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Küste, Karst und Klapa Ein Kultur- und Wanderstreifzug durch Kroatien

Kroatien - das ist türkisblaues Meer, weiße Felsen und Winnetou-Romantik. Es ist aber auch: Touristenströme, Kriegswunden und Minen. Wir nehmen Sie im Bayern 2-Fernweh mit auf einen Kultur- und Wanderstreifzug durch Kroatien.

Von: Andrea Zinnecker

Stand: 08.09.2024

Makarska: Wanderweg im Biokovo Naturpark über karstiges Gestein  | Bild: Ivo Biocina

Es geht um die Liebe und den Wein, um die Heimat und das Meer - Klapa, der polyphone A-Cappella-Gesang hat seine Wurzeln in der Kirchenliturgie und ist typisch für Dalmatien: authentische Volksmusik fernab jeder Folklore und dennoch ein Touristen-Magnet, zum Beispiel in Trogir, wenn sich unter den romanischen Arkaden des ehemaligen Fürstenpalastes mehrere Männer zusammenfinden und eine Klapa anstimmen.

Schmuckkästchen Trogir

Der kleine Ort Solina

Mehr als 2.000 Jahre hat die Altstadtinsel von Trogir auf ihren kalkweißen Steinen. UNESCO-Weltkulturerbe und eine Schatzkammer der Geschichte und Kunst mit ihren engen verwinkelten Gassen und gotischen Fenstern, Kirchen und Kapellen, Loggien und Lichthöfen, Treppen und Torbögen, Palästen und Plätzen. Ein Muss für jeden, der von Split aus Dalmatien erkunden will. Trotz der Menschenmassen und der soften Eis-Berge, die sich in unzähligen Cafès in schrillen Neonfarben auftürmen und Zweifel aufkommen lassen an der Natürlichkeit der Zutaten.

Besser man besucht Trogir früh am Morgen oder am frühen Abend - jedenfalls nicht, wenn der aggressive Tagestourismus die Altstadt malträtiert. Das gilt übrigens auch für Split und Dubrovnik, das nördliche und südliche Tor zu Dalmatien. Beide Orte lassen sich gut mit einer Wanderkreuzfahrt verbinden.

Wanderkreuzfahrt von Split nach Dubrovnik

Märchenhaftes Türkis

Ruhig wird es erst draußen auf der Adria. Das gleichmäßige Brummen des Schiffsmotors, der monotone Wellenschlag und das sanfte Sich-Hin-und-Her-Wiegen sorgen für Entschleunigung. Auch wenn das erste Ziel, die weit vor der Küste liegende Insel Vis, nicht angesteuert werden kann, weil sich die Bora ankündigt, jener kalte böige Fallwind aus dem Norden, der das Meer aufwühlt. Kapitän Soran Vukovic steuert die 37 Meter lange MS Spalato im kroatischen Küstengewässer sicher von Insel zu Insel.

Spalato, das ist der alte Name von Split, und da Soran aus Split stammt, war die Namensgebung für seine Motoryacht schnell geklärt. In der Hauptsaison zwischen Mitte Juli und Mitte September liegen dann schon mal zehn und mehr Schiffe nebeneinander in den kleinen Häfen der Inseln.

Überhaupt hat sich die dalmatinische Inselwelt in den vergangenen Jahren zu einer Partydestination für junge Leute aus Großbritannien, Australien und Neuseeland entwickelt. Highlife im Hafen. Sommer, Salz und viel Sound.

Küste und Inselwelt als Tourismuszentrum

Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftsfaktor an der kroatischen Küste. Istrien und der Kvarner stehen eher für Individualtourismus – für luxuriöse Hotels mit K-&-K-Flair und Gourmetreisen. In Dalmatien dominiert, zumindest in der Hauptsaison, oft der laute Massentourismus.

Sonnenuntergang auf Mljet

Campingplätze und Ferienwohnungen für den günstigen Familienurlaub aber gibt es entlang der gesamten kroatischen Küste. Alle 1.248 Inseln miteinbezogen ist die kroatische Küste an die 6.000 Kilometer lang. Das glasklare, blitzsaubere Meer gilt als größtes Kapital. Die Wasserqualität kommt zum einen von den Kiesstränden, die wie ein Filter wirken, zum anderen von der Tiefenströmung, die Richtung Venedig zieht und für eine gute Umwälzung sorgt.

Die Wanderkreuzfahrt auf der MS Spalato führt von Split nach Brac und Hvar, der Lavendel-Insel und Insel der High Society, weiter über Korcula und Mljet nach Dubrovnik und dann - an der Halbinsel Peljesac vorbei - die Makarska Riviera entlang und über die einstige Piratenhochburg Omes zurück nach Split. Jede Insel ist ein Juwel. Mljet zum Beispiel: Wer unberührte Natur und Stille sucht, ist hier bestens aufgehoben. Die grünste Insel Dalmatiens bietet zauberhafte Wandermöglichkeiten, ist zum Teil Nationalpark und auch akustisch ein Erlebnis - der Zikaden wegen.

