“Die Bossin” von Marina Buzunashvili Ein Buch für alle zukünftigen Bossinnen des Musikbiz
Marina Buzunashvili schaffte es von ganz unten an die Spitze des deutschen Rap- und Musik-Business. Im Buch “Die Bossin” beschreibt sie ihren Aufstieg – und gibt dabei Einblicke nicht nur hinter die Kulissen des Musikgeschäfts, sondern auch in die Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft. Musikjournalist Falk Schacht hat das Buch gelesen und mit Marina Buzunashvili gesprochen.
Bis September 2024 war Marina Buzunashvili Director of Public Relations bei Sony Music, und damit quasi die wichtigste PR-Person bei einem der größten Musiklabels der Welt. Sie hat dabei mit Künstlern wie Robbie Williams und auch Adele gearbeitet. Aber ihr Weg an die Spitze war alles andere als einfach und begann vor 20 Jahren in der Hip-Hop-Szene, wo sie mit allen wichtigen Acts zusammengearbeitet hat; von Bushido bis Haftbefehl.
Bevor Marina Buzunashvili eine Wegbereiterin der deutschen Rap-Szene wurde, musste sie eine schwierige Kindheit und Jugend in Berlin-Kreuzberg durchleben. Sie hatte zu kämpfen mit der Drogenabhängigkeit ihrer Schwester und den psychischen Problemen ihrer Mutter. Sie war deshalb schon in jungen Jahren gezwungen, viel Verantwortung zu übernehmen und immer Stärke zu zeigen – während sie gleichzeitig einen Traum hatte: Es irgendwie in die Musikindustrie zu schaffen. “Ich konnte mir nichts Krasseres vorstellen, weil ich keinen Plan B hatte”, sagt Buzunashvili im Zündfunk-Interview.
Viele Schubladen passen nicht: Zu bossig, zu unweiblich und nicht schön genug
Plattenbauten im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Marina Buzunashvili wuchs dort umgeben von Drogen und Kriminalität auf.
Ihre schwierige Jugend ist für sie das Fundament einer, wie sie es nennt, „Boss-Mentalität“. Und die ist auch das zentrale Thema ihres gerade erschienenen Buches. Ihre Boss-Mentalität wird ihr letztlich dabei helfen, sich in der männerdominierten Hip-Hop-Szene zu etablieren. Doch diese robuste Haltung bringt auch Schwierigkeiten mit sich.
Im Buch beschreibt sie ihr Verhalten selbst als “unweiblich”. Obwohl sie dadurch in der Männerwelt der Musik ernster genommen wird, führt es gleichzeitig dazu, dass sich andere Frauen aus der Branche von ihr abwenden: “Für feministische Gruppierungen oder feministische Kämpfe war ich nicht feministisch genug. Es gibt immer irgendwelche Schubladen, in die ich nicht reingepasst habe”, sagt Buzunashvili. Dennoch sei sie nie “antifeministisch” gewesen: “Ich hatte nicht den Luxus, darüber nachzudenken, ob ich einen feministischen Ansatz habe oder nicht, denn es ging immer ums Überleben.”
Sie wollte, oder musste, unbedingt raus aus Kreuzberg, raus aus dem Kiez, sozial aufsteigen. Kolleginnen mit einer privilegierten Herkunft konnten Marina Buzunashvilis Erlebnisse im “Ghetto” nicht nachvollziehen, und machten ihr das auch deutlich.
Marina Buzunashvili prägte den Aufstieg vieler deutscher Rapper, unter anderem Haftbefehl, der hier bei der Echo-Verleihung 2014 abgebildet ist.
Und auch mit den Männern im Hip-Hop-Geschäft lief nicht immer alles glatt. So riet ihr mal ein Künstler, Schönheitsoperationen zu machen. Und sie musste ständig unter Beweis stellen, dass sie als Frau Gangsta-Rap überhaupt promoten kann. “Es war oft sehr schwer, dass Menschen mir immer wieder gesagt haben, ich passe nicht rein oder ich bin dafür nicht gut genug; oder ich bin nicht hübsch, ich kann mich nicht artikulieren, ich bin ungebildet”, erinnert sich Buzunashvili.
In den Nullerjahren, mit Mitte zwanzig, beginnt Marina Buzunashvili in einer Agentur zu arbeiten. Erst als Buchhalterin – dann wird ihr PR-Talent entdeckt und sie steigt immer weiter auf. Sie gründet ihre eigene Agentur und führt deutsche Hip-Hop-Künstler zu ihren ersten Chart-Erfolgen; bis die Major Labels auf sie aufmerksam werden und ihr das Angebot machen, die Leiterin der PR bei Sony zu werden.
Mehr als nur Boss-Gelaber
“Die Bossin” ist aufgeteilt in 20 Learnings, denen jeweils ein Kapitel gewidmet ist, in denen Marina Buzunashvili zum Beispiel erzählt, wie sie lernte, sehr direkt ihre Meinung zu sagen, auch dem Chef oder Auftraggeber gegenüber. Zum Beispiel, wenn sich Personen aus der Entourage eines berühmten Rappers danebenbenommen haben, war sie die Einzige, die das dem Rapper ins Gesicht gesagt hat. Diese Learnings waren auch deshalb so schwer, weil immer noch Frauen in Führungspositionen fehlen, und damit auch weibliche Vorbilder.
Deshalb funktioniert das Buch auch als Ratgeber, als Inspiration für Mädchen und Frauen, die ähnlich schwierige Startbedingungen haben wie Marina Buzunashvili. Schon bei ihrem eigenen Werdegang habe sie auch Schicksalsgenossinnen im Kopf gehabt, erzählt sie: “Ich habe gedacht, okay fuck it, ich mach das jetzt, weil irgendwo eine kleine Marina sitzt, die vielleicht auch Träume hat und denkt, ‘ich werde nie was schaffen, weil ich einfach nicht dieselben Möglichkeiten im Leben habe’, und dieser Marina bin ich es schuldig.”
Ratgeber-Buch für kleine Marinas
“Die Bossin” bietet einen spannenden Blick hinter die Kulissen des Rap- und Musikgeschäfts und ist tatsächlich ein Wegweiser für die kleinen Marinas von heute. Gleichzeitig lernt man auch etwas über die immer noch fehlende Chancengleichheit in Deutschland. Wenn Menschen aus Armutsverhältnissen sich hocharbeiten können, dann oft im Sport, oder im Musikgeschäft. Was daran liegt, dass es in diesen Branchen vielmehr darauf ankommt, was jemand kann, und weniger, in welche Familie man geboren wurde. Aber das Buch zeigt auch, wo es immer noch knirscht im Getriebe unserer Gesellschaft, und was Geschlecht, Klasse und Herkunft damit zu tun haben.
“Die Bossin: Von der Hood an die Spitze des Musikbusiness” von Marina Buzunashvili. Erschienen im Penguin Verlag. 256 Seiten, 18 Euro.