Kritik "House Of The Dragon" zeigt die fatalen Folgen von Machtmissbrauch und Spaltung
Die Schlachten in Game of Thrones dienten schon immer der Kritik an Kriegen. Die wird in der neuen Staffel „House of the Dragon“ jetzt auf die Spitze getrieben. Der Bürgerkrieg zwischen den Targaryens ist auch als Warnung vor Machtmissbrauch und Spaltung zu verstehen.
Warnung: Der Artikel enthält Spoiler zu „House of the Dragon“.
Choose your Fighter. Team Green oder Team Black? Das war die Promo-Kampagne der neuen Staffel „House of the Dragon“. Team Black, das sind Rhaenyra Targaryen und ihre Supporter. Zum Beispiel ihr Onkel und Ehemann, Daemon Targaryen, und die Velaryons mit ihrer riesigen Kriegsflotte. Team Green, das sind Aegon Targaryen und seine Supporter. Das sind sein Bruder Aemond Targaryen und die Familie Hightower. Beide Lager beanspruchen den Eisernen Thron von Westeros für sich – und glauben vom verstorbenen König zum rechtmäßigen Nachfolger ernannt worden zu sein. In der neuen Staffel des Game of Thrones-Spinoffs geht es also ähnlich wie im Original um die Auswirkungen dieses Konflikts auf den Fantasy-Kontinent.
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House of the Dragon - Staffel 2 | Offizieller Trailer Black | Sky
Team Green oder Team Black?
Im Vorfeld der neuen Staffel wurden gewaltige Banner an Wolkenkratzern großer Städte befestigt. Singapur, New York, London waren dann entweder in grün oder schwarz gehüllt. Die Promokampagne der Serienmacher*innen zielte darauf ab, sich für eine Seite zu entscheiden. Man veröffentlichte zwei Trailer, einen für die Greens, einen für die Blacks. Auch in Internet-Foren tobt seither ein erbitterter Kampf darüber, welcher Seite man im Kampf um die Macht jetzt die Daumen drücken soll. Manche finden die Blacks cooler, auch wegen Daemon Targaryen. Der „rogue Prince“ hat sich in Staffel eins in die Herzen der Fans gespielt. Anderen wiederum ist Daemon eine Spur zu inszestuös und mörderisch. Die drücken eher den Greens die Daumen. Doch jetzt das. Die ersten Folgen der zweiten Staffel schlagen all denjenigen, die auf die Promokampagne hereingefallen sind, gehörig vor den Kopf. Denn die eigentliche Botschaft der Serie ist: Die Lagerbildung verursacht das Schlamassel überhaupt erst.
Wie Lagerbildung Westeros ins Verderben stürzt
In „House of the Dragon“ schlittert der Kontinent Westeros nämlich in einen Bürgerkrieg hinein. Weil beide Lager den Konflikt nicht unter sich austragen, sondern versuchen, die Bevölkerung von Westeros mit lauteren und unlauteren Tricks auf ihre Seite zu ziehen. Die Greens wollen die Menschen glauben lassen, dass Rhaenyra eine grausame Verräterin und Mörderin ist. Die Blacks dagegen verbreiten die Botschaft, dass die Greens nur mit Hilfe von Lügen und Verrat an die Macht gekommen sind. Den Menschen in Westeros könnte das im Prinzip egal sein. Beide Seiten haben Drachen und sind moralisch verdorben. Das Problem ist nur: Blacks und Greens können die Menschen nicht nur mit ihrer militärischen Macht erpressen. Sie bedienen sich darüber hinaus allerhand Tricks der ideologischen Kriegsführung. Sie manipulieren die Diskurse in Westeros so, dass sich Unbeteiligte auf einmal gegenseitig die Köpfe einschlagen, weil sie glauben, sich für eine Seite entscheiden zu müssen. Selbst dann, wenn sie zuvor noch unzertrennlich waren.