Küste und Karst

Für viele einer der schönsten Orte an der kroatischen Adria: Makarska

„Mare e Monti“, wie es drüben auf der italienischen Seite der Adria heißt, gibt es auch in Dalmatien: Küste und Karst. Unmittelbar hinter der mediterranen, palmengesäumten Makarska-Riviera erhebt sich die schneeweiße, an die 1.000 Meter hohe Felsmauer des Biokovo-Gebirges. Zu Füßen des Biokovo liegt Brac, die „steinreiche“ und größte dalmatinischen Insel.

Scheinbar unzugänglich und von tiefen Karsthöhlen durchzogen bietet der Naturpark Biokovo schöne Wandermöglichkeiten auch auf halber Höhe, zum Beispiel vom Bergdorf Makàr ins Bergdorf Tucèpi. Eine Wanderung mit leicht makabrer Note, denn der anfangs schmale, steinige Pfad führt durch stachelige Macchia zu einem ungewöhnlichen Brotzeitplatz – zu einem Friedhof mit aufgelassenen Gräbern aus dem 18. Jahrhundert. Bei der Einkehr in einer landestypischen Konobas, darf der „Prsut“, der luftgetrocknete Schinken, keinesfalls fehlen. Ein Schnaps gehört ebenfalls dazu, zum Beispiel aus den Früchten des Johannisbrotbaums.

Traum und Traumata

Die Schönheit Dalmatiens spiegelt sich oft in der Musik. Hat aber auch zwei Seiten: Traum und Trauma. Küstenträume und Kriegstraumata. Von 1991 bis 1995 hat in Kroatien der verheerende Jugoslawienkrieg getobt. In den Städten der Küste sind die Kriegsspuren getilgt, nicht aber in der Seele der Menschen. Bei aller Gastfreundschaft und Großherzigkeit ist doch auch immer wieder eine Art innere Distanz zu spüren: mediterrane Melancholie – und ein spröder Charme. Durchaus ein Spiegel der kroatischen Karstlandschaft.

Aufpassen beim Wandern

Gipfelplateau des Velebit

Detaillierte Wanderkarten und gute Markierungen sind bis heute nicht immer so selbstverständlich für Dalmatien. Markierungen sind das eine, Minen das andere. Nach wie vor gibt es Warnungen, den Wanderweg besser nicht zu verlassen, vor allem bei Touren im kroatischen Hinterland. Aufpassen sollte man auch auf die zum Teil ziemlich giftigen Karstschlangen im Gebirge und Vipern auf den Inseln. Also erstmal genau schauen, bevor man sich in der freien Natur irgendwo hinsetzt.

Winnetou-Nostalgie

Winnetou-Trail in der Paklenica-Schlucht

Vor über 60 Jahren wurde der erste der drei legendären Winnetou-Filme gedreht. Kenner wissen, dass die märchenhaft schöne Landschaft nicht im wilden Westen der USA liegt, sondern in Kroatien, im Velebit-Gebirge, unweit der dalmatinischen Küste. Die Landschaft ist auch in Wirklichkeit so schön wie im Film und die Schauplätze haben bisher nichts von ihrer Ursprünglichkeit eingebüßt, so auch die wilde Paklenica-Schlucht.

Allerdings sind auch hier die Landminen aus dem Krieg zum Teil immer noch nicht weggeräumt. Oben am Weißen Berg Tulove Grede im Velebit-Gelände zum Beispiel, wo Winnetou im letzten Teil der Karl-May-Filmtrilogie stirbt, stehen sehr bizarre, erodierte Kalkfelsen und -türme – und noch Minen im Gelände. Wo das der Fall ist, weisen Warnschilder darauf hin. Das erzeugt ein sehr zwiespältiges Gefühl mitten in einer filmischen Bilderbuchlandschaft.

Wiederentdeckung der Naturlandschaft

Berghäuser aus dem 18. Jahrhundert

Seit den 1990er-Jahren und dem Aufschwung des Mittelmeerwanderns ist auch die dalmatinische Naturlandschaft wieder mehr ins Blickfeld gerückt. Die unmittelbare Nähe von felsigen Gebirgsstöcken bis rund 1.800 Meter Höhe und dem Meer bewirkt auch eine spezielle Biodiversität sowie sehr malerische Kontraste. In der Lebensrealität aber sind die Winter im Gebirge nach wie vor rau und unangenehm, auch wenn es nicht so kalt wird. Im Sommer herrschen dann oft Trockenheit und Hitze.

Wanderschäfer sind typisch in so einer Landschaft: Will man Wiesen haben, muss man erst die Steine herauslesen und zu Trockenmauern aufschichten. Das Meer war deshalb der entscheidende Zugang zu Wirtschaft und Handel, und so gibt es seit der Römerzeit die großen Hafenstädte an der Adria wie zum Beispiel Dubrovnik. Das einstige Ragusa war ein Satellitenstaat von Venedig.


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