Fußball und Gewalt Die Macht der Kurve
Wenn ein Fußball-Trainer gehen muss, spielt der Druck der Fans eine nicht unwesentliche Rolle.
Friedhelm Funkel (Eintracht Frankfurt), Marcel Koller (VfL Bochum), Markus Babbel (VfB Stuttgart), Michael Oenning (1. FC Nürnberg) - unter anderem diese Bundesliga-Trainer wurden nach anhaltender Erfolglosigkeit ihrer Vereine 2009 entlassen. In allen vier Fällen spielte der Druck von der Straße eine nicht unwesentliche Rolle. Die Beispiele zeigen, wie groß inzwischen der Einfluss von Ultras auf die Personalpolitik von Fußballklubs geworden ist.
Babbels Ende in Stuttgart
Bochumer Fans verbrannten Plakate mit Kollers Konterfei und beschädigten sein Auto. In Stuttgart blockierten 150 schwarz gekleidete VfB-Anhänger den Mannschaftsbus, bedrohten Spieler mit Mordgesten, aber auch verbal: "Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch alle tot." Und das nur knapp einen Monat nach dem Freitod von Nationaltorwart Robert Enke. Auf seiner letzten Pressekonferenz kritisierte der scheidende Trainer Babbel diese Aggressionen in scharfer Form: "Wir hatten am Samstag zwei 19-Jährige auf dem Platz, die Angst hatten. Das war zum Großteil ein Verschulden der Fans", schimpfte er.
Obwohl ihm zuvor eine Job-Garantie ausgesprochen worden war, hörte Markus Babbel - wenige Monate zuvor noch für die Qualifikation zur Champions League gefeiert - als Trainer bei Stuttgart auf. Dafür sei das bedrohliche Fan-Verhalten mitentscheidend gewesen, räumte der VfB-Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Hundt ein.
Morddrohungen
Eine derartig offene Fan-Schelte wie die des ehemaligen FC Bayern-Spielers Babbel hört man nicht oft im Profi-Fußball. Ein Verein riskiert selten die direkte Konfrontation mit seinen Anhängern. Zu groß ist die Furcht, dass sie ausbleiben könnten und dadurch weniger Einnahmen in die Kasse kommen. Auch Martin Bader, Sportdirektor des 1. FC Nürnberg, verhielt sich relativ zurückhaltend, obwohl nach der 0:4-Heimpleite des Club am 12. Dezember 2009 gegen den Hamburger SV Randalierer vor die Geschäftsstelle des Vereins zogen.
Bader, über den damals Gerüchte wegen eines bevorstehenden Wechsels zum HSV kursierten, erhielt sogar Morddrohungen und benötigte Polizeischutz. Und wieder folgte aus dem Druck der Ultras ein Trainer-Aus: Am 21. Dezember musste Michael Oenning gehen. Auch er war noch wenige Monate zuvor umjubelter Held, als er mit Nürnberg den Aufstieg in die Bundesliga schaffte.
Bader ist nicht der einzige, der sich mit Morddrohungen konfrontiert sah. Auch Jupp Heynckes war als Trainer von Borussia Mönchengladbach davon betroffen, als seine Mannschaft wochenlang glücklos agierte. Als Konsequenz daraus trat er Anfang 2007 zurück. Denselben Schritt machte 2005 der schwedische Weltklasse-Schiedsrichter Anders Frisk nach ähnlichen Fanattacken.
Privilegien der Ultras
In Italien haben Ultras inzwischen zum Teil mafiöse Strukturen geschaffen. Fangruppen erpressen Klubverantwortliche, gewaltbereite Anhänger steuern den Verkauf von Tickets und Fanartikeln. So weit ist es in Deutschland noch nicht gekommen, dennoch verstehen sich manche Gruppierungen nicht mehr nur als Kunden, sondern auch als Mitbestimmer. Aus ihrer grenzenlosen Loyalität leiten sie gewisse Privilegien ab, die ihnen zum Teil auch gewährt werden. So dürfen sie zum Teil früher ins Stadion als alle anderen Fans, eigene Fanartikel entwerfen oder Klubräume für die Vorbereitung der Choreografie nutzen.
Der harte Kern der Fans fühlt sich gewissermaßen als Aufsichtsrat außerhalb der offiziellen Gremien. Manchmal hat er damit Erfolg: Nicht nur Trainer verließen wegen Fanattacken einen Verein, auch Spieler. Bei Hansa Rostock machten Ultras so lange Druck, bis der Sicherheitsbeauftragte des Vereins zurücktrat. Er war zugleich Chef eines Teils der von den Fans gehassten Stadionordner. Den Weg der Integration beschritt dagegen der Hamburger SV, indem er inzwischen Fanvertreter in den Aufsichtsrat wählen lässt.