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"Schwarze Früchte" Diese Serie erzählt davon, wie es ist, queer und Schwarz in Deutschland zu sein

Verlust, Betrug und Freundschaft: "Schwarze Früchte" verhandelt universelle Themen, erzählt wird das alles aber von einem Team, das mehrheitlich aus BiPoC und queeren Menschen besteht. Modern, sensibel und spannend erzählt, ist "Schwarze Früchte" vielleicht die beste Serie derzeit.

Von: Valerie Trebeljahr

Stand: 18.10.2024

Lalo. Filmstill aus der Serie "Schwarze Früchte" | Bild: ARD Degeto/Jünglinge Film/Repro

Lalo und Karla sind beste Freund:innen. Und eine BFF kann der Mittzwanziger Hamburger Lalo wirklich gut gebrauchen: Er hat vor kurzem überraschend seinen Vater verloren, hat sein Studium geschmissen und die Beziehung zu seinem Freund Tobias liegt in den letzten Zügen. Kurzum: Lalo ist ziemlich lost. Ein Abendessen bei den Eltern seines Freundes bringt das Fass zum Überlaufen, kondensiert Lalos Gefühl des Nicht-Dazugehörens als Schwarzer queerer Mann. Und Tobias greift nicht ein, wenn seine Eltern bei einem Glas Wein gutgemeinte Rassismen von sich geben.

Tobias Mutter ist stolz: Sie hat das Buch "Exit Racism" gelesen

Die Mutter erzählt, dass der offenbar einzig andere Schwarze Mensch, den sie kennt, auch schwul ist: "Und auch sehr groß. Du erinnerst mich irgendwie total an ihn, so in deinem ganzen Wesen. Das ist jetzt fast schon gruselig irgendwie", sagt sie zu Lalo – dem sie gerade zum ersten Mal die Hand geschüttelt hat. Natürlich kennt sie sich enorm gut aus mit dem Thema Schwarzsein, schließlich hat sie "Exit Racism" gelesen und war wegen Black Lives Matter auf der Straße.

Hilfe von Freund:innen

Zum Glück hat Lalo seine BFF Karla

Lalo erträgt viel in dieser Serie. Er ist sanftmütig und oft zu verunsichert, um sich zu wehren. Hilfe verlangt er von seinen Freund:innen, vor allem von der erfolgreichen, starken Karla, bei der er – wie er sagt, nur vorübergehend – einzieht. Aber Karla hat selbst mit Zweifeln zu kämpfen: Die Kollegen tuscheln, sie habe die Beförderung nur als Quoten-Frau und Schwarze bekommen, der Vorgesetzte ist übergriffig und ihre minderjährige Schwester schwanger. Es kommt, wie es kommen muss: Lalo und Karla zerstreiten sich. Karla hat genug, sie findet Lalo begebe sich in die Opfernummer. "Ich weiß das schon! Und ich muss dir leider sagen, du wurdest hauptsächlich zusammengeschlagen, weil du schon immer übertrieben nervig warst!", schreit sie ihn an. Das stimmt natürlich nicht und Karla weiß es auch.

Eine der besten deutschen Serien derzeit

"Schwarze Früchte" ist eine der besten deutschen Serien derzeit. Geschrieben hat die Dramedy Lamin Leroy Gibba. Der 30-Jährige spielt nicht nur die Hauptfigur, sondern ist auch Headautor, Showrunner und Mitproduzent der Serie. Insgesamt ist aber ein wirkliches Kollektiv am Start, das mehrheitlich aus queeren und BiPoC-Filmschaffenden besteht. Man wünschte sich, dass dies nicht so außerordentlich wäre, dass es nun in jeder Kritik herausgestellt werden wird. Aber "Schwarze Früchte" ist eben doch ein Einzelfall. Menschen erzählen lassen, die bis dato zu wenig gehört wurden. Mal zuhören - bzw. zusehen.

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Einsamkeit, Verlust und Verrat

Die Serie ist deshalb so gut, weil sie Einblick gibt in eine Realität – also Schwarz zu sein und/oder queer – die viele in Deutschland nicht kennen, weil aber die Probleme, das Coming of Age, Einsamkeit, Verlust und Verrat universell sind. Im besten Fall schaut man also nicht drauf und denkt sich "Ahh, so ist das da also" – wie die Eltern von Tobias es vielleicht tun würden. Im besten Fall fühlt man einfach mit den Figuren, verschwimmt mit Lalo, Karla, ihrer Schwester Lotta, Lalos Künstlerfreund Bijan und selbst mit der schwer zu ertragenden Mutter von Lalo, die so wenig Gefühl für ihren Sohn zeigen kann, der seinen Vater vermisst.

Lichtjahre entfernt von "Maxton Hall"

Eigentlich ist Karla nur noch müde - aber sie soll immer die Starke sein

Alle Welt will von Lalo, dass er funktioniert. Aber Lalo kann das nicht. Und Karla bezahlt einen hohen Preis für ihre Anpassungsfähigkeit. "Schwarze Früchte" nimmt sich viel Zeit für seine Protagonist:innen und hält ihre Ambivalenzen aus und schaut hin. Erzählt in warmen, eindrücklichen Bildern, Millionen Lichtjahre entfernt vom deutschen Linear-Fernsehen und von deutschen Serienhits wie "Maxton Hall". Serien wie "Schwarze Früchte” oder auch "Die Zweiflers” - die Geschichte einer jüdischen Familie, die im Frankfurter Rotlichtviertel ein Delikatessimperium aufbaut – zeugen von einem Umdenken in der deutschen Serienlandschaft. "Die Zweiflers” wurde in Cannes gefeiert und räumte beim Deutschen Filmpreis ab. "Schwarze Früchte” dürfte folgen. Verdient hätte es die Serie.

Die Serie "Schwarze Früchte" ist in der ARD Mediathek zu sehen.