Die besten Bücher 2024 Diese Sachbücher und Romane legen wir euch ans Herz
Wir haben gelacht, geweint – und vor allem viel Neues gelernt: Das sind die Lieblingsbücher 2024 der Zündfunk-Redaktion. Eine Liste voller Sachbücher und Romane, die sich gut unter dem Weihnachtsbaum machen. Oder auf dem eigenen Nachttisch.
Das sind unsere Lieblingsbücher 2024, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Von Musikerinnen-Biographien, über politische Streitschriften bis hin zu Fantasy und queerer Literatur.
Julia Fritzsche empfiehlt: "Rebel Girl" von Kathleen Hanna
Wenn es eine Ikone der jüngeren Popgeschichte gab, auf die sich alle einigen konnten, dann war das Kathleen Hanna. Die Frontfrau von Bikini Kill und Le Tigre hat jetzt ihre Autobiografie veröffentlicht: "Rebel Girl", eine Musikerinnen-Biografie, aber Hanna sagt dazu: "Ich kann das alles nicht vom Hintergrund trennen – und der ist männliche Gewalt." Und neben den musikalischen Stationen erzählt "Rebel Girl eben auch davon: einer Jugend voll männlicher Gewalt. Oft stockt einem beim Lesen der Atem. Auch weil Hanna trotz allem mit warmherziger Klugheit schreibt: "Ein Mann in Therapie war damals so wahrscheinlich wie eine Frau auf dem Mond." Schmerzvoll, warmherzig und witzig zugleich!
Erschienen bei Harper Collins
Ferdinand Meyen empfiehlt: "Moralische Ambition" von Rutger Bregman
Ein Kollege meinte zu mir: "Das liest sich wie ein halbgarer linkspolitischer Ted-Talk." Aber gerade deshalb hat mir "Moralische Ambition" so gut gefallen. Das Buch ist die logische Fortsetzung von Bregmans Bestseller "Im Grunde gut". Auch an sich selbst analysiert Bregman, dass es heutzutage eigentlich nicht an Awareness mangelt, sondern vor allem an Aktionen, die die Welt zu einer besseren machen. Wir wissen, dass zu viele Kriege herrschen, dass das Klima kollabiert, dass Millionen von Menschen an eigentlich heilbaren Krankheiten sterben oder verhungern. Aber wir unternehmen nichts. Dabei, das zeigt Bregman, kann man mit sehr wenig Aufwand schon sehr viel verändern – wenn man seine Wohltätigkeit richtig dosiert. "So viel Energie wird für Dinge verschwendet, die keine Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben", sagt Bregman, der übrigens gerade daran arbeitet, Menschen aus ihren Bullshit-Jobs zu lösen und zu moralischen Idealisten zu machen, im Interview. Vielleicht ist es also gerade dieser linkspolitischer Ted-Talk, den moralisch Ambitionierte 2024 gebraucht haben.
Erschienen bei Rowohlt
Sandra Limoncini empfiehlt: "Pleasure" von Jovana Reisinger
Die Münchnerin Jovana Reisinger ist Künstlerin, Kolumnistin, Selbstdarstellerin und Autorin. Jetzt hat sie ein Manifest für Luxus und Lust geschrieben. "Pleasure", heißt ihr neuestes Buch und spielt mit Stereotypen und dem, was man ein gutes Leben nennt. "Als ich mit meinen ersten beiden Büchern auf Tour war, hatte ich oft das Erlebnis, dass man mich nicht so ganz ernst nimmt", erklärt Reisinger im Interview. "Vor allem als feministische, linke Autorin, wenn ich mich auf eine bestimmte Art und Weise kleide. Wie kann so eine, die aussieht wie du, solche Bücher schreiben?" Also schlürft Reisinger munter Austern, sitzt im glamourösen Dress in der Pommesbude, zitiert Dolly Parton und stellt alle Stereotype einer "Tussi" auf die Probe, die da draußen so herumfliegen.
