Kriegsende 1945 | Befreiung Bayerns (7) Bad Reichenhall - Stunden der Entscheidung
Nürnberg und München sind bereits in amerikanischer Hand, doch noch immer verteidigen Teile von SA und SS fanatisch die sogenannte Alpenfestung. In der Nacht vom 3. auf den 4. Mai beschließen führende zivile Köpfe die Kapitulation Bad Reichenhalls - zusammen mit Wehrmacht-Offizieren.
Nürnberg am 20. April 1945 in amerikanischer Hand, München am 30. April oder der Obersalzberg am 4. Mai - die Orte wurden mit Waffengewalt erobert oder kampflos übergeben. Doch wie funktionierte eine solche Übergabe? Schließlich gab es in den seltensten Fällen eine lokale Bevölkerung mit einheitlichem politischen Willen. Im Gegenteil: das Spektrum umfasste den Hitler-Fanaten ebenso wie den Pragmatiker. Oft entschied sich innerhalb weniger Stunden, ob die Stimmen der Vernunft die Oberhand gewannen oder sich sturer Kadavergehorsam durchsetzte - und damit in den letzten Kriegstagen weiter Blut vergossen wurde.
Vorbereitungen zur Übergabe
Beispiel Bad Reichenhall: Dort befinden sich in den letzten Kriegstagen noch Soldaten aller Truppengattungen, auch SS-Einheiten und Angehörige des Volkssturms. Einige davon klammern sich noch immer an die fixe Idee des Widerstands in der "Alpenfestung". Führende Mitglieder der Zivilbevölkerung sehen dagegen der Realität ins Auge und wissen: Der Krieg ist vorbei. Nachdem bereits ganz Bayern besetzt ist, soll es ihrem Willen nach nicht so weit kommen, dass Bad Reichenhall wegen Nazi-Verbohrtheit weitere Todesopfer zu beklagen hat.
Kapitulationsbeschluss
In der Nacht vom 3. auf den 4. Mai beschließen unter anderem der Bürgermeister, ein leitender Arzt, ein Hotelier und ein Bankdirektor zusammen mit Wehrmachtsoffizieren die Kapitulation der Stadt. Sie nehmen Kontakt zu versprengten Widerstandsnestern der SS sowie der Hitler-Jugend auf und fordern sie zum Abzug aus Bad Reichenhall auf. Dabei beschwören sie die Gefahr, dass durch etwaige Kampfhandlungen auch viele von den tausenden Verwundeten umkommen könnten, die sich gerade in der Lazarettstadt befinden. Mit Erfolg: Die SS zieht ab.
Weiße Beflaggung
Das Reichenhaller "Kapitulations-Komitee" lässt sofort Plakate kleben, um die Bevölkerung zur Ruhe zu mahnen und ordnet das Aushängen von weißen Flaggen an. Am 4. Mai wird die Stadt offiziell an die amerikanische Besatzungsmacht übergeben - ohne dass ein einziger Schuss fällt.
Aufham: Widerstand gegen Kapitulation
Eine Gratwanderung, die nicht immer so glimpflich endete: Am selben Tag reichen die Überredungskünste des Bürgermeisters von Aufham - einer kleinen Gemeinde nahe Reichenhall - nicht aus, um die SS zum Abzug zu bewegen. Sie besteht auf der Verteidigung gegen die vorrückenden Amerikaner. Dem Bürgermeister bleibt nichts anderes übrig, als die Einwohner teilweise evakuieren zu lassen. In jedem der geräumten Häuser muss allerdings ein Mann zurückbleiben, um im Fall eines Brandes sofort Löschmaßnahmen einleiten zu können. Im anschließenden Gefecht hat die SS keine Chance gegen die US-Panzer. Aufham wird an die Amerikaner übergeben, aber ein Toter ist aufgrund der Schießerei dennoch zu beklagen: Ein 26-jähriger Aufhamer auf Heimaturlaub ist vom Splitter eines Panzergeschosses tödlich getroffen worden.
Schneizlreuth: Letzte Gefechte in Bayern
Einige Hitler-Ergebene wollen selbst nach dem 4. Mai, als die Amerikaner bereits den gesamten Landkreis Berchtesgaden erobert haben, weiterkämpfen. In der kleinen Gemeinde Schneizlreuth - zwischen Bad Reichenhall und Lofer - verschanzen sich noch am 5. Mai Wehrmachtssoldaten, von der SS zum Halten der Stellung gezwungen. Gegen Mittag machen amerikanische und französische Soldaten auch dort nach einem kurzen Schusswechsel dem Spuk ein Ende. Dabei sterben noch zwei deutsche Wehrmachtssoldaten und ein französischer Soldat. Es waren vermutlich die letzten Gefechte des Zweiten Weltkriegs in Bayern.
Zwischen dem 3. und 5. Mai hatte sich das Gros der Wehrmacht-Truppen in Süddeutschland bedingungslos der 7. US-Armee unter General Jacob L. Devers ergeben.