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Das Thema Mao kämpft sich durch

Stand: 15.07.2013 | Archiv

Mao Zedong (M) zeigt sich am 1. September 1966 auf Pekings Platz "Der Osten ist rot" den Roten Garden | Bild: picture-alliance/dpa

Obwohl Maos strahlender Nimbus als unfehlbarer Steuermann nach außen unangetastet bleibt, ist der Große Vorsitzende parteiintern beschädigt. Flügelkämpfe um den richtigen wirtschaftspolitischen Kurs, das Versagen seiner misslungenen Industrialisierungskampagne und das Hungerdesaster haben seine Position geschwächt.

Entfesselte Raserei: Die Große proletarische Kulturrevolution

1959 hat er bereits das Amt des Staatspräsidenten abgetreten, nun zieht er sich zunehmend aus dem politischen Tagesgeschäft zurück. Er durchreist das Land, genießt die Huldigung der "befreiten Massen", studiert die chinesischen Klassiker, gibt Tanzpartys und lässt sich als Heilmittel gegen das Alter junge Mädchen zuführen.

Maos blutige Rückkehr zur Macht

Zu Beginn der 1960er-Jahre sieht es aus, als bereite Mao die endgültige Übergabe der Zügel an seine Nachfolger vor. Doch der Schein trügt. Mit dem Altenteil eines zwar umjubelten, aber einflusslosen elder statesman gibt er sich nicht zufrieden. Er sammelt seine Kräfte für die Rückkehr ins Zentrum der Macht. Den Auftakt seines Comebacks markiert 1964 das Erscheinen der "Worte des Vorsitzenden Mao". Das Vorwort dieser als Mao-Bibel oder Rotes Buch bekannten Sammlung prägnanter Zitate und Gedanken ist eine klare, aber in ihrer Tragweite zunächst nicht wirklich verstandene Kampfansage. Es feiert die Gedanken des Genossen Mao Zedong "als mächtige ideologische Waffe im Kampf gegen Revisionismus und Dogmatismus" und überhöht seine Ideen zum "Leitprinzip für die gesamte Tätigkeit der ganzen Partei, der ganzen Armee, des ganzen Landes."

Rote Garden gegen die "Alten Vier"

Die eigentliche Sprengkraft dieser Botschaft entlädt sich zwei Jahre später in der "Großen Proletarischen Kulturrevolution. Sie beginnt mit der von Studenten auf Wandzeitungen formulierten Missbilligung reaktionärer, antikommunistischer und konterrevolutionärer Elemente in Staat, Kultur und Gesellschaft. Mao unterstützt die Kritik und fordert die Jugend auf, die Revolution zu verteidigen und alte Denkweisen, alte Kulturen, alte Gewohnheiten sowie alte Sitten energisch zu bekämpfen. Der Aufruf zum Sturm gegen die "Alten Vier" löst eine beispiellose ideologische Hexenjagd aus. Überall im Land nutzen Studenten und Schüler die Rückendeckung durch den kultisch verehrten Großen Vorsitzenden, um aus einem streng reglementierten Alltag und autoritärer Bevormundung auszubrechen. Sie schließen sich zu Roten Garden zusammen und schwören einen fatalen Eid: "Wir, die Roten Garden, treten für die Verteidigung der roten Staatsführung ein. Die Partei und der Vorsitzende Mao sind unsere Beschützer. Die Befreiung der gesamten Menschheit ist unsere unabweisliche Pflicht. Die Mao-Zedong-Ideen sind unsere obersten Anweisungen. Wir schwören, dass wir fest entschlossen sind, für den Schutz der Partei und des großen Führers Mao Zedong unsere letzten Tropfen Blut zu vergießen."

Denunziation und Terror als Herrschaftsinstrumente

Der entfesselte Mob zerstört Tempel, Klöster, Schulen und Universitäten, verwüstet Museen und brennt Bibliotheken nieder. Auf der Suche nach konterrevolutionären Elementen dringen Rotgardisten in die Häuser von Lehrern, Professoren, Mönchen, Künstlern und Parteimitgliedern ein, Kinder denunzieren die eigenen Eltern. Die Opfer der blindwütigen Razzien haben keine Chance. Sie werden geschlagen, gedemütigt, zur Selbstbezichtigung gezwungen, gefoltert, gelyncht. Polizei und Armee dulden die kollektive Raserei tatenlos. In nur zwei Jahren verändert die von Mao losgetretene und den Roten Garden ausgeführte "Säuberungswelle" die Kommunistische Partei und ihren Funktionärskader von Grund auf. Etwa zwei Drittel der alten Politbüro- und ZK-Mitglieder werden aus ihren Ämtern entfernt, viele in Schauprozessen abgeurteilt, hingerichtet oder zur Umerziehung in abgelegene Gebiete verbannt.

Déjà-vu: Die Revolution frisst ihre Kinder

Im Juli 1968 hat Mao seinen Zweck erreicht. Die Partei ist wieder auf Linie, die Opposition ist ausgelöscht, seine Macht in vollem Umfang wiederhergestellt. Die Werkzeuge der Großen Proletarischen Kulturrevolution haben ihren Zweck erfüllt und werden nicht mehr gebraucht. Um den schwelenden Unruheherd zu ersticken, fordert er die bislang ungehindert randalierenden Rotarmisten dazu auf, den Gedanken der permanenten Revolution zu den Bauern in die entlegenen Westprovinzen zu tragen. Um seinem Willen Nachdruck zu verleihen, stellt er den Führern der Rotarmisten ein eindeutiges Ultimatum: "Ich habe euch hergebeten, um die Gewalt an den Hochschulen zu beenden. […] In einigen wenigen höheren Bildungsinstituten gibt es noch immer gewalttätige Auseinandersetzungen. Falls einige wenige sich nicht von der Gewalt abbringen lassen, sind sie Banditen, dann sind sie die Kuomintang. Diese Gestalten müssen umzingelt werden. Wenn sie weiterhin hartnäckig Widerstand leisten, müssen sie vernichtet werden". Da nur wenige Jugendliche dem Aufruf folgen, setzt Mao die Rote Armee in Marsch. Das Diktat der Gewehre, Massenexekutionen, Zwangsdeportationen und Umerziehungslager bereiten den Roten Garden ein rasches Ende.


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