Erschienen bei parkxullstein
Johanna Hintermeier empfiehlt: "Das Verschwinden der Welt" von Lin Hirse
In einer klaren und doch warm-umarmender Sprache erzählt taz-Autorin Lin Hirse von einer etwas schrägen Gemeinschaft in einem fast verlassenem Haus in Japan. Das Schicksal des Hauses und das seiner Bewohnerinnen beginnt sich immer mehr miteinander zu verweben. Man schmeckt beim Lesen überreife Feigen, tapst über alte Holzdielen, streicht über verblichene Tapeten und träumt am Ende vor sich und weit davon. Ein Buch zum Innehalten ohne Langeweile.
Erschienen bei Harper Collins
Paula Lochte empfiehlt: "Pi Mal Daumen" von Alina Bronsky
Ihr 2008 erschienener Debütroman "Scherbenpark" über ein Mädchen aus einem sozialen Brennpunkt wurde zum Bestseller und mit Jasna Fritzi Bauer in der Hauptrolle fürs Kino verfilmt. Nun hat Alina Bronsky ein Buch geschrieben, in dem Mathematik die Hauptrolle spielt. "Pi mal Daumen", heißt es. Es spielt an einer Universität irgendwo in Deutschland und erzählt von zwei Menschen, deren einzige Gemeinsamkeit ihre Begeisterung für Mathematik ist: Moni ist alleinerziehend, schon Großmutter und muss neben dem Studium mehrere Jobs wuppen. Oscar dagegen hat einen Adelstitel, ist hochbegabt, noch nicht mal volljährig und hat Angst vor U-Bahnen, Keimen und Menschen. Die beiden werden trotz allem Freunde. Ein modernes Märchen!
Erschienen bei Kiepenheuer&Witsch
Julia Fritzsche empfiehlt: "Und alle so still" von Mareike Fallwickl
Plötzlich liegen lauter Frauen auf der Straße. Sie können nicht mehr. Sie liegen einfach da. Und sie werden immer mehr. Es ist ein altes Thema: Verweigerung als feministischer Protest. Doch diese Frauen protestieren nicht, rebellieren nicht, leisten keinen Widerstand. Sie liegen nur da, ruhig, erschöpft – "und alle so still", wie der Titel sagt. Sie liegen auf der Straße vor dem Krankenhaus, in dem eine der drei Hauptfiguren arbeitet: Ruth ist Krankenschwester. Was soll sie tun? Auch die Arbeit niederlegen. Wer mal einen Streik des Pflegepersonals erlebt hat, weiß, wie schwer das ist. Hier liegen Kranke im Bett, keine Waren auf dem Band. Kann sie einfach gehen? Vor allem jetzt, wo ins Krankenhaus immer mehr Kranke und Verletzte kommen. Denn die üblichen Versorgerinnen – suprise: Frauen – versorgen nicht mehr. Und viele Männer rasten, angesichts der Verweigerung, von Frauen, aus und werden gewalttätig. Dabei ist Mareike Fallwickl nicht binär unterwegs, sondern entfaltet auch interessante männliche Figuren. Ein irrer Plot und Sog.
Erschienen bei Rowohlt Verlag
Michael Bartle empfiehlt: "Ein Sohn von zwei Müttern" von Franz Dobler
Franz Dobler schreibt Krimis. Und Gedichte. Nun ist zum ersten Mal ein autobiografischer Roman von ihm erschienen. "Ein Sohn von zwei Müttern" erzählt die Geschichte einer Adoption und von einem bayrischen Jungen mit persischen Wurzeln. "Ich glaube, dass es Bücher gibt, die man erst mit fortgeschrittenem Alter schreiben kann", erzählt Dobler im Interview. "Bis sich Erfahrungen ansammeln und auch setzen, bis man die besser überblicken kann. Ich habe im Laufe der Jahre gemerkt, da ist etwas, das beschäftigt mich immer wieder und dann dachte ich, ich muss dieses Buch aus dem Weg räumen, weil ich keine Lust habe, dass mich das immer wieder beschäftigt."
