Aufstieg der SPD kann Bismarck weder mit Zuckerbrot noch mit der Peitsche stoppen. Zwei Jahre nach Aufhebung des Parteiverbots ist die Arbeiterbewegung auch in Bayern daheim. Am 8. Juli 1892 versammelt Georg von Vollmar seine Genossen im Gasthaus Schrödel im Regensburger Vorort Reinhausen. Eigentlich hatte man sich in Regensburg treffen wollen; das aber hatte Oberbürgermeister Oskar von Stobäus, ein echter "Sozenfresser" verhindert. 1893 sitzen die ersten fünf Sozialdemokraten im bayerischen Landtag.

    Quelle: Video 120 Jahre SPD in Bayern ("Kontrovers", 16.7.2012)

  • 1912
    Arbeiterinnen in einem Kabelwerk, 1895 | Bild: Scherl / Süddeutsche Zeitung Photo

    Arbeiterinnen in einer Kabelfabrik

    1912

    Stärkste Kraft - ohne Effekt

    Was dann kommt, nennt der Soziologe Ralf Dahrendorf "das sozialdemokratische Jahrhundert". Im Reichstag stellt die SPD 1912 die stärkste Fraktion; im bayerischen Landtag gewinnt sie im Bündnis mit Liberalen und Bauernbund die Mehrheit der Stimmen, bleibt aber aufgrund des Wahlrechts in der Opposition. Verbessert sich die Lage der Arbeiter? Dürfen Frauen jetzt wählen? Nach Beginn des Weltkriegs - den zunächst auch die SPD begrüßt - sind die Wahlerfolge Makulatur. Die großen Fragen der Politik werden nicht durch die Parlamente entschieden, sondern an den Kartentischen der Obersten Heeresleitung.

  • 1918
    Revolution 1919 in München | Bild: picture-alliance/dpa

    Revolutionäre in der Münchner Sonnenstraße

    1918

    Die Spaltung der Bewegung

    Als der Krieg an der Front endlich vorbei ist, beginnt ein Bruderkrieg unter den Arbeitern. Schon 1917 hat sich von der Mehrheits-SPD, die Kriegskredite mitträgt, die pazifistische USPD abgespalten. Jetzt stehen Radikale gegen Moderate, Anhänger des russischen Rätesystems gegen Unterstützer des Parlamentarismus. Die Feindschaften, die dabei entstehen, sind eine Hypothek für die Weimarer Republik und den Freistaat Bayern und stärken ihre Feinde von rechts. Dabei verwirklicht die neue Verfassung viele Träume der Arbeiterbewegung von Frauenwahlrecht bis Acht-Stunden-Tag und Mitbestimmung.

  • 1933
    Otto Wels | Bild: picture-alliance/dpa

    Otto Wels

    1933

    Die Stern- und Ohnmachtsstunde der Sozialdemokratie

    Gescheitert: Auch die gespaltene Linke kann den Aufstieg und die Machtergreifung Hitlers nicht verhindern, obwohl sie Anfang 1933 etwa in Nürnberg nochmal zehntausende Demokraten auf die Straße bringt. Am 23. März stimmt die SPD im Reichstag als einzige Partei geschlossen gegen das sogenannte Ermächtigungsgesetz, das die Republik den Nazis ausliefert. Die letzte freie Rede hält der Abgeordnete Otto Wels: "Freiheit und Leben kann man uns nehmen - die Ehre nicht". Danach werden viele Sozialdemokraten - wie zuvor schon Kommunisten - verhaftet, gefoltert oder ins Exil getrieben.

  • 1948

    1948

    "Angesichts des Trümmerfeldes..."

    So beginnt die 1948 in Kraft getretene Bayerische Verfassung. Große Teile davon hat ein bayerischer Sozialdemokrat schon Jahre zuvor im Schweizer Exil formuliert: Wilhelm Hoegner. 1945 haben ihn die Amerikaner als Ministerpräsident eingesetzt. Nach den Wahlen 1946 ist er unter CSU-Regierungschef Hans Ehard Minister - bevor er ab 1954 für knapp drei Jahre zum bisher letzten Mal eine sozialdemokratische Regierung in Bayern führt.

    Quelle: Videoporträt des Bayerischen Fernsehens zum 65. Jahrestag der Verfassung.

  • 1959
    Godesberger SPD-Parteitag 1959 | Bild: picture-alliance/dpa

    Godesberg bei Bonn 1959. Das Plakat trägt den Slogan "Geh mit der Zeit geh mit der SPD"

    1959

    Markt statt Marx: Das Godesberger Programm

    So hatten die Sozialdemokraten sich das im Exil nicht vorgestellt: Nach 1949 stiehlt eine Newcomerin im politischen Geschäft der alten Tante SPD die Schau. Die CDU mit Adenauer und Erhard gilt den Deutschen als Partei des Wirtschaftswunders. Auf dem Parteitag 1959 vollzieht die SPD nach, was die Konkurrenz mit dem Umbau des katholischen Zentrums zum überkonfessionellen, liberal-konservativen Sammelbecken vorgemacht hat. Ihre Wendung vom Marxismus zur Marktwirtschaft macht die Arbeiter- zur Arbeitnehmerpartei. Zur Volkspartei fehlt noch ein charismatischer Kopf. Den findet die Partei in Berlin.

