Kick im Flug Der Bartgeier
Bei vielen Wildtieren in den Alpen geht es nicht nur darum, den Bergwinter zu überstehen, sondern viele von ihnen haben sich regelrecht auf die besonderen Bedingungen spezialisiert. Ein ganz besonderer Fall ist der größte Alpenvogel, der Bartgeier.
Im März ist Brutsaison und der Zeitpunkt, wo die ersten Jungen schlüpfen, da jetzt der Tisch für den Aasfresser wieder reich gedeckt ist.
Mit die größten Chancen einen Bartgeier zu sehen gibt es in Osttirol, in den Tälern nahe des Felbertauern, zwischen Großvenediger und Großglockner. Im Bereich der Felsen lässt sich der imposante Greifvogel bei näherem Hinschauen entdecken. Michael Knollseisen ist seit langem der Bartgeier-Betreuer im Nationalpark Hohe Tauern.
Seit über 10 Jahren werden in der Umgebung von Matrei junge Bartgeier ausgewildert. Am Muster einiger mit Haarbleichmittel weiß gefärbten Federn lässt sich erkennen, wer da in der Luft unterwegs ist. In dem seit 1985 laufenden größten Wiederansiedlungsprojekt einer Alpentierart zählen die Hohen Tauern zu einer der Drehscheiben. Dieses Jahr brütet ein Paar etwas verspätet, denn eigentlich ist jetzt Mitte März schon Zeit zum Schlüpfen.
Die rund zweimonatige Brutzeit ab Mitte Januar macht Sinn, denn im März, wenn die Jungen schlüpfen, finden im hochalpinen Bereich zeitgleich die größten Lawinenereignisse statt. Mit ihrer atemberaubenden Spannweite von bis zu drei Metern fliegen die erwachsenen Bartgeier die Lawinenstriche ab, auch bei unwirtlichen winterlichen Bedingungen, auf der Suche nach Aas.
Ihren spanischen Namen „Knochenbrecher“ haben die Bartgeier nicht umsonst, zertrümmern sie die tierischen Lawinenopfer – Gams, Steinbock, Reh und Hirsch - doch auf flachen Felsen, den „Knochentischen“. Bis zu 30 Zentimeter lange Knochen können die Bartgeier allerdings problemlos verschlucken. Innerhalb von 24 Stunden werden die Knochen von der Magensäure zersetzt.
Starker Schneefall stört die mächtigen Vögel beim Fliegen, dann aber reicht ihnen auch nur ein geringer Wind aus, um sich in die Lüfte zu schwingen. Wie gut die nur scheinbar unbeweglichen Bartgeier fliegen können, zeigen sie, wenn sie von Raben oder Dohlen geneckt werden. Ungeheuer wendig liefern sie sich mit den wesentlich kleineren Rabenvögeln spektakuläre Luftkämpfe.
Auch der Adler streitet sich öfters mit den Bartgeiern ums Revier. Vor zwei Jahren wurden die ersten Bartgeier auch über den Allgäuer Bergen gesichtet. Verteilt über den ganzen Alpenbogen gibt es inzwischen wieder 130 Bartgeier. Im vergangenen Winter kamen zehn Jungvögel zur Welt. Im Osttiroler Nationalpark Hohe Tauern wartet man jetzt besonders gespannt, ob die Brut gelingt.