Erschienen bei Tropen
Alexandra Martini empfiehlt: "Iowa" von Stefanie Sargnagel
Die Wiener Autorin und Comiczeichnerin Stefanie Sargnagel wurde 2022 von einer Universität in Iowa eingeladen, dort ein paar Wochen zu verbringen und aufzutreten. Sargnagel nahm ihre künstlerische Freundin, die Musikerin Christiane Rösinger, mit. Herausgekommen ist ein Buch, in dem die zwei durch eine fast menschenleere Kleinstadt streunen, durch Antiquitätenläden, den Walmart und American Diners. Sie machen Ausflüge zum Mississippi, in ein Casino oder in eine Amana-Kolonie voller Christenmenschen. Ein Reisebericht, der Midwest-Klischees bestätigt und gleichzeitig auch eine Reflexion über Sarganagel und Rösinger selbst darstellt. Über die Zeit, das Hochstapler-Syndrom, das Trinken, Körperbilder und über das Älterwerden.
Erschienen bei Rowohlt
Alba Wilczek empfiehlt: die Reihe "A Court Of Thorns and Roses" von Sarah J. Maas
Diese Reihe ist mein Adult-Harry Potter-Moment. Ich bin durch die Buch-Nische auf TikTok, #Booktok, auf die fünf Bücher der US-amerikanischen Autorin Sarah J. Maas gekommen. Alle sind dort absolut begeistert davon. Ich jetzt auch, denn diese Reihe des relativ neuen Buch-Genre "New Adult" hat mich dazu gebracht, nur noch zu lesen. Frühs vor der Arbeit, mittags während dem Essen und abends vor dem Einschlafen - inklusive Handy (!) weglegen. Allein das, sollte den ein oder anderen überzeugen. On top kommt der Plot: Ein Fantasy-Land, in dem das magische Volk der Fae und stinknormale Menschen durch eine Mauer getrennt miteinander leben müssen. Eine Liebesgeschichte, die über Grenzen der Menschlichkeit geht. Jede Menge Sex. Und natürlich Krieg. Ich gebe zu: So ein bisschen ist die Roman-Reihe das 50 Shades Of Grey der Gen Z. Aber so viel besser und toll geschrieben. Ich bin verzaubert und fiebere schon auf Teil sechs hin.
Erschienen bei Bloomsbury Publishing
Ferdinand Meyen empfiehlt: "Crazy Rich" von Julia Friedrichs
Die soziale Ungleichheit wird größer, irgendwie spüren wir das – aber so Recht in Worte fassen konnten wir es bislang nicht. Noch immer gibt es nämlich kaum Daten darüber, wie groß das Vermögen der Superreichen tatsächlich ist. Der Journalistin Julia Friedrichs gelingt mit diesem Buch ein beeindruckender Anfang – der offenbart, wie groß der politische Handlungsbedarf ist. Mit dem Vermögen, das Superreiche in einem Jahr dafür ausgeben, ihre Luxusyachten instand zu halten, ließe sich zum Beispiel auf einen Schlag die Schulden aller Entwicklungsländer der Welt tilgen, schreibt Friedrichs. Ein Must-Read, das zeigt, dass es bei diesem Thema nie um Neid ging. Mit Leistung hat der exorbitante Reichtum nämlich schon lange nichts mehr zu tun. Julia Friedrichs beschreibt hier die vermutlich wichtigste Frage unserer Zeit – die in politischen Debatten noch immer zu wenig Beachtung findet.
Erschienen bei Berlin Verlag; 5. Edition
Heike Reich empfiehlt: "Der 13. Paladin" von Torsten Weitze
Wir sind in der fantastischen Welt Jorath. Von seinem trunksüchtigen Vater verprügelt und von der Dorfjugend schikaniert, kann der heranwachsende Ahren sein Glück kaum fassen, als er bei der alljährlichen Eignungsprüfung von Falk dem Waldläufer als Lehrling auserwählt wird. Bei ihm lernt er das Bogenschießen und den Kampf gegen Dunkelwesen, bis am Tag der Frühlingszeremonie etwas Unerwartetes geschieht: Als Ahren den Götterstein berührt, beginnt dieser zu leuchten. Kurze Zeit später taucht ein mürrischer Magier auf und treibt Falk und Ahren zur Eile an, denn etwas Böses, etwas Großes ist dabei, zu erwachen. Gemeinsam mit seinen ungleichen Gefährten begibt sich der junge Waldläufer in 13 Teilen auf gefahrvolle Reisen um deren Hilfe zu erbitten. Doch die Zeit ist knapp, denn er hat es auf Ahren abgesehen. Mir können Bücher ja gar nicht dick genug sein, ich liebe es, über einen längeren Zeitraum in andere Welten zu schlüpfen, in diesem Jahr hat's mir Ahren angetan.
