Das Thema Von Verhandlungen zum Abkommen
In Wassenaar nahe Den Haag, also auf neutralem Boden, beginnen am 21. März 1952 die Verhandlungen. Die israelische Delegation leitet der Jurist Felix E. Shinnar (1905-83), der in Tübingen und Heidelberg studierte und 1934 nach Palästina emigrierte. Zum Chef der deutschen Delegation ernennt Adenauer den CDU-Politiker, Juristen und Ökonomen Franz Böhm (1895-1977), der während des "Dritten Reichs" mit Widerständlern des 20. Juli 1944 in Kontakt stand und von den Israelis respektiert wird. Anfangs bleiben die Gesprächspartner auf Distanz, schließlich wird der Umgangston lockerer und man spricht auch in deutscher Sprache miteinander.
Bilaterale Verhandlungen voller Dramatik
Es kommt zu Querschüssen durch Hermann Josef Abs (1901-94), einem Bankmanager und Adenauer-Vertrauten, der zeitgleich in London über deutsche Auslandschulden verhandelt. Abs schwebt vor, die Ansprüche Israels mit denen anderer Länder zu verrechnen. Felix Shinnar ist empört, Franz Böhm droht mit Rücktritt. Schließlich sorgen Konrad Adenauer und David Ben Gurion, beide durchsetzungsstarke Führungspersönlichkeiten, für einen positiven Verhandlungsverlauf.
Am 10. September 1952 unterzeichnen Konrad Adenauer und der israelische Außenminister Moshe Sharett (1894-1965) im Kleinen Empfangssaal des Luxemburger Stadthauses das Luxemburger Abkommen.
Der erste Vertrag zwischen Deutschland und Israel
Mit dem Luxemburger Abkommen bekennt sich die Bundesrepublik zur deutschen Schuld und verpflichtet sich zu Entschädigungsleistungen. Das Abkommen beinhaltet einen Israel-Vertrag: Vereinbart wird eine Entschädigungsleistung in Höhe von drei Milliarden Mark, zu zahlen in 12 bis 14 Jahresraten in Form von Dienstleistungen und Warenlieferungen. So sollen die Überlebenden der Shoah in die israelische Gesellschaft integriert werden.
Hinzu kommt ein Vertrag mit der Claims Conference: Die Bundesrepublik verpflichtet sich zur Nachbesserung der Wiedergutmachungsgesetze, die in einigen Ländern bereits existieren. Außerdem wird eine Globalentschädigung in Höhe von 450 Millionen Mark bezahlt.
Die Israelis verstehen diese Zahlungen nicht als Wiedergutmachung, sie verwenden den Begriff Shilumim, der in der Bibel Zahlung bzw. Vergeltung bedeutet.
"Du und ich haben das Glück gehabt, zwei Wunder zu erleben, die Schaffung des Staates Israel und die Unterzeichnung des Abkommens mit Deutschland. Ich war für das erste, du warst für das zweite verantwortlich. Der Unterschied ist nur der, dass ich an das Eintreten des ersten Wunders immer geglaubt habe, bis zum letzten Augenblick aber nicht an das zweite"
David Ben Gurion zu Nahum Goldmann
Die israelische Regierung kann nun die darbende Wirtschaft ankurbeln, den Einwandereransturm bewältigen und Überlebenden des Naziterrors bei der Integration helfen.
Die Umsetzung des Luxemburger Abkommens
In den kommenden Jahren werden Maschinen, Fahrzeuge, Industrieausrüstungen, Schiffe etc. nach Israel gebracht. In Köln (bewusst nicht in der Hauptstadt Bonn) entsteht eine israelische Handelsmission, die zunehmend Aufgaben einer Botschaft übernimmt. Die Handelsmission bestellt Waren, die Bundesrepublik liefert.
Bereits Mitte der 50er Jahre spricht David Ben Gurion von einem "neuen Deutschland", bald mündet die Zusammenarbeit in eine Rüstungskooperation. Aus Angst vor einer Anerkennung der DDR durch die mit Israel verfeindeten Staaten der Arabischen Liga schreckt Bonn lange vor einem förmlichen Botschafteraustausch zurück. Erst 1965 werden diplomatische Beziehungen aufgenommen.
Reaktionen auf das Luxemburger Abkommen
In Israel kommt es zu wütenden Protesten. Von der Schuld, sagen die Kritiker, dürfen sich die Deutschen nicht freikaufen. Menschen, die Eltern, Verwandte und Freunde in den Konzentrationslagern verloren haben, halten es für unwürdig, mit Fahrzeugen oder Kühlschränken entschädigt zu werden. Beobachter sehen bereits die junge Demokratie in Gefahr, doch die Pragmatiker um Ben Gurion setzen sich durch.
Die traditionell guten Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den arabischen Staaten kühlen sich zwar ab, doch den Bruch mit der BRD und die Anerkennung der DDR wagen Länder wie Ägypten nicht.
In Deutschland sind die Meinungen zum Luxemburger Abkommen geteilt. Vergangenheitsbewältigung ist nicht allzu populär, doch in Umfragen spricht sich die Mehrheit der Bundesbürger für Wiedergutmachung aus - allerdings nur solange die Hilfe des Staates für Kriegsopfer, Hinterbliebene, Flüchtlinge, Vertriebene und DDR-Übersiedler nicht darunter leidet. Nicht wenige Deutsche schöpfen aus der Entschädigungsregelung neues Selbstbewusstsein. Nun, meint eine "schweigende Mehrheit", ist es an der Zeit, einen "Schlussstrich" zu ziehen.
Bei der Abstimmung im Bundestag am 18. März 1953 verfügt die Regierung Adenauer über keine eigene Mehrheit. Die SPD-Fraktion stellt sich jedoch geschlossen hinter den Kanzler, das Ankommen wird ratifiziert.