Die Schlacht der Zwillingsbrüder
Symbolisch für diese Spaltung stehen die Cargyll-Brüder Erryk und Arryk. Eigentlich sind die Zwillinge unzertrennlich. Beide in der Königsgarde, beide im Dienst des Königshauses Targaryen. Doch im Konflikt zwischen Green und Black stehen Erryk und Arryk plötzlich auf unterschiedlichen Seiten. Der eine schwört Rhaenyra die Treue, der andere den Hightowers. Ohne hier zu viel zu Spoilern – aber die zweite Folge der neuen Staffel „House of the Dragon“ zeigt die Konsequenzen dieser Spaltung für beide Cargylls. Ihr Streit erinnert an die tragischen Geschichten vieler Familien in den USA denken, die plötzlich nicht mehr miteinander reden können, weil die eine Republikaner, der andere die Demokraten gewählt hat.
Die Propaganda-Tricks der Mächtigen in „House of the Dragon“
Fast wirkt es so, als hätten die Mächtigen in „House of the Dragon“ „Manufacturing Consent“ von Edward S. Herman und Noam Chomsky gelesen. In ihrem berühmten Buch beschreiben Chomsky und Herman, wie eigentlich objektive Berichterstattung in den Massenmedien durch eine bestimme „Filterung“ von Informationen zugunsten der Interessen der Mächtigen manipuliert werden kann. Nun gibt es in der Welt von Westeros zwar noch keine Massenmedien, aber die Strategie der Hightowers könnte direkt aus dem Playbook von Chomskys Filtermodell stammen. Otto Hightower, der Chefberater der Greens, entscheidet gezielt, welche Informationen aus dem Bürgerkrieg er an die Bevölkerung weitergibt und welche nicht. Er inszeniert Massenevents, die den Menschen in Königsmund den Eindruck vermitteln sollen, dass die Blacks böse sind. Um diese Dämonen zu stoppen, muss ein Krieg her. Wer kann sich ernsthaft auf die Seite dieser Monster stellen, geschweige denn glauben wollen, dass es Westeros besser ginge, wenn sie an der Macht wären?
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House of the Dragon - Staffel 2 | Offizieller Trailer Green | Sky
Ein Pazifismus-Plädoyer?
In „House of the Dragon“ sehen wir zunächst, wie beide Lager versuchen, die Mehrheit zu überzeugen, dass ihr Machtspiel alle angeht. Schließlich braucht es willige Soldaten. Die bereit sein müssen, für eine vermeintlich richtige Sache in die Schlacht zu ziehen und ihr Leben zu geben. Insofern ist die neue Staffel auch ein pazifistisches Plädoyer. Für Team Green und Team Black jedenfalls, lohnt sich in den Krieg ziehen nämlich nicht. Besonders, weil die Leidtragenden am Ende meistens nicht die Verursacher des Konflikts sind, sondern die einfache Bevölkerung, das Fußvolk.
„Stellt euch auf die Seite der Menschen“
Auch deshalb gibt es unter den Figuren von „House of the Dragon“ keine Sympathieträger. Bei vielen steht noch immer Daemon Targaryen hoch im Kurs, aber das wundert sogar Darsteller Matt Smith. Immerhin hatte Daemon in Staffel eins noch seine Ehefrau ermordet, um dann seine Nichte zu heiraten. An dieser Stelle nochmal Noam Chomsky: „Wir sollten nicht nach Helden Ausschau halten, wir sollten nach guten Ideen suchen“. Mit Helden werben Team Green und Team Black genug, aber Ideen haben sie nicht. Insofern schlummert in „House of the Dragon“ die gleiche Botschaft, die der israelische Friedensaktivist Alon-Lee Green von „Standing Toghether“ im Zündfunk bereits im Oktober vermitteln wollte: „Stellt euch nicht auf irgendeine Seite. Stellt euch auf die Seite der Menschen.“