Erschienen bei bene Bücher
Julia Fritzsche empfiehlt: "Schwindel" von Hengameh Yaghoobifarah
Der zweite Roman von Yaghoobifarah ist als Kammerspiel angelegt, als plotreiche Geschichte über vier junge queere Menschen, die auf einem Dach eingesperrt sind: die vier suchen Ausgänge, müssen Essen, Trinken und ihre Zweifel teilen. "Ich hatte einfach Lust auf die Idee, vier Leute auf ein Dach einzusperren", sagt Hengameh Yaghoobifarah im Interview. "Und da war aber auch klar, dass es viel um Queerness und Begehren geht." Die Autor*in hat einen ganz eigenen Sound. Schon im Debütroman "Ministerium der Träume" haben einige Leser*innen mit der Szenesprache nicht relaten können, erzählte Yaghoobifarah mal. In "Schwindel" dürfte manchen noch schwindeliger werden. Yaghoobifarah schreibt für Menschen, die vertraut sind mit der Sprache des Queerfeminismus, der Drogenkultur und der Therapie-Sessions ("Dissoziiieren", "Procession", "TERF", "MILF", "Chemsex", "clitmatized", "Poppers", "Jockstraps"). Es ist wie in einer anderen Sprache zu lesen und es fehlen einem manche Wörter: In der Regel ergibt sich die Übersetzung aus dem Kontext ("ich kann uns allen kool-aid einschenken. wär doch ein lustiges prop, wenn wir gefunden werden."). "Schwindel" ist ein urbanes Glossar in Romanform. Anglizismen sind da noch das wenigste.
Erschienen bei Aufbau Verlag
Sandra Limoncini empfiehlt: "Demon Copperhead" von Barbara Kingsolver
Damon Copperhead kommt auf dem Boden eines Trailers in den Wäldern Virginias zur Welt. Seine drogenabhängige Teenager-Mutter ist bewusstlos, sein Vater tot. Das Buch heißt nicht zufällig so ähnlich wie David Copperfield. Es geht auch hier um die Lebensgeschichte eines Jungen, der zum Waisen wird und sich mehr als schlecht durchschlägt. Allerdings spielt die Geschichte nicht Ende des 19. Jahrhunderts, sondern in den 1990er- und 2000er- Jahren. Demon wird durch verschiedene Pflege-"Familien", durchgereicht, die ihn auf Tabakplantagen schuften oder für Crystal Meth-Labore arbeiten lassen; bei denen er unter menschenunwürdigen Verhältnissen hausen und auch hungern muss. Aber trotz seines harten Lebens und der vielen Ungerechtigkeiten, die ihm widerfährt, verliert Demon nie den Sinn für das Schöne in der Welt und das Mitgefühl für andere Menschen. Eines der besten Bücher, das ich seit langem gelesen habe. Klassischer Page Turner!
Erschienen bei dtv Verlag
Ralf Summer empfiehlt: "Auf Allen Vieren" von Miranda July
Ein irrer Ritt durch die (Peri-)Menopause. Die preisgekrönte US-Künstlerin, die auch als Film-Regisseurin bekannt ist ("Me And You And Everyone We Know", "Kajillionaire") hat einen Roman verfasst, in dem eine 45-jährige Frau auf einer Fahrt durch die USA eine aussereheliche Affäre beginnt, was zu einer Art sexuellen Erwachens führt.
Erschienen bei Kiepenheuer&Witsch
Alba Wilczek empfiehlt: "22 Bahnen" von Caroline Wahl
Eines der kommerziell erfolgreichsten Bücher 2024. Und ich sage: Zurecht! Wir folgen der starken Tilda, die quasi alleinerziehend verantwortlich ist für ihre alkoholkranke Mutter und ihre kleine Schwester. Leidiglich beim Schwimmen findet sie die ersehnte Entspannung und Freiheit weg von aller Verantwortung. Es geht um Schuld, Sucht, Tod, die Zukunft, komplizierte Mutter-Kind-Beziehungen und natürlich - Liebe. Eine berührende Geschichte, die gar nicht so "neu" anmutet, aber einen trotzdem unwiederbringlich in ihre Fluten zieht.