  • 1969

    1969

    "Willy wählen!"

    Erstmals seit fast vier Jahrzehnten stellt die SPD wieder den Kanzler. Willy Brandt - seit 1957 Regierender Bürgermeister von Berlin, seit 1966 Außenminister einer Großen Koalition - hat im Wahlkampf beispiellose Anfeindungen und noch mehr Unterstützung vor allem durch junge Leute und Intellektuelle erfahren. Nach der "Keine Experimente"-Zeit Adenauers setzt Brandt neue Akzente: "Wir schaffen das moderne Deutschland" lautet der zentrale Wahlkampfslogan, die Regierungserklärung steht unter dem Motto "Wir wollen mehr Demokratie wagen."

    Quelle: "Willy Brandt. Der charismatische Melancholiker". Audioporträt von Rainer Volk

  • 1972

    1972

    Aufbruchsjahre

    Es sind bewegte und bewegende Zeiten. Im Oktober 1970 wird Willy Brandt bei einem Besuch in Erfurt für seine neue Ostpolitik gefeiert, im Dezember geht sein Kniefall am Mahmal im Warschauer Ghetto um die Welt. 1971 erhält Brandt den Friedensnobelpreis. 1972 ist für die SPD ein Jahr der Ernte. Bei den Olympischen Spielen erscheinen Brandt, der neue Münchner Oberbürgermeister Georg Kronawitter und sein Vorgänger Hans-Jochen Vogel weltweit auf den Bildschirmen. Bei der Bundestagswahl im November wird die SPD mit 45,8 Prozent zum ersten und bis 1998 einzigen Mal stärkste Fraktion.

    Quelle: Audio "Der Bundeskanzler mit dem Kniefall". Von Rainer Volk

  • 1974

    1974

    Ein Spion im Kanzleramt

    Der 24. April 1974 ist für Willy-Wähler, was der Attentatstag 5. Sptember 1972 für die Olympiafans war. Günther Guillaume, persönlicher Referent des Kanzlers, wird als DDR-Spion verhaftet. Am 6. Mai tritt der bis heute beliebteste Kanzler der SPD zurück - auf Druck der Medien und seiner eigenen Fraktion. Sein Nachfolger im Kanzleramt wird der bisherige Finanzminister Helmut Schmidt. Wie unvermeidlich der Rücktritt war und welche Rolle Fraktionschef Herbert Wehner dabei spielte, ist weiter umstritten.

    Quelle: Bayern 1 Audio "Neun vor Neun - der Tag"

  • 1977

    1977

    Der Krisenmanager

    Helmut Schmidt strahlt als Kanzler Kompetenz und Kultur aus, es fehlen ihm Fortüne und ein welthistorischer Moment. Dabei hat er einen großen Auftritt schon 1962 als Hamburger "Sturmflutbürgermeister". Auch seine Kanzlerschaft ist von Stürmen geprägt: Ölkrise, Wirtschaftskrise, RAF-Terror. 1977 trägt er mit Umsicht dazu bei, die Entführung des Lufthansa-Jets Landshuts unblutig zu beenden. Bei Atomkraft und Nachrüstungsstreit hat er Teile der SPD gegen sich. Die finale Krise brockt ihm der Koalitionspartner ein: Die FDP fühlt sich 1982 bei der Konkurrenz besser aufgehoben und geht von Bord.

    Quelle: Videoporträt "Münchner Runde": Helmut Schmidt - Vom Krisenmanager zum Welterklärer

  • 1982

    1982

    16 Jahre fern der Macht

    Wer sich 1982 freut, zum ersten Mal wählen zu dürfen, und sein Kreuz bei der SPD setzt, hat frustrierende Jahre vor sich. Auch wenn Helmut Kohl zu Anfang viel Spott auf sich zieht - mit moderater Sozialpolitik demobilisiert der Mann mit der Strickjacke die Wähler der SPD und bucht 1989 die Wiedervereinigung auf sein Konto. Unterdessen schmilzt der Wandel in der Arbeitswelt den Sozialdemokraten die Basis ab und mit den Grünen wächst im eigenen Lager neue Konkurrenz. Als Kohl-Herausforderer scheitern: 1982 Hans-Jochen Vogel, 1986 Johannes Rau, 1990 Oskar Lafontaine, 1994 Rudolf Scharping.

