Kriegende 1945 | KZ-Befreiung (4) Ende der Dachau-Hölle
Am 29. April 1945 erhält die US-Armee den Marschbefehl zur Befreiung von Dachau und rückt in das KZ ein. Die Einnahme ist relativ problemlos, auch weil der deutsche Generalmajor Max Ulich unnötige Verluste vermeiden will: Der Nazi-Gegner hatte seine Soldaten zuvor abgezogen.
Angesichts der sich Dachau nähernden US-Kampftruppen wich die zuvor straffe Lagerorganisation der SS in den letzten Apriltagen immer mehr einem Chaos. Dies nutzte das Internationale Häftlingskomitee, die geheime Widerstandsorganisation der Dachauer KZ-Häftlinge. Sie untergrub zum Beispiel SS-Befehle, indem sie die Vorbereitungen zu den so genannten Todesmärschen verdeckt sabotierte - so weit es möglich war.
Karl Riemers Botschaft
Einen großen Coup landet das Undercover-Komitee am 26. April 1945. In seinem Auftrag gelingt an jenem Tag einigen Häftlingen die Flucht aus dem Lager Dachau. Sie sollen Hilfe holen. Einer davon, der Nürnberger Kommunist Karl Riemer, schlägt sich unter größter Lebensgefahr durch die Kampflinien bis ins 30 Kilometer entfernte Pfaffenhofen durch. Der Ort an der Ilm ist bereits von einem US-Stadtkommandanten regiert. Riemer schildert ihm die verzweifelte Situation im Lager, auch die befohlenen Todesmärsche.
Über lange Zeit hielt sich die Theorie, dass Riemers Lagebericht die US-Seite dazu veranlasste, die Befreiung des Dachauer KZs zu beschleunigen. Heute ist diese Sicht relativiert. So schreibt der Historiker Karl-Dietmar Henke in "Die amerikanische Besetzung Deutschlands", dies sei eine Legende von Oskar Müller, dem damaligen Lagerältesten von Dachau. In Wirklichkeit habe Riemers Schilderung die planmäßige Befreiung des KZs nicht beeinflusst.
Der Dachauer Aufstand
Das Komitee schleust auch einige waffenerfahrene Häftlinge in die Stadt Dachau. Sie schließen sich dort einer Widerstandsgruppe an, die von den ehemaligen Häftlingen Georg Scherer und Walter Neff geleitet wird. Ziel der Gruppe ist es, mit einer bewaffneten Aktion eine sinnlose Verteidigung Dachaus gegen die Amerikaner zu verhindern.
Als am 28. April die Freiheitsaktion Bayern über den Rundfunk zum Widerstand gegen Nazi-Funktionäre aufruft, stürmen 20 bis 30 Regime-Gegner das Dachauer Rathaus und entwaffnen die Polizei. Allerdings werden sie von der Waffen-SS überrascht und in ein Gefecht verwickelt. Diese erschießt sechs der Aufständischen - darunter drei Ex-KZ-Häftlinge - die anderen können fliehen.
Tag der Befreiung - Sieg über Nazi-Faschismus
Am 29. April 1945 erhält Colonel Felix Sparks von der 45. Infanterie-Division der 7. US-Armee den Marschbefehl zur Befreiung von Dachau. Noch am selben Tag rückt die Einheit in das Konzentrationslager ein. Die Einnahme ist militärisch relativ problemlos, weil der deutsche Generalmajor Max Ulich - ein Gegner der Nationalsozialisten - unnötige Verluste vermeiden will und seine 212. Volksgrenadierdivision zuvor abgezogen hatte. Nur zurückgebliebene Männer der Waffen-SS liefern den US-Soldaten noch einige unbedeutende Scharmützel.
Unter unbeschreiblichem Jubel werden die GIs von mehr als 32.000 überlebenden Gefangenen begrüßt. Das vorletzte aller Konzentrationslager ist befreit. Dachau ist bereits in den 30er-Jahren zum Symbolnamen für politische und rassische Verfolgung geworden. Die Befreiung dieses KZs am 29. April und Hitlers Selbstmord am folgenden Tag signalisieren das definitive Ende des "Dritten Reichs". Seit seiner Einrichtung 1933 waren in Dachau insgesamt mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Etwa 32.000 mussten dort ihr Leben lassen.
"In einem einzigen, brüllenden, jubelnden, langanhaltenden Schrei entlud sich die aufgespeicherte Spannung der letzten Stunden, und Tausende stürzten auf die Amerikaner zu: lachend, weinend, rufend."
Ex-Dachau-Häftling Nico Rost
"Wir zählten wieder zur menschlichen Gesellschaft!"
Ex-Dachau-Häftling Otto Schiftan
Bei aller Freude über die Befreiung kommt es im Lager aber auch zu tragischen Szenen: In ihrer ersten Euphorie stürmen einige der Häftlinge voreilig den Befreiern entgegen und klettern auf die Lagermauern. Dabei kommen sie mit den noch unter Starkstrom stehenden und daher tödlichen Drähten in Kontakt. Sie sterben am Tag ihrer Befreiung.