Popcorn-Rückblick So war das Film- und Serienjahr 2024
Steht das Blockbusterkino vor dem Aus? Vielleicht. Aber diejenigen, die 2024 für ein schlechtes Kino- und Serienjahr halten, haben nur nicht genau genug hingesehen. Der Zündfunk-Popcorn Jahresrückblick präsentiert die Indie- und Geheimtipps aus 2024.
2024 war ein mieses Jahr für Filme und Serien, sagen viele. Aber das stimmt nicht! Bei genauerem Hinsehen hat 2024 viele Schätze parat, die die Feiertage mit Freunden und Familie versüßen, versalzen oder unfreiwillig politisieren könnten. Der zweite Blick zeigt außerdem Trends, die im Jahr 2024 besonders hervorgestochen sind.
Überraschung des Jahres: "Challengers: Rivalen"
Beginnen wir mit der größten Überraschung des Jahres, denn der Trailer dieses Films sah auf den ersten Blick aus wie Tennis-Twilight. Aber "Challengers: Rivalen" ist weit mehr als eine schlechte Liebes-Schmonzette. Der Film erzählt die Geschichte von drei angehenden Tennisprofis. Zwei Männer (beste Freunde) und eine Frau. Zwischen den dreien entspinnt sich ein Liebesdreieck. Sie ist das absolute Ausnahmetalent im Tennis, bis sie sich verletzt. Also trainiert sie fortan einen der beiden Männer, den sie auch heiratet. Aber: Eigentlich reicht ihr das nicht. Was "Challenger: Rivalen" so besonders macht: Grandioser Soundtrack, grandiose Kamera-Arbeit und eine grandiose Botschaft, die vor den Folgen der Kommerzialisierung der Liebe warnt. Die Soziologin Eva Illouz sagt: "Mit der Liebe verhält es sich wie mit dem Markt: Frauen und Männer begehren immer das am meisten, was knapp ist, was sich ihnen entzieht." Diese Kommezialisierung führe laut Illouz zu einem Ende der Liebe. Die Konsequenzen davon zeigt dieser elektrisierende Streifen des "Call-Me-By-Your-Name"-Regisseurs Luca Guadagnino (Der mit "Queer" in diesem Jahr gleich nochmal ins Kino kommt).
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CHALLENGERS - RIVALEN - Trailer#1 Deutsch German (2024)
Blockbuster des Jahres: „Dune: Part Two“
Was die Blockbuster anging war 2024 tatsächlich eher ein maues Jahr. Die großen Produktionen sorgten für durchschnittliche Stunden, da helfen auch "Glicked"-Memes, Crossovers aus Wicked und Gladiator, nichts. Egal ob in Serien- ("Die Ringe der Macht", "House of the Dragon") oder in Filmform ("Gladiator 2", "Deadpool 3", "Megalopolis", "Planet der Affen, Teil 543"). Nur ein Sequel überzeugte wirklich: "Dune: Part Two". Das Star Wars für Intelektuelle ist unser Blockbuster des Jahres – vor allem, weil er dem Wunsch nach starken Führungsfiguren und Helden eine klare Absage erteilt. Aufgrund seiner Bildgewalt sind wir traurig, dass wir diesen Film nicht nochmal im Kino sehen können. Lisan al Gaib!
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DUNE: PART TWO – Trailer #3 Deutsch German (2024)
Queeres Kino: Die „Funisierung“ von Homosexualität
Ein weiterer Film-Tipp (wenn auch nicht für Weihnachten, weil traurig…): "All Of Us Strangers". Die Geschichte eines homosexuellen Liebespaars erzählt vom Ausgestoßen werden von der eigenen Familie, mit einem brillanten Andrew Scott ("Ripley"). Das queere Film- und Serienjahr war überhaupt sehr stark! Darunter das Roadmovie "Drive-Away Dolls", die romantische Komödie "Am I Ok?" oder der blutige Thriller "Love Lies Bleeding". Also Filme unterschiedlicher Genres, die aber eine Gemeinsamkeit haben: Sie bringen einen zum Lachen. Und das ist befreiend, weil Filme über Schwule und Lesben historisch fast immer tottraurige Dramen waren. Auch weil sie vermitteln sollten: Homosexualität ist böse und stürzt euch ins Unglück. Dabei ist Queersein auch leicht, schön und lustig.
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ALL OF US STRANGERS - Offizieller Trailer - Demnächst nur im Kino | Searchlight Pictures
Kapitalismuskritik? Vor allem in Serien!
Anders als vergangene Jahre ("The Menu", "Triangle of Sadness") gab es im Kino eher wenig Herrschafts- und Kapitalismuskritik. Ganz anders dagegen die Serien. Hier überzeugen vor allem drei Mainstream-Produktionen mit tollen Drehbüchern und politischer Kritik an den Verhältnissen: Die Videospiel-Adaption "Fallout", die erzählt, warum uns der freie Markt nicht vor der Klimakatastrophe retten wird. Das Batman-Spin-off "The Penguin", das das Aufstiegsversprechen im Kapitalismus auseinandernimmt und die Sky-Rekordserie "The Day of the Jackal" mit einem fantastischen Eddie Redmayne, die offenbart wie sich Kapital, Geheimdienst und Polizei verschwören können, um Herrschaftsverhältnisse zu stabilisieren.
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The Day of the Jackal | Official Trailer | Peacock Original
2024 war das Jahr des Kino-Feminismus
Besonders stark in diesem Jahr: feministische Filme. Aus Italien kommen hier zum Beispiel die Kino-Sensation "Morgen ist auch noch ein Tag" von Paola Cortellesi und der Geheimtipp "Gloria" über eine weibliche Pop-Rebellion in einem katholischen Kloster. Gerne geht das feministische Kino dabei in die Vergangenheit, zum Beispiel auch in "Die Fotografin" oder in "Des Teufels Bad", vielleicht auch um in Zeiten des konservativen Backlashs davor zu warnen, was schon war. Oder was sein könnte. Zwei Tipps, die beide nichts für schwache Nerven sind: "Civil War" von Alex Garland, der ebenfalls die Geschichte einer Kriegsfotografin erzählt, aber im bürgerkriegszerrütteten Amerika nach Trump. Und "The Substance", ein feministischer Body-Horror-Film mit Demi Moore, der David Cronenberg stolz macht.
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Musical-Filme? Schaut lieber die Doku über Schleim-Keim
Auch Musical-Filme standen 2024 hoch im Kurs, hier lässt sich jedoch darüber streiten ob "Wicked" oder "Die Farbe Lila" wirklich progressiv sind oder doch nur Kommerz mit halbwegs progressiver Botschaft. Ein Tipp, für alle denen soetwas zu Bund ist: Die Doku "Schleimkeim – Otze und die DDR von unten". Ein Dokumentarfilm mit rebellischem Soundtrack von Punks für Punks über die Band, die den Punk in die DDR brachte – und mit deren Hilfe man den Osten nochmal besser verstehen lernt.