Das Thema Wie alles begann
König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795-1861) lehnt im April 1849 die Wahl zum deutschen Kaiser ab. Eine "Schweinekrone", an der "der Ludergeruch der Revolution" haftet, interessiert ihn nicht. Damit ist die Revolution von 1848 mit dem Versuch der Errichtung eines deutschen Bundesstaates auf der Basis eines konstitutionellen Erbkaisertums gescheitert. Das Frankfurter Parlament, das noch wenige Wochen zuvor die Reichsverfassung mit der Grundrechtserklärung nach amerikanischem Vorbild angenommen hat, wird aufgelöst. Soldaten verhindern den Versuch einiger Abgeordneter, in Stuttgart den Tagungsbetrieb wieder aufzunehmen. Nun geht es Schlag auf Schlag.
Die Rückkehr der Fürsten und die Zeit der Reaktion
In den deutschen Ländern verschwindet eine Revolutionsregierung nach der anderen, vertriebene Monarchen kehren an die Macht zurück, die Verfolgung Andersdenkender beginnt. Der Traum vieler Bürger von Parlamentarismus und Freiheitsrechten ist ausgeträumt.
Die Führung Österreichs konzentriert sich in den folgenden Jahren auf die Wiederherstellung des durch die Revolution erschütterten Vielvölkerstaates. Ungarn hatte sich von Habsburg losgelöst und sieht nun einer harten Bestrafung entgegen. Unter der Federführung des Justiz- und Innenministers Alexander von Bach (1813-93) wird der Staat zunehmend zentralisiert, nationale Konflikte gären dennoch weiter.
Trotz aller reaktionär-antiliberalen Bestrebungen bleiben in vielen deutschen Staaten die Verfassungen bestehen. Im Militär- und Polizeistaat Preußen wird 1850 eine Verfassung oktroyiert. Das nach Dreiklassenwahlrecht gewählte Parlament hat gegenüber der Regierung aber kaum Kontrollmöglichkeiten. Die vom König berufenen Minister bedürfen des Vertrauens der "Volksvertretung" nicht.
Wer dominiert den Deutschen Bund?
Unter dem Eindruck der preußisch-österreichischen Rivalität beginnen 1849/50 die Verhandlungen über die Wiederherstellung des Deutschen Bundes. Österreichs Staatskanzler, Felix Fürst von Schwarzenberg (1800-52), wirbt dafür, den gesamten Vielvölkerstaat mit all seinen Provinzen in den Bund einzubringen. So entstünde ein Territorium mit 70 Millionen Einwohnern, freiem Handel und beachtlichen wirtschaftlichen Perspektiven. Die preußische Führung ist an einem derart starken Gewicht Österreichs nicht interessiert, sie strebt vielmehr nach einer mit der Donaumonarchie gleichberechtigten Führungsrolle in der lose gefügten Allianz von Reichsstädten und Fürsten. Beide Seiten können sich mit ihren Vorstellungen nicht durchsetzen, der Deutsche Bund wird 1851 in der alten Form unter Österreichs Vorsitz reaktiviert. Preußen treibt nun die Wiederbelebung des Zollvereins ohne Beteiligung Österreichs voran.
Ein Mann erkennt zu dieser Zeit den sich anbahnenden Zusammenprall der beiden Mächte in aller Klarheit: Otto von Bismarck, seit Frühjahr 1851 preußischer Gesandter am Bundestag in Frankfurt. An den General Leopold von Gerlach (1790-1861), einen einflussreichen Strippenzieher am Hof in Berlin und Potsdam schreibt er 1853:
"Unsere Politik hat keinen anderen Exerzierplatz als Deutschland (...) und gerade diesen glaubt Österreich auch für sich zu gebrauchen; für beide ist kein Platz nach den Ansprüchen, die Österreich macht, also können wir uns auf Dauer nicht vertragen. Wir atmen einer dem anderen die Luft vor dem Munde fort, einer muss weichen oder vom andern gewichen werden, bis dahin müssen wir Gegner sein, das halte ich für eine unignorierbare (...) Tatsache, wie unwillkommen sie auch sein mag."
Otto von Bismarck
Bismarck - Landjunker und Machtpolitiker
Bismarck wird am 1. April 1815 in Schönhausen bei Stendal geboren. Der Vater stammt aus einem altmärkischen Geschlecht, seine Mutter ist eine "Bürgerliche" aus einer Gelehrtenfamilie. Er studiert Jura in Göttingen und Berlin. Nach seiner Referendarzeit widmet er sich den Familiengütern Kniepenhof und Schönhausen. 1847 heiratet Bismarck die Gutsbesitzertochter Johanna von Puttkammer (1824-94).
Sein ungestümer Lebenswandel, den er später als "wilde Jugend" bezeichnet, endet nach einer Begegnung pommerschen Pietisten. Er holt sich Kraft im Glauben an einen mächtigen Gott, begründet damit sein Machtverständnis und den Einsatz für die preußische Monarchie ("Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt"). Kriege hält Bismarck für selbstverständlich, sie sind nicht schätzenswerte, aber doch nützliche Instrumente der Politik.
Nach ersten Aktivitäten als Lokalpolitiker gehört Bismarck 1849/50 dem preußischen Abgeordnetenhaus an. Der königstreue Gegner der liberalen Revolution von 1848 wird 1851 von König Friedrich Wilhelm IV. an den Bundestag nach Frankfurt entsandt. Er erweist sich als kluger Taktiker, stets bemüht, die preußische Großmachtstellung zu festigen. In den Jahren 1859 bis 1862 dient er als Botschafter in St. Petersburg, 1862 wechselt er kurzzeitig als Gesandter nach Paris. Seine "große Zeit" beginnt im Herbst 1862 - mit seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten.