Berlinale 2024 Diese drei Dokus solltet ihr in diesem Jahr nicht verpassen
Eine spanische Version von Bonnie und Clyde ("Deprisa, deprisa"), Schafhirten am südlichen Rand des Westjordanlands ("No other Land") und ein Rockstar, der zeigt: Man muss nicht Madonna sein, um zur Legende zu werden ("Teaches of Peaches"). Drei Doku-Tipps von der Berlinale 2024.
"Deprisa, deprisa"
Eine Wiederentdeckung in der Sektion Berlinale Classics ist "Deprisa, deprisa" vom spanischen Meisterregisseur Carlos Saura, der damit 1981 den Goldenen Bären gewann. Es ist die Geschichte einer jugendlichen Bande von Bankräubern aus den Vorstädten von Madrid, dargestellt von Amateuren, die sich quasi selbst spielen. Zwei von ihnen hatten sogar während der Dreharbeiten Stress mit der Justiz. Saura zeichnet das Portrait einer marginalisierten Generation, die in den schwierigen Jahren nach Ende der faschistischen Franco-Diktatur keinen ethischen und wirtschaftlichen Halt findet und sich ihre Regeln selbst schreibt. So leben die Jugendlichen in den Tag hinein, sniffen Heroin, hängen in Spielhallen und Discos ab, machen Schießübungen und klauen für den nächsten Banküberfall den nächsten bildhübschen Fiat, der danach abgefackelt wird.
Im Zentrum steht die Romanze zwischen Pablo und Angela, die sich die ewige Liebe schwören, eine spanische Version von Bonnie und Clyde. Und von Bonnie und Clyde wissen wir, dass so eine Geschichte nicht gut ausgehen kann. "Deprisa, deprisa", der den Höhepunkt des Cine kinki darstellt, des spanischen Exploitation-Genres über Jugendkriminalität, war damals auch international ein großer Erfolg. In der Bundesrepublik gab es allerdings Stimmen, die ihn wegen Drogen- und Gewaltverherrlichung verbieten wollten. Nun liegt er in einer restaurierten 4K-Version vor. Und der mitreißende Flamenco- und Disco-Soundtrack will einem so schnell nicht mehr aus dem Ohr.
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"Deprisa, deprisa" | Trailer | Berlinale 2024
"No Other Land"
Der vielleicht brisanteste Film der diesjährigen Berlinale ist "No Other Land". Die Doku schildert den Kampf von Masafer Yatta, einer kleinen Gemeinde von Schafhirten am südlichen Rand des Westjordanlands, gegen die israelische Besatzungsmacht. Angeblich soll das Gebiet ein militärisches Übungsgelände werden. Über 20 Jahre brauchte ein israelisches Gericht, um über eine Klage der Bewohner gegen die Vertreibung zu entscheiden. Sie wurde abgelehnt. Mittlerweile ist bekannt, dass die angebliche Umwandlung zum Militärgelände nur ein Vorwand war.
Basel Adra wird in diese Situation hineingeboren. Seine früheste Erinnerung ist die an die erste Verhaftung seines Vaters, wie er hier erzählt. Basel und der israelische Journalist Yuval Abraham sind die Protagonisten des Films. Sie dokumentieren, wie in regelmäßigen Abständen ein Konvoi in das Dorf einfällt, drei Militärjeeps, drei Bulldozer und noch mal drei Militärjeeps. Der immer gleiche sonnenbebrillte Beamte verteilt die Räumungstitel. Immer geht es blitzschnell, jeder Widerstand wird mit Gewalt unterbunden. Die Bewohner bauen dann wieder auf, bis sich der nächste Militärkonvoi durchs Tal schiebt.
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Berlinale 2024 : "No other land", film documentaire
"Teaches of Peaches"
Im Herbst 2000 erschien das Album "The Teaches of Peaches" auf dem Berliner Label Kitty-Yo, ein feministisches und sexpositives DIY-Statement der Kanadierin Merrill Beth Nisker, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Peaches. 24 Jahre später ist der Pfirsich nun reif für ein filmisches Denkmal. "Teaches of Peaches" begleitet die Künstlerin samt ihrer Band auf der Jubiläumstour vor zwei Jahren und stöbert in Archivmaterial aus ihren Anfangstagen in Toronto und Berlin. Wie so oft war der entscheidende Funke eine spontane Jamsession in einem Proberaum in Toronto 1995. Aus dieser Session formte sich die Band The Shit inklusive den späteren Stars Mocky, Chilly Gonzales und Peaches. Mit Chilly Gonzales nimmt Peaches ein paar Jahre später den Berliner Underground im Sturm. Audience first ist die Devise, die Show muss im Mittelpunkt stehen.
Ein Vierteljahrhundert später unterrichtet Peaches, mittlerweile Mitte Fünfzig, ihre neue junge Live-Gitarristin, wie sie das Publikum um den Finger wickelt. Sei einfach der coolste und most sexy Rockstar on earth. Schnitt, und schon sehen wir die gerade noch etwas schüchterne Gitarristin halbnackt und mit irrer Irokesenfrisur auf der Bühne in ihrem Element. Peaches hat so eine ganze Generation von Fans und Musiker:innen befreit und beeinflusst. Teaches of Peaches ist ein Muss für diese Fans, schon allein wegen ihrer fantastischen Bühnendesigns. Man muss nicht Madonna sein, um zur Legende zu werden.
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Peaches - TEACHES OF PEACHES documentary trailer
Alle Termine zu "Deprisa, deprisa", zur Doku "Teaches of Peaches" und zu "No other Land" auf der Seite der Berlinale.