Das Thema Ein Abkommen zwischen Kalkül und Moral
Konrad Adenauer, der 1933 als Kölner Oberbürgermeister von den Nationalsozialisten aus dem Amt gejagt wurde, handelt aus innerer Überzeugung. Wiedergutmachung sieht er als moralische Verpflichtung, sie ihm ein ehrliches Anliegen. Seine Annäherung an Israel entspringt aber auch politischem Kalkül.
Wiedergutmachung - Eiertanz zwischen Politik und Moral
Der Kanzler weiß, dass das Verhältnis zu Israel und den vor allem in den USA einflussreichen jüdischen Organisationen über die Wiederaufnahme in die Völkergemeinschaft entscheidet. Seinem Ziel der Westbindung der Bundesrepublik kommt er damit einen wichtigen Schritt näher. Der Imagegewinn nach der Unterzeichnung des Luxemburger Abkommens ist beträchtlich, die DDR, die jüdische Ansprüche abweist, erleidet einen Prestigeverlust. Angesicht der Aktivitäten der Regierung Adenauer und der sie unterstützenden SPD-Fraktion greift die Behauptung mancher "68er", erst sie hätten die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Gang gebracht, zu kurz.
Die Bundesrepublik erfüllt ihre Verpflichtungen
Als das Luxemburger Abkommen unterzeichnet wird, denkt man in Bonn, die Wiedergutmachung werde in ein paar Jahren abgeschlossen sein. 1953 wird das Bundesergänzungsgesetz verabschiedet, 1956 das Bundesentschädigungsgesetz. Doch der Prozess dauert Jahrzehnte, Renten sind zu zahlen, es wird um Individualentschädigungen gerungen. Nicht selten bearbeiten die gleichen Beamten, die treu dem NS-Regime dienten und eifrig an der "Arisierung" jüdischen Vermögens mitwirkten, die Anträge von Opfern auf Wiedergutmachung. Bis Ende der 90er Jahre beläuft sich die Gesamtsumme aller Leistung auf über 100 Milliarden D-Mark. Dank der Wiedergutmachung entwickeln sich die deutsch-israelischen Beziehungen von abgrundtiefer Feindschaft hin zu einer stabilen, fast normalen Freundschaft. Heute ist Deutschland nach den USA der wichtigste Wirtschaftspartner Israels.
Die Vergessenen
Problematisch ist, dass sich das Kabinett Adenauer und die Folgeregierungen auf die jüdische Opfergruppe konzentrieren. Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Zwangssterilisierte, Kommunisten, Wehrmachtsdeserteure und ausländische Zwangsarbeiter, die ebenfalls in den Konzentrationslagern litten, werden vernachlässigt. Erst in den 70er und 80er lebt die Debatte über die "vergessenen Opfer" auf. Im Jahr 2000 wird schließlich die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft von der Bundesregierung und der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft je zur Hälfte mit 10 Milliarden D-Mark ausgestattet, um ehemalige Zwangsarbeiter zu entschädigen.