Das Restlessen Ende des Rests und Anfang des Genusses
Aus Lebensmittelresten feine Köstlichkeiten zaubern wird zum Trend in der Gastronomie – und warum auch nicht? Die bayerische Küche ist im Grunde ein Eldorado für Reste … Angelika Schüdel über das kulinarische Ende, das zum Anfang wird.
Was man aus Resten alles Feines machen kann, das hat Michael Schulz, Wirt der Regensburger Traditionsgaststätte "Zum Gravenreuther" in der Nähe vom Dom schon längst festgestellt und den "Restlsonntag" erfunden.
"Die Idee ist folgendermaßen: Wir haben Sonntagmittag eine spezielle Bratenkarte - da haben wir Schäuferl dabei, da haben wir verschiedene Braten dabei, die wir sonst die Woche über nicht auf der Karte haben - und natürlich ist es ärgerlich, wenn davon was übrig bleiben würde. Und da haben wir uns überlegt: Bevor wir's wegschmeißen, machen wir doch am Sonntagabend dieses Restlessen, um den Leuten die Möglichkeit zu geben, für ganz preiswertes Geld unsere Sachen zu probieren und unser Wirtshaus kennenzulernen. Es gibt ab 18 Uhr diese Karte: Da sind die normalen Speisen drauf und eine Rubrik 'Restl'. Und da steht dann drauf: 'Ab 18 Uhr, solange der Vorrat reicht: Restlessen!'. Und von da an, ab 18 Uhr ist die Kasse freigeschalten und ab dann gibt es das für den verringerten Preis - so um die fünf, sechs Euro liegen wir da, bis sieben Euro, je nachdem wieviel Beilagen dabei sind. Die normalen Preise bewegen sich so um 11,50 Euro, 12 Euro. Also kann man sagen: fast der halbe Preis."
Michael Schulz, Wirt von 'Zum Gravenreuther'
Aber die Restlküche beschränkt sich beim Gravenreuther nicht auf den Sonntag, sondern wird zum Prinzip erhoben, beispielsweise durch das urbayerische Restlessen Gröstl, das es in allen Variationen gibt – je nachdem was anfällt und dadadurch Gottseidank nicht zum Abfall wird. Eine besonders originelle und schmackhafte, auch optisch höchst attraktive Form der bayerischen Resteverwertung sind darüber hinaus Michael Schulz‘ bayerische Tapas.
Kreative Resteverwertung mit bayerischen Tapas
"Das ist eine lustige Art, die bayerische Brotzeit neu zu interpretieren. Da gibt's zum Beispiel Sachen wie Leberwurst-Wan-Tan, wie Bratenstreifen mit Steirerkren und Kürbiskernöl ... Und schon haben wir ein neues Gericht, ohne dass man dafür neu einkaufen muss."
Michael Schulz, Wirt von 'Zum Gravenreuther'
Kellnerin Franziska serviert ihren vielen Stammgästen diese bayerische Restlküche mit Begeisterung und will die Idee später in ihrem eigenen Lokal übernehmen.
Restekochkurs in der Hexerei
Ein paar Straßen weiter liegt etwas versteckt in der Regensburger Altstadt, nahe dem Fürstlichen Schloss Thurn und Taxis, das winzige Lokal "Hexerei" von Caroline Gmachl. Hier serviert sie auf nur vier Tischen ihre Restespezialitäten. Das Wirtszimmer sieht aus wie bei der Mama daheim und beim Kochen kann man der Wirtin aus nächster Nähe zuschauen – oder aber gleich bei einem ihrer Restekochkurse mitmachen.
"Das Spannende bei diesen Kursen ist, dass man merkt, dass viele Gerichte, die wir alle total gern essen, eigentlich Resteverwertung sind. Zum Beispiel die Kaspressknödel: Das war früher eine Möglichkeit, das Brot, das da drin ist, und den Käse einfach nur mal haltbar zu machen. Das wird gemacht wie ein Semmelknödelteig, dann kommt der Käse mit dazu und dann wird das nochmal ganz heiß in Schmalz gebacken. Heutzutage werden sie halt gleich gegessen ...
Genau so ist das auch, wenn man zum Beispiel einen Gemüsestrudel macht. Da kann man ja auch ein bisschen schauen; Was habe ich denn noch alles im Kühlschrank? Und dann kann ich das auch wirklich sehr schmackhaft und schön in einen Strudelteig verpacken und allen schmeckt's.
Das ist auch etwas, was den Leuten einfach gefällt, wenn sie merken, dass sie jetzt einfach Reste verkocht haben."
Caroline Gmachl
An einem der Tische ist eine Familie gerade beim Nachtisch angelangt – heute gibt’s Marillenknödel.
"Hier gibt's keine Reste, weil's immer nur ein Gericht gibt. Also eine Vorspeise und eine Hauptspeise. Und wenn's so gut schmeckt, dann bleiben keine Reste über! Und wenn doch Reste übrig bleiben, dann gibt man sie hier vor der Tür in den Kühlschrank, der für alle zugänglich ist und aus dem sich jeder bedienen kann."
Familie im Wirtszimmer von Caroline Gmachl
Soziale Resteverwertung per Foodsharing
Tatsächlich: Draußen vor der Tür haben junge Regensburger eine Resteverwertungsstation für alle aufgebaut, den "Fairteiler". Ein Kühlschrank und mehrere Vorratsschränke stehen da, dazu eine Art Lounge zum Verweilen. Eine Frau mit feinen Gesichtszügen steht davor. Sie freut sich, dass das Prinzip vom Ende, das ein Anfang ist, hier so vielen Menschen zugute kommt.
"Also ich finde, wenn man wenig Geld hat: Es hilft einem sehr! Das Essen aus dem Kühlschrank und die Klamotten, also ich finde es eine äußerst gute Idee. Und die Leute sind sehr gut drauf ... Also man kann sich nicht beschweren. Naja, und die Ecke auch zum Hinsetzen - also ich würde es begrüßen, wenn es weitergeführt werden würde."
Passantin
Foodsharing im Fair-Teiler in Regensburg
Lebensmittelretter und Foodsharer klappern täglich Händler in der Umgebung ab und sammeln ihr nicht mehr so ansehnliches Obst und Gemüse ein. Auch Brot und andere Lebensmittel nehmen sie gerne mit. Mit ihrer Ausbeute befüllen sie unter anderem in Regensburg den 24h Fair-Teiler, aus dem sich dann jeder kostenlos bedienen darf. Im Gegensatz zur Tafel geht es nicht ausschließlich um die Versorgung von Bedürftigen, sondern allgemeiner um die Umverteilung des Essensüberschusses überall dorthin, wo er gerade gebraucht wird. Fair-Teiler- und Foodsharing-Gruppen gibt es deutschlandweit.