Erschienen bei Dumont
Julia Fritzsche empfiehlt: "Doppelgänger" von Naomi Klein
Ich selbst habe die Autorin Naomi Klein vor rund zehn Jahren mal verwechselt. Und zwar mit Naomi Wolf. Erst bei der Lektüre von Naomi Wolfs "Doppelgänger" fiel mir das wieder ein. Und wie ich bei der Lektüre erfahre, bin ich nicht die Einzige. Viele verwechseln die beiden Naomis. Beide sind nordamerikanische Autorinnen, die populäre Sachbücher schreiben. Doch die eine – Naomi Klein – ist Kapitalismuskritikerin und dezidierte Linke, die andere – Naomi Wolf – war eine gefeierte feministische Autorin, wurde aber nach groben Fehlern bei wissenschaftlichen Recherchen von der Öffentlichkeit kritisiert. Enttäuscht wendet sie sich von da an vom Medien-Mainstream ab – und findet in der Verharmlosung des Corona-Virus' ein Thema, mit dem sie sich Gehör bei Rechten verschafft. Der rechtextreme Stratege Steve Bannon, enger Vertrauter von Trump, nutzt Wolfs Suche nach Anerkennung und lädt sie in immer engerer Taktung in seine Shows. Als vorgeblich Liberale schmückt sie von da an immer mehr rechte und rechtsextreme Politik. Anhand von Naomi Wolfs Werdegang beschreibt Naomi Klein eines der Hauptprobleme unserer Zeit, Radikalisierung. Ein echter Page Turner.
Erschienen bei S. Fischer Verlag
Alexandra Martini empfiehlt: "Haus aus Wind" von Laura Naumann
Vielschichtiges late coming of age einer lesbischen ost-sozialisierten Synchronsprecherin – die vor dem inneren "Rasen", ihren Angstzuständen wegläuft und sich an der portugiesischen Algarve in der queeren Surfszene verliert. Laura Naumann, Autorin und Mitgründerin des Performancekollektivs "Henrike Iglesias", beschreibt eine berührende Selbstsuche der Protagonistin und verhandelt gleichzeitig Queerness, Ost-Sozilaisierung, Mentale Gesundheit und Queerfeindlichkeit im Surfsport. Mitunter ist das Buch witzig, zum Beispiel wenn sie - wertfrei aber doch selbstironisch - die Aussteiger*innencommunities in Südportugal besucht.
Erschienen bei S. Fischer Verlag
Sandra Limoncini empfiehlt: "Pudels Kern" von Rocko Schamoni
"Pudels Kern" lautet der Titel des Buches. Ist das hier etwa "Faust"? In der Tragödie verbirgt sich im schwarzen Pudel Mephisto. Wir sind hier aber nicht bei Johann Wolfgang von Goethe. Sondern bei Rocko Schamoni. Und der hat was übrig für den Pudel, für die Metapher. Auch er will ans Tageslicht zerren, was bis dahin verborgen blieb: "Der Pudel hat ja verschiedene Ebenen und ich freu mich immer, wenn man durch verschiedene Ebenen durchwandern kann, weil eindimensional kann man schon häufig genug sein", erklärt er im Gespräch. Und so ist Mehrdimensionalität Programm in "Pudels Kern". Rocko Schamoni erzählt darin einen weiteren Teil seiner Lebensgeschichte – quasi der Tragödie zweiter Teil – anhand der Karriereschritte, die er macht. Und er beschreibt seinen Kampf mit sich selbst, denn er zweifelt und verzweifelt an sich und seiner Kunst. Auf Basis alter Tagebücher, Kalender und Notizen rekonstruiert er minutiös sein Leben im Hamburg der 80er-Jahre. "Pudels Kern" ist die buchgewordene Doppeldeutigkeit, popkulturelle Chronik einer Musikszene und Selbsterfahrungsbericht eines zweifelnden Künstlers. Manchmal schmerzhaft zu lesen, aber dabei wahnsinnig unterhaltsam und mitreißend.
