Das Thema Die Evangelien
Maria Magdalena, die Frau hinter vielen Missverständnissen und Überformungen, ist in allen vier kanonischen Evangelien fassbar. Den überlieferten Zeugnissen zufolge stammt sie aus Magdala, einem Ort am See Genezareth. Nachdem ihr Jesus 'sieben böse Geister' ausgetrieben hat, gehört sie zum engsten Kreis der Männer und Frauen, die sich in Galiläa um ihn scharen (Mk. 16,9, und Mt. 27,55f.).
Zeugnisse der Evangelien
Sämtliche Überlieferungen stimmen ferner darin überein, dass sie Jesus zum Pessachfest nach Jerusalem begleitet und die Kreuzigung mit eigenen Augen sieht. Markus und Matthäus berichten, sie habe gemeinsam mit anderen Frauen von weitem zugeschaut. Johannes erzählt, sie habe mit weiteren Frauen unter dem Kreuz gestanden (Jo. 19,25).
Auch im österlichen Geschehen nimmt Maria aus Magdala durchwegs eine zentrale Rolle ein. Bei Matthäus, Markus und Lukas macht sie sich am Morgen nach der Kreuzigung mit anderen Frauen auf, um den Leichnam zu salben. (Mt. 28,1-10, Mk. 16,1-8 und Lk. 24,1-11). Sie finden das Grab leer vor, Engel verkünden ihnen die Auferstehung Christi. Bei Johannes geht Maria alleine zum Grab, sucht vergeblich den Leichnam und ruft die anderen Jünger herbei (Jo. 20,1-10).
Trotz etlicher Abweichungen bestätigen drei Evangelisten einvernehmlich, dass nicht Männer, sondern Frauen und mit ihnen Maria Magdalena als erste die Botschaft von der Auferstehung hören und weitertragen. Matthäus berichtet, Christus sei allen Frauen im Anschluss an den Besuch des leeren Grabes zugleich erschienen (Mt. 28,9-10). Lukas erzählt, er habe sich zuerst den Emmausjüngern und danach der versammelten Gemeinde in Jerusalem gezeigt (Lk. 24,13-53). Bei Markus und Johannes ist es ausschließlich Maria Magdalena, die dem Auferstandenen vor allen Jüngern begegnet (Mk. 16,9 und Jo. 20, 11-18).
Apostola apostolorum - Maria verkündigt die Auferstehung
Den umfangreichsten und ganz auf Maria zentrierten Bericht liefert Johannes: "Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, schaute sie in das Grab und sah zwei Engel in weißen Gewändern sitzen […]. Diese fragten sie: Warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Und als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus stehen und wusste nicht, dass es Jesus war. Da sagte Jesus zu ihr: Warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es wäre der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen. Da sagte Jesus zu ihr: Maria! Sie wandte sich um und sagte zu ihm auf hebräisch: Rabbuni! das heißt: Meister! Da sagte Jesus zu ihr: Berühre mich nicht! denn ich bin noch nicht zum Vater aufgefahren. Geh aber zu meinen Brüdern und sage ihnen: ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. Maria von Magdala ging und verkündigte den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt."
Der Gehalt dieser Aussage ist eindeutig: Christus selbst wählt Maria zur ersten Augenzeugin und Verkünderin seiner Auferstehung. Sie ist vor allen anderen ausersehen, den Jüngern die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens zu bringen. Diese Sendung macht sie zur Gesandten Christi, zur 'Apostolin der Apostel' (apostola apostolorum). Die Männer reagieren in allen Evangelien ausnahmslos ungläubig oder gar verängstigt: "Doch die Apostel hielten das alles für Geschwätz und glaubten den Frauen nicht" (Lk. 24,11).