Ruhepol der Vorsaison zwischen Zillertal und Südtirol Frühjahrsskitour auf das Pfitscher Joch
Die Zeit zwischen den Jahreszeiten hat ihren eigenen Reiz. Orte, die bald wieder zum alpintouristischen Tummelplatz werden, sind jetzt noch verwaist, wie zum Bei-spiel auch das Pfitscher Joch. Es verbindet das Zillertal mit dem Sterzinger Becken in Südtirol.
So lebhaft rauscht der Bergbach nur in dieser Jahreszeit. Er sprudelt über Felsbrocken und ergießt sich in kleine Mulden.
An einer Stelle sind die Latschen schwefelgelb eingefärbt, an einer anderen ist das Bachbett zinnoberrot von Mineralien, die hier aus dem Berg geschwemmt werden. Ski und Skistiefel baumeln schon eine ganze Zeitlang am Rucksack. Unten am Beginn der Pass-Straße im Talschluss von Pfitsch ragen die Trümmer eines zerstörten Stadeldachs über den Weg, weiter oben blockieren Lawinenreste die rustikale Pass-Straße. Wir bewegen uns zwischen den Jahreszeiten: Während das Pfitschtal schon in sattem Grün leuchtet, sind, die Berge oben noch blendend weiß.
Jetzt wirkt die Landschaft ungestüm und zerhauen. Die Gewalt des Winters zeigt sich überall im Gelände: entwurzelte Bäume, abgerutschte Felsen, Lawinenreste, aus denen abgerissene Äste und Bäumchen ragen. Immer wieder sind Böschungen am Wanderweg abgerutscht, den wir jetzt benutzen. Gerade durch die Spuren der Naturkräfte erleben wir die Landschaft besonders intensiv. Wo Altschnee liegt und alles matschig und braun ist, wird das erste frische Grün zum kleinen Wunder. Noch ein paar Wochen wird es so weiter gehen.
Etwa 200 Höhenmeter unter dem Pfitscher Joch schnallen wir die Ski an - und es geht einigermaßen gut, auch wenn wir zwischendurch abschnallen und in Skistiefeln eine Grasflanke queren müssen. Stellenweise brechen wir knietief in den Sumpf ein, in den die intensive Frühlingssonne den Schnee inzwischen verwandelt. Großartig wirkt der Kontrast zwischen dem grünen Tal und den wilden Pfunderer Berge mit ihren steilen Flanken und der Hochferner Nordwand über dem Pfitscher Joch. Unnahbar wirkt das Hochgebirge, heimelig das Tal. Wir ziehen eine Runde über die Hänge über dem Joch, dann drängen die Hitze, der weiche Schnee und die Lawinengefahr weiter oben zur Rückkehr ins Pfitschtal. Unser Ziel ist die Terrasse des Berggasthofs Neuwirt in St.Jakob. Das ganze Tal, das seinen Charakter noch besonders schön bewahrt hat, liegt in einer tiefen Ruhe.
Nur Margit Hofer, die Wirtin, kennt keinen Ruhetag. Wer hier ankommt, wird ganz bodenständig verköstigt, ohne touristisches Theater. Genau so etwas wünscht man sich: einen Betrieb, der mit dem Dorfleben und mit den Jahreszeiten geht und trotzdem gastlich ist. Der Neuwirt ist die eigentliche Traditionswirtschaft des Pfitschtals mit Produkten von den Nachbarbauern und der typischen Südtiroler Küche mit Knödel-Tris und Schlutzkrapfen.
Die Landschaft hier ist immer eindrucksvoll, aber jetzt, wo kaum jemand herkommt, weil es zum Wandern und Radeln zu früh und zum Skitourengehen schon fast zu spät ist, ist sie einzigartig. Gut, dass es mit Margit Hofer diese eine Adresse im Pfitschtal gibt, auf die immer Verlass ist, zu jeder Jahreszeit. Die vorsaisonale Ruhe wird noch bis Juni andauern, sagt Margit Hofer. Es ist die himmlische Ruhe vor dem Sturm des Sommers, wenn es dann am Pfitscher Joch vor Radfahrern und Alpenüberquerenden nur so wimmelt.