Erschienen bei hanserblau
Ferdinand Meyen empfiehlt: "Down With The System" von Serj Tankian
Ein Muss für Fans von „Pop und Politik“. In einem Buch, das halb Autobiographie, halb aktivistische Streitschrift ist, verarbeitet Serj Tankian sein Leben. Zwischen Chart-Erfolgen und politischen Shit-Storms zeigt die Buchpremiere des Frontmanns von System of a Down, was den amerikanisch-armenischem Sänger so politisiert hat – erkennt die Türkei den Völkermord an seinen Vorfahren doch bis heute nicht offiziell an. Aus dem Leben des Sängers der legendären Metalband „System of a Down“ kann man viel ableiten über Politik und Ungerechtigkeit – und sich inspirieren lassen, für die richtige Sache einzustehen, egal was andere denken. Serj Tankian sagt im Interview: „Es ist sehr einfach, die Wahrheit zu sagen, wenn die öffentliche Meinung auf deiner Seite ist. Die wahre Herausforderung ist, die Wahrheit auch dann zu sagen, wenn sie es nicht ist. Für einen Aktivisten aber, darf die öffentliche Meinung kein Kriterium sein. Er muss für die richtige Sache kämpfen, egal was passiert.“ Ein Buch, das offenlegt, warum die hochpolitischen und kriegskritischen System-of-a-Down-Songs noch heute so aktuell sind.
Erschienen bei Hachette Books
Johanna Hintermeier empfiehlt: "Wie Sterben geht" von Andreas Pflüger
Wer ihn noch nicht kennt, hat das Vergnügen sich jetzt noch ganz schnell ALLE Andreas Pflüger Bücher vor den Feiertagen zu besorgen und dann vor lauter schmökern nicht mehr von der Couch aufzustehen. „Wie sterben geht“ ist ein hoch explosiver Thriller, der in Moskau in den 1980ern mitten im kalten Krieg spielt. Ein junge Agentin führt eine Quelle beim russischem Geheimdienst KGB. Eisig ist der Winter, eisig die Beziehung zwischen Ost und West und eisern konsequent peitscht der Autor die Leserin von einer unerwarteten Wendung in die nächste. Das besondere an den Thrillern: der ehemalige Chef des Bundes Kriminalamts Deutschland ist einer von Pflügers besten Freunden. Viel Stoff basiert also auf wahren Ereignisse und einer unglaublichen Kenntnis über den deutschen Sicherheitsaparat. Wo genau Fiktion und Realität ineinander verschmilzt, das schlüsselt Pflüger am Ende auf. "Wie Sterben geht“ und "Ritchie Girl“ (2021) sind die must-reads von Pflüger.
Erschienen bei Suhrkamp Verlag
Ralf Summer empfiehlt: "Wir Sind Die Roboter" von Uwe Schütte
Trotz der vielen anderen Bücher über Kraftwerk, den elektronischen Beatles aus Düsseldorf, ist "Wir sind die Roboter: Kraftwerk und die Erfindung der elektronischen Pop-Musik" sehr lesenswert. Auch weil der Autor sich auch ua die Frage stellt, wieso die Musik heute nicht mehr so futuristisch klingt, wie zur Hochzeit der Band in den 70ern / 80ern, als sich die Entwicklung der elektronisch-geprägten Pop-Musik noch in deutlichen Sprüngen vollzog.
Erschienen bei btb Verlag
Alexandra Martini empfiehlt: "Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes" von Giulia Becker
Im Giulia-Becker-Verse entsteht Comedy da, wo vorgesehene Abläufe gestört werden, und die Dinge aus der Bahn geraten. Und das tun sie hier in vielen kürzeren Geschichten - wenn sich die Autorin – angeblich aus Versehen – in einen Media Markt einschließen lässt und dort eine ekstatische Nacht zwischen Kontaktgrill und Hoverboards verbringt. Erholen kann man sich davon dann in anderen Kapiteln, mit Selbsttests ("Bin ich ein*e Verschwörungstheoretiker*in?") und "abschließenden Meinungen" über das Wandern, den Schlaf - oder die Gitarre. Wobei letztere womöglich die halbe Republik gegen sie aufbringt. Aber "als Bassistin", sagt Giulia Becker im Zündfunk Interview, "sei sie Kummer eh gewohnt."
Erschienen bei Rowohlt