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„Tandem“ Dieser Kinofilm zeigt, warum Teenager die Welt regieren sollten

Für eine Demo schwänzen sie die Schule, wollen ihren Eltern gern eine reinhauen und sich endlich mit Zunge küssen. „Tandem“ erzählt von den Austauschschülerinnen Fanny und Lena. Der Kinofilm zeigt, wie durchgeknallt Teenager sind – und warum sie trotzdem die Welt regieren sollten.

Von: Paula Lochte

Stand: 30.10.2024

Fanny (Lilith Grasmug) und Lena (Josefa Heinsius) schauen sich verliebt in die Augen und essen einen mit Schokolade umhüllten Psychopilz | Bild: Julien Poupard/ Port au Prince Pictures

Es kracht am Whirlpool, dabei hat es so harmonisch angefangen: Die von Nina Hoss gespielte Mutter bringt Tochter Lena (Josefa Heinsius) und deren französischer Austauschpartnerin Fanny (Lilith Grasmug) Hotdogs in den Garten. Bestimmt vegetarisch, weil: junge Leute, Klimaaktivismus und so. Die Mutter zieht sich einen Plastikstuhl ran, will nett plaudern mit den Teenagerinnen, die im Whirlpool planschen.

Aber sie will sie auch vorwarnen: Der Ex-Freund der Mutter und die Großeltern kommen nämlich zu Besuch: „Jetzt meckere nicht, Oma möchte dich auch mal wieder sehen.“ Typischer Mama-Satz. Die Replik der Teenie-Tochter lässt nicht lang auf sich warten: „Das Monster musst du kennenlernen! Mamas Ex ist ein totaler Ostalgiker, ein Rassist, der AfD wählt.“ Voilà, die Eskalation: „Der ist kein Rassist“, entgegnet die Mutter. „Du nervst mich wirklich mit deiner Politik die ganze Zeit. Du urteilst, du belehrst, du verurteilst. Andere müssen permanent so denken wie du.“ Sie sei schlimmer als die Stasi. Das sitzt.

Zündfunk Popcorn: Filme und Serien auf den zweiten Blick

In der Kolumne „Zündfunk Popcorn“ berichten die Zündfunk-Reporter*innen Paula Lochte und Ferdinand Meyen alle zwei Wochen über aktuelle Kino- und Streamingtipps. Im Fokus: Die Indie- und Geheimtipps unter den Blockbustern. Süß. Salzig. Politisch.

Der Film „Tandem“ zeigt das Lebensgefühl von Jugendlichen heute

Regisseurin und Drehbuchautorin Claire Burger gelingt es im deutsch-französischen Film „Tandem: In welcher Sprache träumst du?“, en passant die zerrissene Gesellschaft zu zeigen. Die Risse, die sich auch durch Familien ziehen. Und die umso mehr aufreißen, weil ein ewiges Problem noch obendrauf kommt: Teenager und Erwachsene verstehen einander so gut wie die Französischlehrerin und der Typ in der letzten Reihe hinten rechts, der seit der 5. Klasse keine Vokabeln mehr gepaukt hat.

Gemeinsam einsam: Fanny (Lilith Grasmug) und Lena (Josefa Heinsius)

Nie ist man so gerecht und zugleich so selbstgerecht wie als Teenager. Nie hat man so viele Ideale – und fühlt sich zugleich so missverstanden und verloren: „Wovor hast du Angst?“, fragt die 17-jährige Fanny ihre Austauschpartnerin, als sie diese in Leipzig besucht. „Vor allem“, antwortet die. „Vor der Zukunft. Vor dem Klimawandel. Vor Faschisten. Vor Putin. Vor Krieg. Davor, alt und noch feiger zu werden. Und davor, nie etwas ändern zu können.“ Lena bringt damit das Lebensgefühl vieler Jugendlicher heute auf den Punkt. Krisen und Kriege überall, ein Gefühl politischer Ohnmacht. Aber was, wenn da auf einmal jemand ist, der dich versteht? Der genauso viel Angst hat wie du? Und ihr gemeinsam einsam sein könnt?

