O helles Licht, erleuchte meine Nacht
Literatur und Musik | RS, Gy |
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Muss man den kennen? Ja, muss man. Unbedingt! Andreas Gryphius ist ein lyrischer All-time Champion, ein Seelenflüsterer und Sprachberserker. Wer sagt, der Barockdichter sei vor 350 Jahren gestorben, lügt. Gryphius lebt. Und wie.
Dass er zu den ganz Großen, den Einzigartigen, allzeit Glänzenden und Wichtigen gehört, steht außer Zweifel. Das war schon seinen Zeitgenossen klar. "Wer reden ihn gehört, der hat ihn donnern hören", rühmt ihm der Dichterkollege Lohenstein in die Unsterblichkeit nach. Völlig zu Recht!
Der am 2. Oktober 1616 geborene Andreas Gryphius ist ein poetisches Kraftpaket, ein begnadeter Sprachfeuerwerker und lyrisches Schwergewicht der Extraklasse. Was er in seinen Oden, Sonetten, Epigrammen und Theaterstücken an Wucht, Finesse, Farbigkeit aber auch experimenteller Neugier aufbietet, ist auf sprachliche Intensivierung und gesteigerte Wirksamkeit angelegt: Dieser Dichter will wecken, warnen, wachrütteln. Er will die sündenverstrickte, gottvergessene Menschheit zur Betrachtung der ewigen Wahrheit führen, will die Vergänglichkeit alles Irdischen demaskieren und die nichtige Eitelkeit der Welt entlarven.
Um die Sünder retten, muss er ihre trägen und verstockten Gemüter bußfertig kneten, muss Emotionen schüren, muss Angst, Furcht und Schrecken aber auch Freude, Liebe und Hoffnung erregen. Der Geist muss schaudern, seufzen, ächzen, Reuetränen müssen fließen. Alles Grelle und Krachende, die Fülle der Metaphern, Ballungen, Steigerungen hat am Ende nur ein Ziel: Der Rufer und Mahner Gryphius will die gefährdete Seele aus dem Chaos der Zeitlichkeit hinüberretten in den Frieden und die Ewigkeit Gottes.
Ist das langweilig, altbacken, belanglos und überflüssig? Nein. Kein Stück! Gryphius ist ein mitreißendes Leseabenteuer, das die Zeit verlustfrei und ohne Altersspuren überdauert hat.