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Das Thema Das Ende des Rittertums

Stand: 08.04.2013 | Archiv

Historische Schlacht von Sempach | Bild: picture-alliance/dpa

Auf die Blüte des Rittertums im frühen 13. Jahrhundert folgt ein zunächst militärischer, dann auch wirtschaftlicher und politischer Niedergang. Er beginnt, wo alles begonnen hat: auf dem Schlachtfeld.

Niedergang und Ende des Rittertums

1291 erobern muslimische Truppen Palästina, die christliche Ritterschaft wird nach verlustreichen Rückzugsgefechten vollständig aus dem Heiligen Land verdrängt. Hundert Jahre später, am 25. September 1396 vernichtet die osmanische Armee das letzte ritterliche Kreuzfahrerheer bei Nikopolis.

Ein Erfolgsmodell wird ausgemustert

Auch auf den heimischen Schlachtfeldern geht die Zeit der Reiterkrieger ihrem Ende entgegen. Mehr und mehr beherrschen bestens organisierte Fußtruppen das Feld. Mit der verbesserten Armbrust verfügen ihre Kontingente über eine Waffe mit nie dagewesener Durchschlagskraft. Um sich gegen die tödlichen Bolzen zu schützen, müssen sich die Ritter immer stärker panzern. Die schweren, starren Plattenharnische schränken Bewegungsfreiheit und Gesichtsfeld ein, das immense Gewicht erschöpft Ross und Reiter über Gebühr, ein vom Pferd gestoßener Ritter ist den Piken und Lanzen der Fußsoldaten wehrlos preisgegeben. Bereits 1302 reiben flandrische Fußsoldaten das französische Ritterheer vollständig auf, in der Schlacht bei Sempach besiegten Schweizer Bauern 1386 die österreichische Ritterelite. Obwohl trotz dieser Debakeln nach wie vor Reitertruppen zum Einsatz kommen, hat das Rittertum im Spätmittelalter seinen Glanz und den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren. Die martialische "Premium-Marke" des Mittelalters verkommt allmählich zum militärischen Anachronismus der anbrechenden Neuzeit.

Machtverschiebung - Söldnerheere verdrängen die Ritter

Der waffentechnische Wandel geht mit einem politischen Paradigmenwechsel einher. Im Spätmittelalter ist der feudale Personenverbandsstaat mit seinen persönlichen gegenseitigen Rechtsbindungen und Verpflichtungen ein Auslaufmodell. Viele Fürsten und Könige des Spätmittelalters versuchen, die militärische Abhängigkeit von ihren Vasallen abzustreifen und den Einfluss des Adels einzudämmen. Im Zug dieser Entwicklung drängen Söldnerheere, die befristet angeworben, mit Geld bezahlt und anschließend wieder entlassen werden, seit dem 14. Jahrhundert das Rittertum zurück.

Der Schwarze Tod beschleunigt das Rittersterben

Ein dritter Faktor des Niedergangs der Ritterkultur ist ihr wirtschaftliches Ausbluten. Zwischen 1347 und 1353 wütet die Pest in Europa. Binnen weniger Jahre fallen etwa 25 Millionen Menschen, also ein Viertel bis ein Drittel der Gesamtbevölkerung, dem Schwarzen Tod zum Opfer. Weite Landstriche veröden, zahllose Bauern sterben, Äcker und Felder bleiben unbestellt. Damit entzieht die Pest den Rittern, die als Grundherren von bäuerlichen Abgaben leben und den allmählichen Übergang zur Geldwirtschaft verpassen mitmachen, die Grundlage ihrer Existenz.

Anpassungsdefizite führen zum Verfall

Die militärischen, politischen und wirtschaftlichen Anpassungskrisen des 14. Jahrhunderts führen zur Entmachtung, Verarmung und Verdrängung großer Teile der Ritterschaft. Als einziger Weg, sich und ihre Familien am Leben zu erhalten, bleibt vielen Rittern nur noch der Rückgriff auf das Fehderecht als fragwürdiges Wirtschaftsmodell. Straußenraub, Überfälle auf Handelszüge, Entführungen, Geiselnahmen, Lösegelderpressungen und Belagerungen führten dazu, dass sich die erstarkten Städte und die Territorialherren zunehmend dafür aussprachen, der ritterlichen Selbstjustiz den rechtlichen Boden zu entziehen. Nach den folglosen Bemühungen der hoch- und spätmittelalterlichen Landfriedensbestrebungen sorgte der Ewige Landfriede von 1495 endlich für ein effektives und vor allem dauerhaftes Verbot. Die Fehde wurde kriminalisiert, die Rechtsfindung und -durchsetzung allein dem Staat übertragen und jeder Verstoß mit drakonischen Strafen geahndet.

Am Ende nur noch Nostalgie

Mit dem Zusammenbruch des Feudalsystems hat das Rittertum seine materielle und ideelle Grundlage eingebüßt. Damit fehlt ihm auch jede Kraft zur geistigen und politischen Erneuerung. Die neue Zeit spült neue Kräfte du neue Leitfiguren nach oben: Den Fernkaufmann, den geschickten Höfling, den humanistischen Gelehrten, den Künstler. Die kühnen Rücken haben ausdient. Das Rittertum findet von nun ab nur noch in der Rückschau statt, als Erinnerungskultur in der Verklärung einstigen Glanzes, und im literarischen Fortleben einstiger Helden.


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