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"The Penguin" Der Batman-Spin-Off zeigt, wie aussichtlos Aufstieg in dieser Gesellschaft ist

Batman ist der Held aus dem Establishment. Der maskierte Milliardär, der die gesellschaftliche Ordnung verteidigt. Die neue HBO-Serie über den vermeintlichen Batman-Bösewicht "The Penguin" stellt diese Erzählung auf den Kopf. Eine Kritik.

Von: Ferdinand Meyen

Stand: 15.10.2024

Oswald Cobb und Victor in der Serie "The Penguin" | Bild: Courtesey of Sky/Wow/HBO

Achtung: Diese Kritik der Rubrik "Zündfunk Popcorn" enthält kleine Spoiler der neuen HBO-Serie "The Penguin".

Victor hat einen richtigen Scheißjob. Er ist Fahrer und Handlanger des Batman-Schurken "The Penguin", der gleichnamigen Hauptfigur der neuen HBO-Serie. Und Victors Aufgaben sind so schrecklich, dass eine Stelle als Dixiklo-Entleerer dagegen wie ein Traumjob wirkt. Victor muss Drogen verticken, den Wagen seines Bosses unter Maschinenpistolenbeschuss durch die Straßen Gothams lenken, sogar Gräber schaufeln für die Leichen, die den Weg des Penguins pflastern. Aber weil dem stotternden Arbeiterkind mit südamerikanischen Wurzeln genau das gefällt, ist er die vermutlich spannendste Figur des neuen Batman-Ablegers, der nicht aus dem DC-Universum stammt, sondern aus dem Elseworlds-Universum, dem man auch die Batman-Filme um Robert Pattinson zuordnen kann.

Zündfunk Popcorn: Filme und Serien auf den zweiten Blick

In der Kolumne "Zündfunk Popcorn" berichten die Zündfunk-Reporter*innen Paula Lochte und Ferdinand Meyen alle zwei Wochen über aktuelle Kino- und Streamingtipps. Im Fokus: Die Indie- und Geheimtipps unter den Blockbustern. Fesselnd und politisch inspirierend.

Darum geht es in der neuen Batman-Serie "The Penguin" 

In der neuen Batman-Serie "The Penguin" geht es um Oswald Cobb, alias "The Penguin", gespielt von Colin Farrell. Eine Figur, die schon im Vorgängerfilm "The Batman" eingeführt wurde. In acht, knapp einstündigen Folgen schauen wir dem gehbehindertem, entstelltem Gangster bei seinem Aufstieg in der Unterwelt von Gotham City zu. Neben Colin Farrell sehen wir Cristin Milioti als Sofia Falcone in der weiblichen Hauptrolle. Sie spielt die Tochter des Mafiosos Carmine Falcone, der in "The Batman" von Matt Reeves ums Leben gekommen ist. Durch Carmines Tod ist in Gothams Unterwelt ein Machtvakuum entstanden, das die Figuren für sich nutzen wollen. Unterstützung bekommt der Penguin dabei von eben Victor, gespielt von Rhenzy Feliz. Den erwischt Oswald Cobb beim Versuch, sein Auto zu klauen. Weil er ihm aber irgendwie sympathisch ist, macht der Penguin Victor zu seinem ganz persönlichen Dixiklo-Entleerer. Ein Job, den Victor gerne macht, weil ihm als Arbeiterkind in diesem Gotham-City keine andere Wahl mehr bleibt.

"The Penguin" ist Tony Soprano in Gotham City

Das Kochrezept aus "The Penguin" ist an sich nicht neu. Figuren, die abscheuliche Verbrechen begehen, uns aber trotzdem ans Herz wachsen sollen. Weil sie moralisch ambivalent sind, das Drehbuch erstklassig geschrieben ist und der Cast einen guten Job macht. Der Penguin selbst erinnert dabei stark an Tony Soprano oder Frank Underwood aus "House of Cards". Vor allem aber punktet die Serie mit ihrer politischen Relevanz. Im Vorfeld wurde stark darüber diskutiert, ob das nicht fettfeindlich sei – Colin Farell im Fatsuit, dazu noch mit Hinkebein und entstelltem Gesicht als abscheulicher Verbrecher. Aber darum geht es bei "The Penguin" gar nicht. Die zentrale Botschaft, die die Serie vermittelt, ist die Aussichtslosigkeit von Aufstieg in dieser Gesellschaft. Und dafür gibt es kein passenderes Pflaster als Gotham, die dystopische Version New Yorks.