    Quelle: Bayern 2 Audio: Helmut Kohl wird zum Kanzler gewählt

  • 1998

    1998

    "Ich will hier rein"

    Und dann klappt es doch noch. Helmut Kohl hat es versäumt, einen Nachfolger in Stellung zu bringen. 1998 hat die Mehrheit ihn satt und wählt etwas ganz Neues: eine rotgrüne Regierung. Die führenden Köpfe sind der grüne Außenminister Josef "Joschka" Fischer und "Gerd" Schröder, der kurz zuvor kamerawirksam am Zaun des Kanzleramts gerüttelt hat. Schröder inszeniert sich als Kanzler für alle - ein jovialer Biertrinker aus kleinen Verhältnissen, Genosse der Bosse und selbstbewusster Staatsmann, der Deutschland aus dem Irakkrieg heraushält. Trotz regierungsinterner Querelen hat er zunächst Erfolg.

    Quelle: Videoporträt "Münchner Runde": Gerhard Schröder. Ein politisches Alpha-Tier

  • 2003

    2003

    Der Wendepunkt: Die Agenda 2010

    Die weltweite Abkühlung der Konjunktur erwischt auch Deutschland kalt: Die Arbeitslosenzahl steigt, der Wohlstand sinkt. Der frisch wiedergewählte Kanzler Schröder wagt eine Reform, die den Bürgern mehr zumutet als die christlich-liberale Regierung in 16 Jahren zuvor. Leistungskürzungen, weniger Kündigungsschutz, Praxisgebühr, Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Vor allem Letzteres sorgt für Protest auch in der SPD: Was Schröder Modernisierung und Agenda 2010 nennt, heißt bei den Gegnern sozialer Kahlschlag oder - nach einem an der Reform beteiligten VW-Manager - kurz "Hartz".

    Quelle: Audio: Achim Wendler in der Bayern 2 radioWelt

  • 2005

    2005

    Schröder geht, Hartz bleibt

    Die "alternativlose" Politik des Kanzlers hat die deutsche Linke ein weiteres Mal tief gespalten. Der bereits 1999 im Streit aus Schröders Kabinett geschiedene frühere SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine gründet 2004 seine "Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit", die 2007 mit der ostdeutschen PDS zur Linkspartei fusioniert. 2005 erwirkt Schröder vorzeitige Neuwahlen. Ergebnis: Die SPD verliert 4,3 Prozent, die PDS gewinnt 4,7 Prozent dazu. Und Deutschland hat zum ersten Mal eine Kanzlerin: Die CDU-Kandidatin Angela Merkel.

    Quelle: Audio: Anita Fünffinger in der Bayern 2 radioWelt

  • 2009
    Augen von Angela Merkel | Bild: Michael Sohn/AP/dapd

    2009

    Partei im Sinkflug

    Die Juniorpartnerschaft in der Großen Koalition tut der SPD diesmal nicht gut. Zum nachwirkenden Ärger über die Agenda 2010 kommt der Frust über gebrochene Wahlversprechen. Beispiel Mehrwertsteuer: 2005 hatte die SPD die von der Union geforderte Erhöhung auf 18 Prozent als „Merkelsteuer“ gebrandmarkt, 2007 nickt sie einen Anstieg auf 19 Prozent ab. Nur knapp darüber liegt 2009 ihr Wahlergebnis: 23 Prozent - seit 1998 hat sich die SPD nahezu halbiert. "20+x"-Ergebnisse musste die Partei früher nur in Bayern einstecken. Dort hat sie nach der Landtagswahl 2008 noch 18,8 Prozent.

  • 2012

    2012

    Neustart mit alten Bekannten

    Am 15. September 2013 sind Landtagswahlen in Bayern, am 22. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Ein Superwahljahr - auch ein super Wahljahr für die SPD? Früher als geplant beendet die Bundespartei ihre Kandidatensuche: Parteichef Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier, der gescheiterte Spitzenkandidat 2009, lassen Angela Merkels Finanzminister Peer Steinbrück den Vortritt. Der stellt sofort klar, dass er keine Neuauflage der Großen Koalition anstrebt. Die Genossen im Freistaat heben mit dem Münchner OB Christian Ude ihren seit Jahren populärsten Mann aufs Schild.

    Quelle: Video: Roderich Wickert in der Rundschau

  • 2013

    2013

    Agenda 2013: Zurück an die Macht

    Das Wahljahr beginnt mit Rückschlägen: Peer Steinbrücks Redehonorare erregen mehr Aufsehen als das Wahlprogramm, seine Vorliebe für "klare Kante" bringt ihm den Spottnamen "Problem-Peer" ein. In Bayern verpufft Udes Initialzündung. Dann verbessert ausgerechnet die Ankündigung von Steuererhöhungen die Umfragewerte, und in Bayern lenkt zum Landesparteitag im Mai eine CSU-Affäre neues Wasser auf die Mühlen der SPD. Wie sagte SPD-Gründer August Bebel? "Um schwimmen zu lernen, muß ich ins Wasser, sonst lerne ich nichts." Ob der 150. Geburtstag als Geschenk die Regierungsmacht bringt?

    Quelle: Audio: Eva Lell, B 5 aktuell


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