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Das Thema Brennpunkt Frankreich

Stand: 26.03.2011 | Archiv

Die Titelseite der französischen Zeitung "Le Petit Journal", 1895, zeigt Otto von Bismarck  als Karrikatur | Bild: picture-alliance/dpa

Kaiser Napoleon III. von Frankreich gilt als erklärter Gegner eines deutschen Großstaates, die Ausbreitung Preußens über die Mainlinie kommt für ihn nicht in Frage. Ein diplomatisches Manöver führt 1870 überraschend schnell zum bewaffneten Konflikt.

Die "Emser Depesche"

Bismarck fördert nach der Vertreibung der spanischen Königin Isabella aus dem Haus Bourbon (1868) die Thronkandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen (1835-1905) In Frankreich schlagen die Wellen der Empörung hoch. Einst war Frankreich von den Habsburgern umklammert, nun droht Gefahr von Seiten der Hohenzollern. Nach Absprache mit Bismarck und König Wilhelm I. verzichtet der Prinz auf den spanischen Thron, doch der Führung Frankreichs genügt das nicht.

Paris verlangt durch den französischen Botschafter Benedetti von Wilhelm I., der in Bad Ems zur Kur weilt, am 13. Juli 1866 eine Erklärung, dass er künftig nie mehr einer Hohenzollern-Kandidatur zustimmen wird. Wilhelm I. lehnt höflich ab und teilt dies Bismarck telegrafisch mit. Bismarck gibt dem Telegramm eine kürzere Fassung, hebt die französischen Forderungen in aller Schärfe hervor und erweckt den Eindruck, die Antwort des Königs komme einem Abbruch der Verhandlungen gleich. Bismarck lässt die “Emser Depesche” in der abgeänderten Form veröffentlichen. Seine Rechnung geht auf. Die "Emser Depesche" erregt die nationalen Gemüter in beiden Ländern. Frankreich reagiert am 14. Juli mit der Mobilmachung, am 19. Juli folgt die Kriegerklärung. Die süddeutschen Staaten treten sofort an die Seite Preußens.

Wollte Bismarck den Krieg?

Ob Bismarck gezielt auf eine bewaffnete Auseinandersetzung mit Frankreich hinwirkte, ist unter Historikern umstritten. Einige sehen ihn als begnadeten Provokateur, der Frankreichs Führung so geschickt ausmanövrierte, dass am Ende Preußen in der Rolle des angegriffenen Staates war und die süddeutschen Staaten sowie breite Teile der Öffentlichkeit den Kampf befürworteten.

Andere Forscher würdigen zwar Bismarcks raffiniertes Handeln in der Thronfolgefrage, machen aber deutlich, dass mit der Mobilmachung Frankreichs infolge der "Emser Depesche" nicht unbedingt zu rechnen war. Der große Historiker Thomas Nipperdey (1927-92) sieht Bismarck nicht als alleinigen Kriegstreiber: Auf beiden Seiten herrschte 1870 große Kriegsbereitschaft und auch Kaiser Napoleon III. konnte mit Blick auf Spannungen im Inneren einen außenpolitischen bzw. militärischen Erfolg gut gebrauchen. So drifteten Deutschland und Frankreich in den bewaffneten Konflikt.

Der Deutsch-Französische Krieg

In den Augen der Welt heißt der Aggressor Frankreich. Der Krieg bleibt damit auf die beiden Mächte Frankreich und Preußen-Deutschland beschränkt. England stellt seine Vermittlungsversuche ein. Russland und Österreich erklären ihre Neutralität. In der Schlacht bei Sedan wird die französische Armee am 2. September 1870 besiegt, Napoleon III. gerät in Gefangenschaft. In Paris wird am 6. September die Republik ausgerufen und die neue Regierung ist bereit, Frieden zu schließen, wenn die territoriale Integrität Frankreichs gewahrt bleibt. In der preußischen Führung sieht man aber das Elsass und Lothringen als lohnende Kriegsziele und der Kampf geht weiter. Paris wird eingeschlossen und kapituliert im Januar 1871 nach einer Hungersnot.

Annexion Elsass-Lothringens und die Demütigung der "Grande Nation"

Frankreich muss im Frieden von Frankfurt (Mai 1871) die Abtrennung von Elsass und Lothringen hinnehmen und fünf Milliarden Goldfrancs als Kriegsentschädigung zahlen. So schafft sich Deutschland einen unversöhnlichen Gegner, der künftig nach einer Revision der Gebietsverluste strebt. Bismarck richtet seine Außenpolitik fortan auf das Ziel aus, Bündnisse Frankreichs zu verhindern, die das neu gegründete Deutsche Reich gefährden könnten.

Nationale Euphorie in Deutschland

In Deutschland herrscht nach dem Sieg über Frankreich Hochstimmung. Die süddeutschen Staaten treten noch während des Krieges dem Norddeutschen Bund bei, wobei Bayern für sich die meisten Konzessionen aushandelt und weitgehend selbständig bleibt. So endet der Krieg für Deutschland mit der lang ersehnten nationalen Einigung. Zur Integration der verschiedenen Staaten wird eine Symbolfigur benötigt und Bismarck treibt gegen den Willen seines Königs die "Kaiserfrage" voran. König Ludwig II. von Bayern wird bestochen und schickt eine Aufforderung, die Kaiserkrone anzunehmen, im Namen der deutschen Fürsten an Wilhelm. Am 18. Januar 1871 wird im Spiegelsaal von Versailles das neue Deutsche Reich im feierlichen Staatsakt "gegründet" und Wilhelm I. zum Kaiser proklamiert.

Preußens Vorrangstellung im Reich

Die neue Reichsverfassung orientiert sich an der Verfassung des Norddeutschen Bundes. Zwar ist der Föderalismus festgeschrieben, doch Preußen behält die Führungsrolle: Der König ist Kaiser, der Ministerpräsident Kanzler des Gesamtstaats. Das Kriegsministerium und der Generalstab agieren auf Reichsebene, sie unterstehen allein dem Kaiser. Die Rolle des nach allgemeinem und gleichem Männer-Wahlrecht gewählten Reichstags bleibt auf die Bewilligung des Jahresbudgets reduziert. Zusammen mit dem Bundesrat, der Vertretung der Länder, darf der Reichstag zwar an der Gesetzgebung mitwirken, doch das kann nicht über die Schwäche des Parlamentarismus hinwegtäuschen - das Deutsche Reich ist ein semi-absolutistisches Staatswesen.


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