"Supacell" auf Netflix Diese rassismuskritische Serie ist eine unterhaltsame Mischung aus Gangster-Serie, Mystery und Sozialdrama
Im Netflix-Hit “Supacell” erlangen Menschen aus einem Londoner Problemviertel Superkräfte – und erleichtern sich damit auch den eigenen Alltag. Gekämpft wird nicht nur gegen Bösewichte, sondern auch gegen Rassismus.
Eigentlich wollte der Londoner Paketbote Michael (Tosin Cole) sich in Ruhe auf seine Hochzeit freuen: die bürgerliche Normalität als Ausflucht aus dem von Bandenkriminalität geprägten Alltag seines Stadtviertels. Doch seit seiner Verlobung plagen ihn düstere Zukunftsvisionen – und er stellt schockiert fest, dass er durch die Zeit reisen kann. Parallel entdecken auch andere im Viertel besondere Fähigkeiten: Die Krankenschwester Sabrina (Nadine Mills) kann plötzlich Telekinese – was ihr auffällt, als sie ihren aufdringlichen Ex mal eben gegen eine Wand fliegen lässt. Drogendealer Rodney (Calvin Demba) kann auf einmal in Blitzgeschwindigkeit rennen und läuft ohne es zu merken bis nach Schottland.
Die Netflix-Serie "Supacell" spielt im von Schwarzen Communitys geprägten Londoner Süden. Ihre Hauptfiguren sind Personen, die in ihrem regulären Leben schon ohne Bösewichte genug zu kämpfen haben. Gegen Alltagsrassismus, gegen Bandenkriminalität, gegen Arbeitslosigkeit.
Dank Superkräfte Vorteile im Privatleben
Somit ist eigentlich naheliegend, dass sie ihre Fähigkeiten erstmal nicht in die Dienste der Menschheit stellen – sondern mit ihren eigenen Problemen aufräumen. Jugendgang-Anführer Tazer (Josh Tedeku), der sich unsichtbar machen kann, holt sich den Respekt auf der Straße zurück und vermöbelt alleine eine rivalisierende Bande. Drogendealer Rodney macht den Cashflow seines Lebens – weil er sein Marihuana nun so schnell verticken kann wie niemand anders.
Hinter der Serie steckt der 35-jährige Rapper und Filmemacher Rapman, bürgerlich Andrew Onwubolu, der selbst aus dem Schwarz und jamaikanisch geprägten Süden Londons stammt. Bereits bei seinem 2019-Spielfilmdebüt "Blue Story", einem Kriminal- und Musikdrama, thematisierte er Gangs und Gewalt in der Gegend seiner Herkunft. Für "Supacell" hat er fast ausschließlich Schwarze Menschen vor und hinter die Kamera geholt. Der Sechsteiler sei explizit keine Superheldenserie, sagte Rapman im Interview mit dem "Hollywood Reporter". Er wolle zeigen, wie Alltagsmenschen unter sozialem Druck mit Superkräften umgehen würden. Die wenigsten hätten "als ersten Instinkt, sich Spandex und ein Cape zu besorgen."
Gute Stilmischung aus Gangster, Mystery, Drama und Action
Das Problem dabei: Superkräfte sprechen sich rum, und natürlich ist den Hauptfiguren schnell eine zwielichtige Organisation auf den Versen. Um es mit ihr aufzunehmen, muss Paketbote Michael den Rest der Crew finden und zur Zusammenarbeit bewegen. Diesen Teil des Plots kennt man aus Top-Serien wie Stranger Things. Auch andere Szenen streifen manchmal am Klischee: Der beste Freund, der die Fähigkeiten zuerst nicht glaubt und dann zufällig live demonstriert bekommt, oder wie die Figuren erst damit strugglen, ihre Fähigkeiten kontrollieren zu können.
Doch insgesamt ist "Supacell" eine gelungene und unterhaltsame Mischung aus Gangster-Serie, Mystery, Sozialdrama und Action. Garniert wird das Ganze von geschmackvoller Hip-Hop- und RnB-Musik und Londoner Straßen-Englisch. Die Rassismuskritik der Serie kommt nicht abrupt mit dem Vorschlaghammer, sondern schwingt subtil mit, was sie umso stärker macht. Und, ohne zu viel zu spoilern: Auch die Ursache der Superkräfte hat mit Rassismus zu tun.
Ob es eine zweite Staffel geben wird, ist noch nicht entschieden. Erzählstoff und Cliffhanger dafür gäbe es nach den ersten sechs Folgen aber mehr als ausreichend.