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Meinung: Popstars und Onlyfans Die OnlyFans-Bilder von Lily Allen und Kate Nash sind kein Protest, sondern eine Kapitulation

Lily Allen und Kate Nash bessern durch spicy Bilder auf OnlyFans ihr Musikerinnen-Gehalt auf. Beide verklären die Aktion als Protest gegen schlechte Gagen. Ein Female Befreiungsschlag? Im Gegenteil.

Von: Paula Lochte

Stand: 03.12.2024

Porträtfoto der Popsängerin Lily Allen. | Bild: picture alliance / Scott Garfitt/Invision/AP | Scott Garfitt

Pop reicht Kate Nash und Lily Allen offenbar nicht. Der Popo und die Füße müssen nun ran: "Butts for tour buses", so nennt Nash die Funding- bzw. Marketing-Kampagne für ihre gerade gestartete Tour durch Europa und Großbritannien. Die Idee: Über die Plattform OnlyFans verkauft sie Bilder ihres Hinterns, finanziert so ihre Musikkarriere quer – und macht zugleich auf Missstände in der Musikindustrie aufmerksam. "Touren ist ein Verlustgeschäft. Helft mir, weiterzutouren, gute Gagen zu zahlen und eine qualitativ hochwertige Show auf die Beine zu stellen. Kauft ein Stück meines Arsches, oder von meinem Merch", schreibt die 37-Jährige Ende November auf Instagram.

Wozu sie bewusst nicht aufruft: ihre Musik zu streamen. Sie sei aber, wie sie sarkastisch hinzufügt, "total fein mit den 0,003 Penny", die sie mit einem Spotify-Stream verdiene. 

Lily Allen: mehr Geld mit Füßen als mit Musik?

Auch Lily Allen hebt den Stinkefinger Richtung Streamingdienst. Oder eher den Stinkefuß. Seit dem Sommer hat sie einen OnlyFans-Account. Während Instagram hyperventiliert, sobald ein weiblicher Nippel auch nur zu erahnen ist, sind nackte Brüste auf OnlyFans Normalität. Genau wie pornografische Inhalte. Oder Special-Interest-Content wie Lily Allens Füße. Die gibt es, so das Modell bei OnlyFans, aber nur gegen Bezahlung zu sehen. Und das funktioniere erschreckend gut, so Allen in einem Post auf X.

Vermarktet ihren Hintern für die Musik: Kate Nash.

Ob es wirklich stimmt, dass ihre Füße lukrativer sind als ihre Songs, haben verschiedene User und Medien seitdem versucht nachzurechnen. Ergebnis: Da hat Lily Allen möglicherweise etwas übertrieben. So oder so bleibt ein ungutes Gefühl in der Magengegend: Ist das die (Musik-)Welt, in der wir leben wollen? In der Künstlerinnen sich gezwungen sehen, auf "Sex sells" zu setzen, damit der marktliberale Streaming-Schlund sie nicht zermalmt und die teuren Tourbusse sie nicht überrollen?  

Kate Nash allerdings will ihre Lage so ausweglos gar nicht verstanden wissen. Auf Instagram schreibt sie, ihr OnlyFans-Auftritt sei "ermächtigend"; und "lustig und witzig", genau wie Sex. Denn es sei wichtig, dass Frauen die Kontrolle über ihren Körper hätten.

Okay, cool – wenn es nicht so schrecklich inkonsequent wäre: Kate Nash will uns die Popo-Querfinanzierung ihrer Tour gleichzeitig als lustigen Befreiungsschlag verkaufen. Und als traurigen Protest. Am Ende handelt es sich vermutlich um keins von beidem, sondern in erster Linie um eine kalkulierte Werbeaktion kurz vor Tourstart, denn Schlagzeilen und Social-Media-Traffic waren ihr damit sicher.  

 Von einem ausbeuterischen Konzern zum nächsten

Inkonsequent an den Bildchen ist aber auch: Lily Allen und Kate Nash kritisieren damit Spotify, ketten sich mit OnlyFans aber an den nächsten Konzern, der satte 20 Prozent der Einnahmen der "Content Creators" einstreicht.

Schlimmer geht immer, ja. Zum Beispiel wenn, wie bei den vielen Sex Workers, die OnlyFans nutzen, ihnen stattdessen ein Pimp die Einnahmen abknöpft. Oder, wie eben bei den vielen Musiker:innen, Spotify. Aber müssen Lily Allen und Kate Nash überhaupt zwischen Pest und Cholera wählen? Warum nicht weder noch? Sonst ist es weder ein Befreiungsschlag, noch ein Protest, sondern eine Kapitulation. 

"Don’t hate the player, hate the game" – Hasse nicht den Spieler, sondern das Spiel, schreibt Lily Allen auf X als Antwort auf einen kritischen Kommentar zu ihren Fuß-Fotos. Womit sie Recht hat. Weder ihr noch Kate Nash noch all den anderen Musikerinnen, die den jeweiligen Spielregeln der Plattformen folgen (kurze Songs für Spotify, kürzere Röcke für OnlyFans), ist persönlich ein Vorwurf zu machen. Aber es wird Zeit, dass jemand die Spielanleitung zerreißt, das Spielfeld vom Tisch fegt und wir alle aufhören, uns einzureden, dieser endlose Spieleabend sei „lustig & witzig & befreiend“. Nur weil ein bisschen nackte Haut im Spiel ist.