"The Penguin" stellt die soziale Frage

Diese beiden spielen in "The Penguin" zum Glück nicht mit.

So gut wie "The Penguin" hat kaum eine Serie die Krise des Spätkapitalismus und die soziale Frage thematisiert. Gerade weil sie in der Welt des Batmans spielt. Schließlich war und ist Batman ein Milliardär, der die gesellschaftliche Ordnung als maskierter Rächer verteidigt, während Politik und Justiz versagen. Im coolen, schwarzen Outfit, mit tiefer Stimme und erstklassiger Kampftechnik war Bruce Wayne, das rich Kid, die letzte Bastion gegen die vielen Schurken, die in vorherigen Filmen oft als Warnung für diejenigen dienten, die von radikaler Veränderung träumten. Nolans Joker zum Beispiel, das Negativ-Beispiel eines Anarchisten, der die Welt nur brennen sehen will. Oder der Riddler in "The Batman", einen trumpistischen Proud-Boy-Verschnitt, der den Sturm auf’s Kapitol nachspielt und die herrschende Ordnung untergehen sehen will. Beides keine Sympathie-Träger. 

In dieser Welt darf es keinen Batman mehr geben 

In "The Penguin" sehen wir gar keinen Batman. Denn die zentrale Botschaft dieser Serie ist, dass in dieser Gesellschaft nur noch der erfolgreich ist, der über Leichen geht. Nehmen wir zum Beispiel Sofia Falcone. Ihr wird, Achtung kleiner Spoiler, von ihrem Vater und den herrschenden Männern der Falcone-Mafia-Familie richtig übel mitgespielt. So übel, dass sie ins Arkham Asylum muss (hier kritisiert "The Penguin" auch das US-Gefängnis-System). Um sich gegen die patriarchalen Strukturen aufzulehnen, bleibt ihr am Ende nichts anderes als Skrupellosigkeit. Einen guten Milliardär wie Bruce Wayne, der sein Vermögen für Gutes einsetzt, kann es in dieser dystopischen Storyline gar nicht mehr geben. Damit löst sich "The Penguin" auch von der zentralen Rechtfertigung des amerikanischen Kapitalismus: Dass perverser Reichtum schon irgendwie ok ist, weil die Milliardäre der Gesellschaft auch etwas zurückgeben. Aber funktioniert diese Erzählung so heute überhaupt noch? In ihrem Bestseller "Crazy Rich" beschreibt die Autorin Julia Friedrichs, dass das Geld der Superreichen, das sie pro Jahr ausgeben, um ihre Luxusjachten instand zu halten, ausreichen würde, die Schulden aller Entwicklungsländer der Welt zu tilgen.

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The Penguin | Offizieller Trailer | Sky & WOW

Victor ist der Anti-Batman 

Der amerikanische Traum ist ein Schwindel, sagt Oswald Cobb einmal zu Viktor. Der gute alte Victor, das stotternde Arbeiterkind mit südamerikanischen Wurzeln. Er ist Batmans Anti-These. Denn genau wie Bruce Wayne verliert er seine Eltern bei einem tragischen Unglück. Als der Riddler Gotham im Vorgängerfilm "The Batman" überflutet, stirbt seine Familie. Weil sie nicht im Penthouse oder dem Haus auf dem Hügel wohnt, sondern in einer Wohnung in der Nähe des Flusses, die von der Flutwelle als erstes zerstört wird. Und Victor hat keinen Butler, kein Grundstück und kein Geld für eine Ninja-Ausbildung oder ein Batmobil. Keine Möglichkeit zur Selbstermächtigung nach dem Verlust seiner Familie, da kann er noch so viel arbeiten, noch so viel "Leistung" bringen. Wirklicher Aufstieg funktioniert für ihn nur als Dixiklo-Entleerers des Penguins. Und Viktor braucht diesen Aufstieg, weil er gelernt hat, dass die normalen Bürger diejenigen sind, die in den Konflikten der Reichen und Mächtigen als erstes in den Flutwellen ertrinken. Angewidert und gleichzeitig fasziniert kann man sein von der Selbstermächtigung der Victors, Oswalds und Sofias in diesem System, das eigentlich verloren ist. Was "The Penguin" zu einer der Serien des Jahres macht.  

"The Penguin" ist in Deutschland bei den Streamingdienstleistern Wow und Sky zu sehen.