Perfekter Soundtrack von Rebeka Warrior

Der technoide Soundtrack passt perfekt zu den Stimmungsschwankungen des Plots. Er kommt von der französischen DJ und Musikerin Rebeka Warrior (die auch Teil der Electroclash-Band Sexy Sushi ist). Mit harten Beats und sanften Klängen unterstreicht sie die pubertäre Mischung aus Stärke und Schwäche. Denn wo Teenager sind, da knallt es. Und da fließen Tränen – mal aus Wut, mal aus Traurigkeit. Oder vor Glück.

Okay, Lena aus Leipzig hat erstmal gar keinen Bock auf den Sprachaustausch mit der schüchternen Fanny aus dem Elsass, den ihre Mütter organisiert haben. Die kennen sich von früher. Aus der Zeit der Aufbruchstimmung, als die Mauer gerade gefallen und das zum ersten Mal möglich war: dass Ostdeutsche über die Grenze in die Europastadt Straßburg fahren und umgekehrt. Aber dann kommen sich die beiden Mädchen doch näher.

Als Fanny nämlich erzählt, sie habe eine verdammt coole ältere Halbschwester, die sich in einer ultralinken Gruppe engagiert: „Antikapitalistisch, anarchistisch, feministisch.“ Fanny reiht alle Schlagwörter aneinander, die ihr einfallen. Und ist plötzlich interessant für Lena – die sie so unbedingt beeindrucken will. Das Problem ist nur: Die Schwester ist erfunden. Und nun heißt es mitfiebern: Wie lang dauert es, bis das Lügengebäude, in dem sich Fanny immer weiter verirrt, in die Luft fliegt? Aber auch: Wann checken die beiden endlich, dass sie sich gut finden?

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Der innere Erziehungsberechtigte schreit: „Halt! Stopp!“

Man ist hin und her gerissen: Wenn die Schülerinnen gemeinsam für Demos die Schule schwänzen, wenn sie sich Psychopilze besorgen oder eine Scheibe einschlagen, dann meldet sich schon mal der innere Erziehungsberechtigte und schreit: „Halt! Stopp!“

Andererseits: „Tandem“ zeigt nicht nur, wie waghalsig und durchgeknallt Teenager sind. Sondern auch, wie sehr sie mit ihrer Unvernunft Recht haben. Auch weil es ihnen um das eigentlich Wichtige geht: Wenn Lena zum Beispiel die Mutter ihrer Austauschpartnerin fragt: Wieso nimmst du Fanny nicht von der Schule? Sie werde gemobbt, es gehe ihr schlecht. Und der Mutter nur einfällt: Sie muss eben Abitur machen, es ist kompliziert, ich muss zur Arbeit.

Wenn „Coming of Age“ so wie bei dieser Mutter aussieht, dann sollten wir schleunigst aufhören, erwachsen zu werden. Wir sollten rufen: „Teenager an die Macht!“, weil es zumindest einer Menge Jugendlicher wichtiger ist, die Gefühle ihrer Freundin zu schützen – und das Klima. Wichtiger als was der Chef sagen könnte, als gesellschaftliche Zwänge oder die Frage, ob sich damit Geld verdienen lässt. Und wir sollten alle diesen Coming-of-Age-Film gucken. Denn „Tandem – In welcher Sprache träumst du?“ macht Lust, sich mit anderen zu verbünden. Bringt einen mit seinem Soundtrack zum Dancen. Und lässt einen so viel weinen und lachen wie ein Teenager.

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TANDEM - IN WELCHER SPRACHE TRÄUMST DU? (Offizieller Trailer) | Ab jetzt im Kino

„Tandem – In welcher Sprache träumst du?“ (französischer Titel: „Langue Étrangère“), Frankreich/ Deutschland/ Belgien 2024, Regie: Claire Burger, Buch: Claire Burger und Léa Mysius, u. a. mit Lilith Grasmug, Josefa Heinsius und Nina Hoss, 105 Minuten, Kinostart: 24.10.2024.